Volltext Seite (XML)
Erste Ausgabe: ausgegeben am 9 Deccmber Mittags 12 Uhr. Dresdner Journal. Verantwortlicher Redaeteur: I. G. Hartmann. V S18 Diese« Blatt erscheint mit Ausnahme des Sonntag« täglich in 1 Bogen und ist durch aNe Postanstalten zu beziehen. , Preis für da« Vierteljahr Thaler. VtN RO Dktktnbtk* Insertions-Gebühren für den Raum einer gespaltenen Zeile 1 Neugroschen. 1831 TageSgeschichte. Parts, 7. December, 6 Uhr 40 Minuten Abends. (T. D. d. Pr. Z.) Paris ist vollkommen ruhig. Einige De partement«, in denen sich Unruhen gezeigt haben, sind in Belagerungszustand versetzt worden. In Lyon herrscht voll kommene Ordnung. Die von den Truppen gegen di-e In surgenten gelieferten Kämpfe sollen als Dienst im Felde angerechnet werden. Das Pantheon ist dem katholischen Gottesdienst zurückgegeben, Thiers in Freiheit gesetzt worden. — Amtliche Ermittelungen ergeben, daß von den Aufstän dischen 2756 geblieben sind. Parts, 6. December. (T. D. d. Pr. Z.) Eassations- und Appelthof, sowie die Zuchtpolizeigerichte halten wieder Sitzung wie in gewöhnlicher Zeit. Aus den Departements laufen fortwährend die befriedigendsten Nachrichten ein. — Nach telegraphischen Nachrichten waren am 6. De cember an der Börse die Rentencourse in seltnem Grade gestiegen: die 5procentige Rente um 3 Fr. 50 Cent., die 3procentige um 2 Fr. 60 Cent. — Als eine bemerkenswerthe Thalsache theilt die „Pc. A." auS einem längern Berichte (datirt Paris, 5. December) aus dec Feder eines ebenso gut unterrichteten wie zuverlässigen Manne- Folgendes mit: „Es ist außer allem Zweifel, daß im Laufe des 1. December einige Legitimistenchcfs dem Prin zen Louis Napoleon Bonaparte Eröffnungen haben machen lassen. Sie haben demselben zu verstehen gegeben, daß, j wenn ec die Repräsentanten deS Berges verhaften lassen wollte, die legitimistische Partei ihm, nach ausgeführter Sache, ihre Unterstützung zu Theil werden lassen und be reit sein werde, sich mit ihm über eine Revision der Ver fassung zu verständigen. Prinz Louis hat sich, indem er der mit diesen Eröffnungen betrauten Person seinen Dank aussprach, darauf beschränkt, zu erwidern, daß die, seitens einiger LegitimistenchesS angeborene Annäherung sehr spät komme. Der Plan, dessen Ausführung in der darauf fol- gensrn Nacht stanfand, war bereits entworfen und beschlossen. Dennoch mögen diese Eröffnungen nicht ohne Einfluß dar auf gewesen sein, daß man im Elysee beschloß, die legiti- mistischen Deputaten nicht verhaften zu lassen. Erst durch das Auftreten der letzter« im Laufe des 2. December aus der Mairie des 10. Arrondissements hat sich die Regierung genöthigt gesehen, auch sie verhaften zu lassen." Aus Karlsruhe, 6. December, 10 Uhr Abends, geht der „Pr. Z." folgende telegraphische Depesche zu: Die Nach richten aus Frankreich von der ganzen Ausdehnung der ba dischen Grenze her lauten beruhigend. Die Ordnung in dem Departement des Oderrheins ist nirgend gestört wor den. Eine unbedeutende Manifestation zu Gunsten der Na tionalversammlung, welche diesen Morgen unter Flocon's Anführung in Straßburg stattfand, hat den commandiren- den General der vierten Division veranlaßt, heute Nach mittag den Belagerungszustand für beide rheinische Depar tements zu proclamiren. Man hatte vergebens versucht, die Artillericregimenter in Straßburg im demokratischen Sinne zu bewegen. Parts, 6. Deccmber. Man liest in der „Patrie": Frei tag, 6 Uhr Abends. Die Taktik der Führer der Insurrektion ging, wie schon bemerkt, dahin, die Truppen zu ermüden und zu dem Zwecke nur in kleine und unbedeutende Kämpfe sich einzulassen; sie hätten das Gefecht, daS im 5. und 6. Arrondissement, in den