Volltext Seite (XML)
Dresdner Journal. Verantwortlicher Redakteur: I. G Hartmann. .V:roi Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme Preis für da- Vierteljahr Thaler. des Sonntags täglich Abends und ist 20. Insertion«-Gebühren für den Raum durch alle Posttznstaltrn zu beziehen. O einer gespaltenen Zeile I Neugroschen. 1851 Tagesgeschichte. bhemnttz, 18. November. Zu der heute anberaum ten Wahl eines Landtagsabgeordneten für die Stadt Chem nitz halten sich von den 133 Wahlmännern 116 ringe- funden, welche sogleich bei der ersten Abstimmung den,frü hem Stellvertreter Advokat M. O. Kölz mit 108 Stimmen zum Abgeordneten wählten. Bei der darauf folgenden Wahl eines Stellvertreters erhielt der Stadtälteste Holzhändler E. Chr. Brandt sogleich 96 Stimmen, während die übrigen sich verthrilt hatten. Dir Gewählten nahmen die Wahl ausdrücklich an. Die „Oester. Corresp." schreibt aus Löten, 17 Novbr.: Jene Maßregeln, welche kürzlich gegen einige Individuen ergriffen wurden, die den Besuch der Börse offenbar zu schädlicher Agiotage und störenden Umtrieben benutzten, haben hin und wieder eine ganz verkehrte Deutung erfah ren. Bei der außerordentlichen Wichtigkeit des Standes der Valuten für sämmtliche Verhältnisse unserer Production und Consumtion, bei dem Umstande, daß eine künstliche Steige rung des Agios auf edle Metalle gewissermaßen mit mathe matischer Folgerichtigkeit auch eine Vertheuerung der unent behrlichen Lebensbedürfnisse hervorbringt: konnte und durfte es der Regierung unmöglich gleichgiltig bleiben, wenn ge wissenlose Spekulanten diesen Umstand auf Kosten des Ge meinwohles lediglich zu egoistischen Zwecken ausbeuteten. Der wohlmeinenden Intention, dem Uebel entgeqenzuwirken, steht daS Interesse beinahe aller Classen der Bevölkerung zur Seite, vom Waarengroßhändler, der die Colonialproducte mit klingendem Silber bezahlen muß, angefangen, bis zum Taglöhner herab, dessen Lohn nicht nach jeder Schwankung der Valuta berechnet werden kann, bei unverhältnißmäßigem Steigen derselben aber keinesfalls in gleichem Maße zu nimmt. Wir verkennen die Schwierigkeit nicht, zwischen den Geschäften der Agiotage und dem durch das reelle Be- dürfniß gebotenen Verkehre allemal eine scharfe Grenze zu ziehen. Allein was im Ganzen schwer, ist nicht in ein zelnen Fällen unmöglich. Eine größere Tragweite, als die bisher im offnen Tageslichte operirende Agiotage und Win- kelspeculation wirksam zu treffen, sollten und konnten die in Rede stehenden Maßregeln nicht haben. Dem reellen Verkehre muß seine Freiheit und Beweglichkeit sorgsam ge wahrt bleiben. Eine andere Seite der Betrachtung bietet die Frage, wie der Agiotage nicht blos in deren Ausläufern und untergeordneten Organen zu begegnen wäre. Daß in dividuelle Maßregeln hiefür nicht auSreichen, ist sicher. Es drängt sich aber bei diesem Anlasse? wie schon oftmals früher, die Erwägung von neuem auf, ob und wie weit es zuträg licher und ausführbar wäre, den Strom der jetzt der Papier- speculation vorzugsweise gewährten großen Eredite zu theilen und die nationale Industrie, in ausgiebigerer Weise, als bisher geschah, dadurch zu befruchten. Die Vermehrung des effektiven Nationalvermögens scheint das wirksamste Mittel, um, wenn auch allmälig, doch sichern Schrittes, den finanziellen Bedrängnissen der Gegenwart, den Schwan kungen der Valuten und dem auf das innigste damit zu sammenhängenden Uebel der Agiotage zu steuern. Die Haltung der heutigen Börse bewies, daß die viel fältigen Ausstreuungen der letzten Tage bei reellen Geschäfts leuten keinen Glauben gefunden haben; die Stimmung war eine durchaus günstige und sowohl Fonds wurden mit V»—A Procent gesucht, als Valuten in demselben Verhält nisse billiger abgegeben; London ward mit 12.25 —12.26 notirt. Allerdings trug zu diesem Ergebnisse der günstige Stand der französischen Rente vom 15. d. M. wesentlich bei. Vom AuSlande her glauben wir entsprechenden Notirungen der österreichischen Fonds deshalb entgegensehen zu dürfen, weil