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Sonnabend, de« Li. September. 1895. ZLettetrißische Aeitage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigegeben.) Otto Thörner. Noch immer Gluth, noch immer Segen, K Das arme Herz! Septemberstunden Noch Licht und Lied in blauer Luft, R Weh'» es wie Maiengrüße an, Und manchmal noch an heißen Wegen M Nur daß vor Zweifel und vor Wunden Von späten Blumen milder Duft. D Es nicht mehr heiter hoffen kann. — Um sonnenvolle Giebelsäume U Die Malve ragt in stummer Trauer Kost es wie Lenzwind leis' und zag, — D Mit blassen Blüthen auf zum Licht, Ob es noch einmal Frühlingsträume R Und wilder Wein um Thor und Mauer Im Menschenherzen wecken mag? W Wie blutend seine Ranken flicht. Ob es noch einmal wiederkommen, U Dem letzten Klang vom Lerchenliede Noch einmal miS beglücken soll, M Mischt sich ein ferner Drescherschlag . . . Was Liebes uns die Zeit genommen, D Und wandermatt und sonnenmüde Die Pracht, die viel zu früh verscholl? . . U Zu Grabe wankt der Sommertag. Die Töchter des Millionärs. Roman von Etta Pierre. (Deutsch von Alfred Mürenberg). (Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Mein Gott, wie leidend Sie aussehen! Fühlen Sie sich denn auch kräftig genug, die Stelle anzu nehmen?" sagte Madame Severne. „Ja", antwortete Ethel. „Gut denn. Aber Grace ist kein sehr artiges Lind; ich glaube, sie wird Ihnen viel zu schaffen machen. Ich übergebe sie völlig Ihrer Aussicht; ich selbst habe gar keine Zeit, mich mit ihr zu befassen. Ihre Schwester soll ja eine so wundervolle Stimme haben, die Familie Van Dorn, in welcher sie Unter richt ertheilt, ist ganz entzückt von ihr. Reden Sie ihr doch zu, einmal zu singen, wenn ich Gesellschaft habe." Und so trat denn Ethel ihre neue Stelle an. Ihr Zögling erwies sich als ein verzogener und verhätschelter Fleiner Unart, der ihre Geduld zeitweilig auf harte Proben stellte. Man behandelte sie kaum besser als einen Dienstboten. Sie speiste mit der Haushälterin und sah selten oder nie ein Mitglied der Familie oder Har einen Gast des Hauses. Dies letztere war ihr nur angenehm, denn um Alles in der Welt mochte sie nicht in ihrer jetzigen Stellung den Bekannten aus früheren Tagen begegnen. Niemals ging sie aus, außer, wenn sie das Kind im Park spazieren führte oder einen flüchtigen Besuch bei Beta und Mercy machte. So verstrich der Herbst und der Winter kam heran. Eines späten Nachmittags saßen die beiden Schwestern in Eric Saxe's Atelier bei einander und plauderten von diesem und jenem. Madame Severne hatte Ethel erlaubt, einen halben Tag auszubleiben. Beta war mit ihrem Gatten ausgegangen, der kleine Eric schlummerte auf Mercy's Schooße. „Siehst Du Herrn Harding zuweilen?" fragte Mercy im Laufe des Gesprächs. „Nein," erwiderte Ethel; „aber Fräulein Brad ford, die junge Dame, mit der er sich verlobt hat, ist gestern von Boston angekommen, um den Winter bei Madame Severne zu verbringen. Wir waren einmal Schulfreundinnen. Diesen Morgen begegnete ich ihr auf der Treppe. Sie starrte mich an, nickte und fragte: „Nun, wie geht's?" — Und das in einem Tone, der mir offenbar den Unterschied in unserer jetzigen Stellung llar machen sollte. Ereifre Dich nicht darüber, das ist so der Lauf der Welt. Ich mache mir nicht allzuviel daraus. Vielleicht hätte ich mich vor Jahren ebenso benommen. Gott weiß, daß ich damals herzlos genug war!" „Weißt Du auch gewiß, daß Herr Harding mit Fräulein Bradford verlobt ist?" „Allerdings, denn Madame Severne hat es sich sehr angelegen sein lassen, mich davon in Kenntniß zu setzen. Doch jetzt laß uns von Deinen Angelegenheiten sprechen. Beta erzählte mir, daß Archie van Dorn sich bi» über die Ohren in die Musiklehrerin seiner Schwester verliebt und ihr einen HeirathSautrag ge macht habe. Ist daS wahr, Mabel?" Mercy wurde glühend roth.