Straßen St. Denis, St. Mar tin und beim Thore St. Denis geliefert wurde, gern um zwei Tage verschoben gesehen. Die- war auch die Absicht der Versammlung von 120 Montagnards, auf welche die Verantwortlichkeit für das Blut fällt, das an diesem Tage vergossen ward, und für alles Unheil dieses Tages. — Es lag in dem Plane der Verschwornen, sich zugleich zu den Gasometer zu begeben und die Röhren daselbst zu zerstören. Auf diese Weise wäre man zu Brand und Plünderung der Häuser und Magazine in den Quartieren, wo diese sind, gelangt. Der Polizeipräfect, der davon Kenntniß erhielt, ließ aber die Gasometer sorgfältig bewachen und vereitelte so jenes Vorhaben. — Heute um 11 Uhr zog die Brigade des Generals Forcht — bestehend aus Jägern von Vincennes, Batterien und dem 36. und 56. Linienregiment, — über die ganzen Boulevards und postirte sich in den Quartieren von Bercy und vom Jardin des plantes. — Einige Personen haben sich auf den Thurm der Kapelle Brea begeben, um dort Sturm zu läuten; die Einwohner der Chaussee Jory haben es aber selbst verhindert. LI Paris, 6. December. Fernere Acten stücke vom gestrigen Tage sind folgende: I. Zuschrift des Präsidenten an den Kriegs minister. Mein lieber General! Ich hatte den Abstimmungsmodus mit Unterschrift jedes Stimmenden gewählt, weil derselbe, der auch früher an gewendet worden, mir die Unverfälschtheit der Wahl besser zu sichern schien; aber ich gebe gerechten Einwendungen und ernsten Vorstellungen gern nach und habe daher, wie Sie wissen, soeben ein Decret erlassen, welches die Art der Abstimmung ändert. Die Stimmen der Armee sind beinahe schon vollständig alMgeben, und ich bin glücklich in dem Gedanken, daß sich darunter eine nur geringe Zahl gegen mich finden wird. Da indessen die Soldaten, welch* ein verneinendes Votum abgegeben haben, vielleicht glauben könnten, es würde ihnen von Nachtheil sein in Bezug auf ihre Carriere, so ist es nothwendig, sie darüber zu beruhigen. Ich bitte Sic also, unverzüglich der Armee wissen zu lassen, daß, wenn der Abstimmungsmodus, nach dem sic vo- tirt hat, von dem abweicht, nach welchem die andern Bürger votiren werden, die Wirkung für sie dieselbe sein wird, d. h., daß ich die Namen derer nicht wissen will, die gegen mich gestimmt haben. Wenn also ein Stimmregister einmal geschlossen und das Ergrbniß gehörig festgestelll ist, so ordnen Sie an, bitte ich, daß es verbrannt werde. Genehmigen Sie rc. II. Proklamation. Der Präsident der Republik und seine Regierung wer den keine Maßregel verabsäumen zur Aufrechlhaltung der Ord nung und Rettung der Gesellschaft; aber sie werden stets auf die Stimme der öffentlichen Meinung und die Wünsche wohlgesinnter Männer hören. Sie haben nicht gezögert, einen Abstimmungsmodus ab zuändern, den sie geschichtlichen Vorgängen entlehnt halten, der aber bei dem gegenwärtigen Stand unserer Sitten und Wahlgebräuche die Unabhängigkeit der Abstimmung nicht genug zu sichern schien. Der Präsident der Republik beabsichtigt damit, daß alle Wähler vollkommen frei in dem Abgeben ihres Votums sind, mögen sie öffentliche Beamte sein oder nicht, Civili- sten oder Militärs. Vollständige Unabhängigkeit, völlige Freiheit der Ab stimmung, daS will Louis Bonaparte. Paris, 5. December. Der Minister des Innern, de Morny. — Die „Oester. Cor." schreibt aus Wien, 7. Decem- ber: Unter den heute aus Frankreich eingclaufencn Detail nachrichten ist die vsn dem Versuche, welchen eine Fraktion der aufgelösten Nationalversammlung machte, um Wider stand zu bieten, bei weitem die interessanteste. — Zunächst stellte sich heraus, daß die Nationalversammlung bei der Bevölkerung von Paris nur sehr