jeder Besitzer derselben Maßregeln, welche das über triebene Steigen des Agios zu hindern geeignet sind, nur als in seinem wohlverstandenen Interesse liegend ansehen kann. — (Oest.Rz.) Se. Majestät der Kaiser Ferdinand und Ihre Majestät die Kaiserin Maria Anna haben dem in Prag zur Anschaffung wohlfeilerer Lebensmittel für die' dortigen Armen zusammengetretenen patriotischen Verein 3000 Gulden E. M. übermachen lassen. Klagenfurt, 15. November. Die „Klagens. Ztg." giebt eine Reihe trauriger Details über die furchtbare Ueber- schwemmung. — Auch über die Erdabsitzungen bei Gmünd gehen betrübende Nachrichten ein. Nach einem Berichte vom 11. November stellt sich der Verlust an Menschen leben , der anfangs auf 12 bis 15 Personen angegeben wurde, nach und nach immer größer heraus, indem noch immer unter den Erdlavinen Leichname herausgegraben werden. Venedig, 14. November. (W. Z.) Se. kais. Hoheit , der Großfürst Konstantin ist mit Höchstseiner durch lauchtigsten Gemahlin an Bord der kais. russischen Dampf- fregatle „Wladimir", von Triest kommend, heute um halb 4 Uhr Nachmittags in Malamocca angekommen, bestieg daselbst den zur Disposition gestellten Lagunendampfer, lan dete auf demselben um halb 5 Uhr im besten Wohlsein hier an und ist in dem kaiserlichen Palaste abgestiegen. Berlin, 18. November (N. Pr.Z.) Heute Nachmit tag 2 Uhr sind Se. Hoheit der regierende Herzog von Braunschweig in Potsdam eingetroffcn und im künigl. Schlosse abgestiegen. — (Pc. Z.) Dem Vernehmen nach werden Se. königl. Hoheit der Prinz Friedrich von Preußen als näch ster Verwandter Sr. Maj. des jetzt regierenden Königs von ' Hannover die Beileidsbezeugungen Sr. Maj. unserS Kö nig« Höchstselbst überbringen. Der „A. Z." wird aus Berlin, 15. November, ge schrieben: Die Anwesenheit Lionels v. Rothschild aus Lon don und seines Schwagers aus Frankfurt, sowie ihr Besuch bei unserm Finanzminister v. Bodelschwingh sind doch nicht ganz so zufälliger Natur, als einige Blätter die Sache dar zustellen suchten. Die Regierung hak nämlich die Absicht, die ihr in der vorigen Session der Kammern bewilligten 21 Mill. Thaler noch vor Schluß dieses Jahres flüssig zu machen. Diese Summe, ursprünglich zum Bau der Ost- > bahn bestimmt, soll jetzt durch eine Anleihe in England aufgebracht werden. — Es ist wahr, daß das Eabinet von Washington eine Note gegen den Sundzoll nach Kopen hagen gesandt hat. Mit mehrern seefahrenden Nationen bestehen nämlich keine Verträge über den Sundzoll, und die nordamcrikanische Regierung har schon früher erklärt, daß sie ihn nicht anerkennen werde. Wie der „O. P. A. A." aus Berlin, 14. November, geschrieben wird, beansprucht der Kriegsminister, Herr v. Stock hausen, eine jährliche Erhöhung des Militäretats von 900,000 Thlrn., welche Erhöhung das Kriegsministerium in der Folge durch Ersparungen in andern Zweigen seiner Verwaltung auszuglcichcn bestrebt sein werde. Das Offizier corps müsse nämlich, wie sich dies bei der letzten Mobil machung als ein dringendes Bedürfniß zur vollen Wehrhaf tigkeit des preußischen Heeres herausgestcllt habe, um 700 bis 800 Offiziere verstärkt werden, wodurch dann die Lücken, welche sich bei der Landwehr in Bezug auf die ausreichende Zahl tüchtiger und geübter Offiziere gezeigt haben, jederzeit sofort ausgefüllt werden könnten, indem geeignete Offiziere der Linie zur Dienstleistung bei der Landwehr commandirt werden würden. München, 15. November. (O.P.A.Z.) Der Regierungs präsident von Niederbaiern, Freiherr v. Schrenk, ist vor gestern Abend durch eine telegraphische Depesche aus Lands hut hirrher berufen worden, und man bringt hiermit die seit mehrern Tagen circulirenden Gerüchte einer Mi nisterveränderung in Verbindung. Es heißt nämlich, daß Herr v. Kleinschrod wegen fortwährenden Unwohl seins die Nicderlegung seines Portefeuilles beabsichtigt und in diesem Falle der bisherige Eultusminister, Herr vr. Rin- gelmann, zum Justizminister, der Herr Regierungspräsident v- Schrenk aber zum Eultusminister