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Sonnabend, den 7. Dezember. Aettelrißische Anlage zum sächsische» Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben.) 1895. Bier Weihnachtsbriese für kleine Leute. Bo« Max Dittrich (Nachdruck verboten). H. Knecht Rupprecht. Der Knecht Rupprecht, von dem dieser zweite Weih nachtsbrief zu erzählen hat, ist ein alter, eisgrauer Mann mit ernstem Gesicht, wie es etwa der Herr Schuldirektor oder Pastor macht, wenn er zu den Kindern in die Schule kommt. Er hat einen langen weißen Bart und trägt einen bis auf die Fersen gehen den Kaftan, wie die polnischen Juden, wie er denn auch viele Meilen von hier wohnt und nur mit Hilfe seiner Siebenmeilcnstiefel kommt er schneller vorwärts, wie mit der Eisenbahn, von der er nichts wissen will. Auf dem Rücken trägt er einen Sack und aus einer der großen Taschen seines Kaftans schaut eine Ruthe heraus. Wie die Heinzelmännchen durch den Advent glockenklang zur Weihnachtsarbeit gerufen werden, so muß Knecht Rupprecht, der in katholischen Gegenden auch noch Sanct Niclas und im Elsaß Hans Trapp genannt wird, sich zur Christfestrundreise anschicken, wenn die Kinder jenes alte bekannte, in der Weihnachts zeit allerorten erklingende Berschen beten: Rupprecht, Rupprecht, heil'ger Christ, Komm zu mir, wenn's finster ist, Oder auch wenn Mondenschein Werst Nüsse mir und Aepsel ein! Der liebe Gott hat nämlich, wie bekannt, jedem Kinde einen Schutzengel beigegeben, der es im Schlafe bewacht und von allem seinen Thun und Treiben dem Herrn und Meister im Himmel von Zeit zu Zeit Be- Engelhände streu'n die weißen Himmelsblumen auf die Welt, Wenn, vom Winterfrost gebrochen, Welk der Erde Blüthe fällt. Und auf diesem Blumenteppich Eilt von Haus zu Haus geschwind, Auf dem weißen Pferdchen reitend, Das geliebte Weihnachtskind. Und die Kinderangesichter Lächeln auf des Bettchens Flaum, Denn des Schimmels Schellen klingen Lustig durch der Kleinen Traum. Endlich flammen hell die Lichter An dem grünen Tannenzweig. Und es sind die jungen Herzen, Ach, so unermeßlich reich! Um der Unschuld blonde Locken Strahlt es wie ein Heil'genschein. — . Weihnachtsglocken, Weihnachtsglocken! Laßt uns wieder Kinder sein! — richt erstattet. Betet aber ein Kind hienieden aus der Erde recht innig und herzlich, so fliegt sein Schutzengel alsbald hinauf vor Gottes Thron und bitter im Namen des Kindes um Erhörung des Gebetes. Wenn nun die vielen, vielen Tausend Kinder das gedachte Weihnachtsgebet ertönen lassen und der liebe Gott durch die Engel von allen Seiten Kundschaft davon erhält, so sendet er zu Knecht Rupprecht, daß er seinen Weihnachtsrundgang beginne und Meldung erstatte, ob die Kinder auf der Erde auch durch ihr Betragen im Elternhaus und in der Schule verdient haben, daß das Christkind zu ihnen kommt. Da nimmt dann Knecht Rupprecht seinen Sack und seine Ruthe, steckt auch eine große Brille zu sich, zieht mächtige Fausthandschuhe und seine langen Sieben meilenstiefel an und wandert von einer Stadt, von einem Dorfe zum andern. Unterwegs visitirt er zu gleich die Wälder, ob die Heinzelmännchen die Christ bäumchen schon abgeholt haben. In den Dörfern aber, dessen Gassen Knecht Rupprecht durchschreitet, schreien die fettgemästeten Gänse überlaut, wenn sie seinen schweren Tritt vernehmen, bedeutet derselbe doch, wie sie aus alten Chroniken wissen, ihren sicheren Tod und zeigt ihnen an, daß nun der Mordstahl schon gewetzt wird, welcher ihnen das Lebenslicht ausblasen soll, damit die hungrigen Städter einen — delikaten Weihnachts-Gänsebraten bekommen. In den Städten drinnen besucht er tagsüber die Märkte und mustert die Maaren, auch durch die Straßen und Magazine schlendert er und sieht nach, ob Alles in Ordnung und weihnachtsmäßig hergerichtet ist. Hier und da stiftet er auch durch Einkäufe ein