geringe Popularität be saß. Denn ungeachtet dec Augenblick höchst kritisch war, so daß, wenn die Majorität dieser Versammlung nur auf mäßige Sympathien hätte zählen können, bestimmt eine kräftigere Demonstration zu ihren Gunsten erfolgt wäre, blieben die Massen unzugänglich und beinahe stumm. Von allen Rufen, die sich hören ließen, war der: Es lebe die Nationalversammlung! bei weitem der schwächste. — DaS Auffallendste und zugleich ein Beweis deS innccn Zerfalls der Majorität und der früher von ihr bekannten Grund sätze war, daß die oben erwähnte Fraktion, gewissermaßen um einen Rettungsanker zu gewinnen, das allgemeine Stimm recht durch Herrn Vatismenil zum Fenster hinaus proclamirte und einen notorischen Anhänger socialistischer Grundsätze zum Generalstabschef ernannte. — Diese Beschlüsse blieben freilich ohne Kraft und Nachwirkung; aber sie bilden im merhin ein beachtenswcrthes Symptom. Im letzten Augen blicke, von harter Nolh gedrängt, gewähren, wogegen man früher mit allem Aufgebote von Gründen und bewährter oder nur affectirter Ucbcrzeugung gestritten, verräth die Selbstsucht der Schwäche. Es hat sich die scheidende National versammlung damit kein schönes Denkmal in der Geschichte und der Erinnerung des Landes gesetzt. — Der überwun dene Straßenkampf galt offenbar nicht dem Schuhe der Versammlung, er war ein Erzeugniß des großen socialistischen ComplotteS. Im Interesse der Gesellschaft und der Civili- sation muß man sich Glück wünschen, daß der jedenfalls überstürzte Ausbruch gründlich vereitelt und ein Theil der größten über Frankreich schwebenden Gefahr jetzt schon be seitigt worden ist. Nach Nachrichten aus Brüssel, schreibt die „Pc. Z.", haben die Rcgimentscommandanten Befehl erhalten, die Be urlaubten einzuzichen und Streifcolonnen an die französisch belgische Grenze marschiren zu lassen, um den etwaigen Einfall von Räuberbanden zu verhindern. Brüssel, Sonntag den 7. December, Abends 9 Uhr 7 Min. (T. D. d. prcuß. St. A.) Nach hier eingetroffenen Berichten ist die Ruhe in Paris nicht gestört worden. Als Erlracommissarien hat Louis Napoleon Duval nach Nord westen, Carlier nach Allier-, Cber- und Niövredcpartcmcnt gesandt. Der Gencralrath zu Nantes hat sich gegen Louis Napolcon erklärt. (0 L6ien, 6. December. Die „L. Z. C." meldet von einer vertraulichen Depesche, welche der französische Prä sident Louis Napoleon an die europäischen Mächte absendcte und die auch hier gestern eintraf. In derselben erklärt Napoleon sein Verfahren für eine unvermeidlich gewesene, von jeder Selbstsucht entfernte politische Nothwendigkert Literatur. Eine nicht bloS für Staatsmänner, sondern für jede« speciellere Staatsinlereffe überhaupt beachlenSwerthe deutsche Geschieht-- und Rechtsquelle ist die bei C. A. Schweischke in Halle erschienene Schrift: Bundesrechtliche Fragen, actenmäßig dargestellt. Obwohl die deutsche Bundesversammlung am 12. Mai 184« dein Inhaber der BundeSpräsidialdruckerei die Er mächtigung zu einrr besonder» Ausgabe der BundeSproiokolle unter Aufsicht der BundeSkanzleidireciion eriheilt hatte, so unter blieb dikselbe doch bisher^ und die wichtigen Verhandlungen der Bundesversammlung von 1848 waren bis jetzt nur in den frag mentarischen Veröffentlichungen der Tagespreise einzusehen. Das genannte Werk hebt diesen Mangel, indem eS cine den amtlichen Quellen streng entsprechende systematische Zusammenstellung jener Verhandlungen bietet und daS Verständniß derselben durch eine kurzgefaßte Einleitung vermittelt. 