bestimmt sei — Ge rüchte, die an und für sich vielfache Wahrscheinlichkeit für sich haben, deren Bestätigung aber abzuwarten ist. Hannover. Die „N. Pr- Z." schreibt: Am 18. d. M. Morgens Uhr sind auf dem Königlichen Re- sidenzschlossc zu Hannover nach längerer Krank heit abgeschieden aus diesem Leben Se. Majestät der König Ernst August von Hannover. Der greise Monarch, der älteste unter den regieren den Herren Europas, war am 5. Juni 1771 zu London geboren, in Göttingen gebildet, trat dann in die britische Armee ein, focht 1793 und 1794 mit hoher Auszeichnung gegen die französischen Republikaner in Holland und wurde bei einem Ueberfalle viermal gefährlich blessirt. Mit fester Gesinnung und unerschütterlichem Gleichmuthe leitete er später im Hause des Lords die Hightorypartei und stand längere Zeit als Großmeister an der Spitze aller Orangen logen. Im Jahre 1813 ging er nach dem Eontinent und errichtete ein Husarenregiment, das er den Alliirten zu führte. Seit dem Pariser Frieden lebte er meist zu Berlin und ging nur nach London, wenn große politische Fragen im Hanse der Lords vorkamen. 1815 vermählte er sich mit der Schwester weiland Ihrer Majestät der hochseligen Kö nigin Louise, der Prinzessin Friederike von Mecklenburg- Strelitz (vermählt in erster Ehe mit dem Prinzen Ludwig von Preußen und in zweiter mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Solms-Braunfels, Witwe von Beiden.) 1837 folgte er seinem Bruder Wilhelm IV. auf dem Han noverschen Throne. König Ernst August hinterläßt nur einen Sohn, den Kronprinzen Georg, (geb. 27. Mai 1819, vermählt 1843 mit der Kronprinzessin Marie, einer gebo renen Prinzessin von Sachsen-Altenburg) der ihm am Reiche als König Georg II. folgt. Die Trauer des hannoverschen Volkes, das seinen greisen Fürsten wahrhaft liebte, wird auch in weitern Kreisen, namentlich in Großbritanien, wo Ernst August'S Wiege stand, und in Preußen gelheilt werden. -- Die „Hann. Z." vom 18. d. M. enthält da« Pa tent, daS Ableben Sr. Majestät deS König« Ernst Angusi und den Antritt der Negierung S r. Majestät de« Königs Georg V. betr., vom I^. d. M., contrasignirl von sammtlichen Ministern und mit des Generalsekretärs Bescheinigung ter eigenhändigen Unterzeichnung Sr. Maje stät versehen. AuS Thüringen, 10. November, wird der „O.P.A.Z." geschrieben: Der Nachricht einiger Blätter, daß die Her zogin von Orleans sich in England angekauft und nicht wieder nach Eisenach zurückkehren werde, muß ich, gestützt auf die verlässigsten Erkundigungen, entschieden widerspre chen. Die Herzogin Hal nur für den Winter ein HauS im Park von Claremont mielhen lassen, und wird wahrschein lich schon nächstes Frühjahr nach Eisenach zurückkehren. Es ist deshalb auch ein Theil ihrer Möbel in dem großherzog lichen Schlosse zu Eisenach, ihrer bisherigen Wohnung, ge blieben. — Dieselbe Nachricht geht auch der „Fr. S. Z." zu mit dem Zusatze, die Herzogin habe bei ihrem Weggange von Eisenach schon in Rücksicht auf ihre gegenwärtig in Das moderne Literatenthnm von Riehl*). Man kann sagen, daS Literatenihum in Deutschland ist erst beiläufig zwanzig Jahre alt. Denn so lange mag eS ungefähr her sein, daß eine ganze zahlreiche Classe von Gebildeten die Cchrifi-- flellerei al« Gegenstand de« alleinigen Erwerbes, al« daS Funda ment einer vollen materiellen Existenz, aufzufaffen begann. Zu unserer Großväter Zeiten noch war mit Büchern und Zeitungen blutwenig Geld zu verdienen, und wenn stch ja einmal ein armer verunglückter Student ausschließlich in den Tagelohn der Buch händler begab, so verstand sich bei ihm da« obligate Loch im Rockärmel und dir Dachstube von Hogarth'S gequältem Dichter ganz von selber. Die kümmerlichen Honorare, welche die Heroen unserer klassischen Literaturepoch» für ihre dem Verleger mitunter sehr einträglichen Meisterwerke bezogen, sind vielfach im Einzelnen bekannt. Wer sich überzeugen will, daß selbst die geist vollste Lag,«schriftstellern j» den hierfür doch am empfänglichsten gestimmten Tagen