23 Abschnitte gewahren größten- theils durch die Bundesprotokolle selbst oder andere Actenstücke eine zusammenfassende Ueberstcht über die bedeutendern Ver handlungen der Bundesversammlung im Jahre 1848 und über die Abstimmungen der einzelne» Regierungen; wo eine eigene Meinung de« Herausgeber» hinzutritt, ist solche mit strenger RechiSanficht unter Bezug auf dir Grundgesetze deS Bundes motivirt, überhaupt aber sind alle politische Betrachtungen und Erörterungen bei Seite gelassen. Die Sammlung bietet für den jetzigen Moment ein um so wesentlicheres Interesse, als manche Schwächen der früher» Bundesorganisation klar auS ihr hervor gehen und für die jetzige Wiederaufnahme mancher Angelegen heiten die Kenntniß ibreS damaligen Standpunktes unentbehrlich ist. Feuilleton. Naturwissenschaft. Von London melde» man, daß die „Havannah" von Sidney außer 4000 Psd. St. Gold einen noch seltenen! Vogel, den Kiwi, aus Neuseeland für den Professor Owen und die zoologische Gesellschaft mitgebracht Hal, auch eine seltene Nachtpapageicnart, KakapoS genannt. Von beiten Vogel arten waren noch keine lebendrn Exemplare nach Europa gelangt. Mit demselben Schiffe ist zugleich die Nachricht von einer ncu- gcbilveten „wissenschastlichen Gesellschaft" in Neuseeland, unter Präsidentschaft deS Gouverneur Grey, für naturhistorische und ethnographische Forschungen eingegangen. Theater. In Hamburg hat die Darstellung einer neuen Oper: ,, ClauS Störlebecker" von Cannthal, stattgefunden. Der Held derselben ist ein Vitalienbruder aus rer Zeit deS dänisch-schwedischen Kriege- (1388 bis 1397), gegen dessen Räubereien sich die Hanseaten und Ostseebewohner tüchtig zu wehren hatten. Trotz dem echt deutschen Sujet ist es dem deutschen Componisten doch gelungen, eine in leichter fran zösischer Manier gehaltene und natürlich daher auch nach den gewöhnlichen Begriffen entsprechende und effektvolle Musik dazu zu Stande zu bringen. — London. Der Director des Drurylane-TheaterS wird seine Vorstellungen im December mit einer Truppe tragischer Schauspieler eröffnen, und sein Opernpersonal wird die Fiorentini, Clara Novell», den Tenor ReeveS und die Alboni zu Mitgliedern zählen; eine neue Oper von Balfe wird die Operndarstcllungen beginnen. Für die italienische Oper in Coventgarden ist Ander auS Wien engagirt. Lumley (Theater der Königin) soll mit Fräulein Wagner abgeschlossen haben, aber cS wird ibm schwer werden, daS Deficit, daS er trotz der Cruvelli jetzt in Paris macht, zu decken. S Das Comit« in Berlin, welches die Capitalsammlung für die Hinterlassenen Lortzing's übernommen hatte, hat jetzt seinen Rechenschaftsbericht veröffentlicht. ES war ^demselben möglich, für 9100 Thaler öproc. Berliner Stadtobligationcn zn kaufen, welche das VormundschafiSgericht in Verwahrung genommen, um Fran Lortzing die Zinsen unverkürzt zur Ver wendung für sich und ihre Kinder auSznzahlen. Nach ihrem Tode fäll» das Geld den Erben derselben zn. DaS Comiiv er wähnt noch, daß die Hoflheaterintendanz in Stuttgart ein Benefiz bewilligt, aber noch nicht ausgeführt hat, und daß von den größer» deutschen Bühnen nur die Hoflheaicr in Wien und Hannover keine Beiträge geliefert haben. A- Ein wunderbares Spiel deS Zufalls hat eS gefügt, daß die Erzstatne Gustav Adolf'- durch die Strandung deS schwedischen Transportschiffes bei Helgoland gerate an derselben Stelle im Meeresgründe versenkt liegt, von welcher auS der ver triebene König Gustav IV., der 1809 auf Helgoland verweilte, in einem offenen Ruderboote nach der schleSwig'schcn Küste über setzte, nachdem er mit dem englischen Gouverneur in einen Con- flict gerathen war. Sollte eS gelingen, die jedenfalls beschädigte Statue noch zu bergen, so wird da- alte Anrecht rer „Berger" an ein Dritttheil deS WertheS den Verlust noch bedeutend er höhen.