der ersten französischen Revolution nur einen gar magern Verdienst gewährte, der mag Georg Forster'» kummervolle Briefe nachlesen. Dabei darf man aber auch nicht vergessen, daß zu selbiger Zeit in den zahlreichen Sinekuren von Historiographen, Bibliothekaren, fürstlichen Privaisecretären und *) B?achstück aus Rlehl« „Bürgerliche Gesellschaft": „Tas Getftr-proletariat". Obwohl dasselbe nur in seiner Beziehung zu dem ganzen Werke dieses Autor- über die socialen Stände volle Bedeutung hat, so wird doch an-zng-weise die Allgemeinheit der tangirten Begriffe und Schildermrgen kein Mißverstehen erregen. Feuilleton. besoldeten Titnlarräthen aller Art dein bekannten Schriftsteller nicht selten eine sorgenfreie Thärigkei« vergönnt wurde, und daß diese Stellen jetzt in eben dem Verhältnisse zusainineiigeschrumpsl sind, wie die ehemaligen Hofkapellisten- und Organist,ndienste, und, wollte man sie erneurrn, gewiß die landständische Censur nicht mehr passiren würden. In etwas späterer Zeit sehen wir wohl eine Reihe publikums beliebter Roman- und Schauspielschreiber auftreien, die sich ein ganz hübscht» Auskommen zusammengeschrieben haben; allein da« waren dazumal ebenso rare Autnahmen, wie heutzutage ein Literat, der durch seine Feder reich wird. Die Periode des eigentlichen modernen Journalismus hatte sich seit den Befreiungskriegen vorbereitet; sie brach herein, als mit der Julirevoluüon die Geister ausS Neue anfgerüttelt wurden. Mit dem Journalismus kamen die eigentlichen Literaten, und ihre Masse wuchs mit der von Jahr zu Jahr mehr anschwellenden Corpultnz desselben. Aber der Journalismus war noch keine selbstständige Macht, und doch hatten wir nun schon eine Jonrnalistengenoffrnschaft, welche eine selbstständige Macht sein wollte. ES hätte von Rechtswegen umgekehrt gehen müssen. Der Journalismus war im vormärzlichen Staate nur geduldet wie weiland die Echutzjuden; die Literaten aber wollten keines wegs Schuyjuden sein. In dem Leitrnblicke ans englische nnd französische Preßverhälinisse schwelgend, begann daS deutsche Literatenthnm sich zu fühlen, und doch waren solche Zustände in Deutschland noch gar nicht vorhanden. Die Nation war reicher geworden an politischer Begeisterung; aber reicher für di» Publi- eisten war sie darnn, dnrchau« nicht. DaS Literatenthnm al» Profession, als Stand, war in Deutschland eine anliripirte Er scheinung, eine sociale Frühgeburt. Daraus läßt sich folgern, daß die deutschen Literaten, ob sie gleich mit den ersten Anfängen deS Journalismus gleichzeitig auf- tauchten, doch nicht durch denselben ans Licht gerufen sind. Im Gegeniheile könnte man vielleicht richtiger sagen, daS vor der Zeit zur Welt gekommene Literatenthnm habe selber erst im Drange der Noth die gleich ihm halbreife Zangengeburt deS modernen Journalismus zu Tage gefördert. DaS deutsche Literatenihum war in seinen Anfängen das Re sultat einer sorialen Krankheit. Die Ueberschätzung der geistigen Arbeit, die Mißachtung der gewerblichen hatte sich seit dem AuS- gangc des achtzehnten Jahrhunderts — von wo die alte kernfeste Tüchtigkeit deS GewerbSmannes allerdings in dem Maße zu wanken begann, als der gelehrt-literaritche Aufschwung der Gc- bildeten seinem Höhenpunkte zustrebte — wie ein zehrendes Fieber der ganzen Generation bemeistert. Das ist die Kehrseite der geistigen Erhebung deS deutschen Bürgerlhums. Von oben und unten ward die krankhafte Einseitigkeit unterstützt, in der wir selber wohl zum größten T heile noch in unserer Jugend befangen waren. Der bureaukratische Staat ignoririe möglichst die Selbstständigen der Industrie nnd de« Handels, weil seinem Principe gemäß die Gelehrten- und Beamtenwelt den politischen nnd socialen AnS- schlag geben sollte. Zn der ganzen langen RestaurationSzeit seit den Befreiungskriegen waren die jeweiligen Helden deS Tages Beamte (nicht Staatsmänner), Literaten, Virtuosen und Sängerinnen. Wie in den Tagen der Kreuzzüge Alle» zum Schwerte griff und wer kein Schwert gewinnen konnte, wenigstens