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Donnerstag, ^8. 18. Mai 1848, Diesel Blatt Prei« für erscheint täglich »al Biertrllah, M Dresdner Journal, M bc»tth«n. Zeil« I, Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigier von Karl Biedermann. Inhalt. Ein Angriff des Bundestages auf die Volkssouveränetät (Schluß). — LageSgeschichke: Dresden: Berathungegrgenstände für den Landtag. Olbernhau: Parlamentswahl. Berlin. Posen. Breslau. Düsseldorf. Hanau. Bern. Basel. Paris. Lombardei. Turin. Rom. Neapel. Madrid. — Kunst und Literatur: Hoftheater: „Kunst und Natur." — LandwirthschaftlicheS: Zeitgemäße Fragen des landwirthschaftlichen Provinzialvereins der Mark Brandenburg. — Feuilleton. — OrtSkalender. — AngrkommeneReifende. Ein Angriff des Bundestages auf die Volks souveränetat. (Schluß.) Welchen Eindruck diese- Aktenstück, indem es auS seiner miste- ri-sen Verborgenheit in die Oeffentlichkeit hervorgezogen wurde, auf den Ausschuß und auf daS Publikum machen mußte, ist leicht zu er messen. Der Ausschuß, nachdem er durch direkte Anfrage beim Bun destage sich von der Aechtheit des Aktenstückes überzeugt hatte, beauf tragte sofort eine Kommission mit der Berichterstattung darüber. Von außenher, aus Frankfurt, ging gleich am andern Tage eine mit zahl reichen Unterschriften bedeckte Adresse ein, welche zur kräftigen Abwehr diese- unzweideutigen Attentats auf die VolkSsouveränetät dringend aufforderte. Der Ausschuß faßte nach einer langen und äußerst be wegten Debatte, in deren Verlauf das Verfahren des Bundestags von beinahe allen Rednern auf das schärfste gegeißelt, von nur sehr weni gen, und DaS mit schwachen Gründen in Schutz genommen ward, auf den Antrag der Kommission folgenden Beschluß: „In Erwägung, daß das vorliegende Promemoria Grundsätze und Ansichten enthält, die den Beschlüssen des Vorparlament- Widerstreiten und der konstituirenden Nazionalversammlung ihren Charakter als solche absprechen; in Erwägung, daß der Bundestag dasselbe sogar zur „gutfindenden Kenntnißnahme" eingesendet und gegen diese Grundsätze und Ansichten sich auch nicht ein Widerspruch in der Versamm lung erhoben hat; in Erwägung, daß auch die Exekutivgewalt mit diesem Prome moria in eine Verbindung gebracht ist, die es nicht zweifel haft läßt, daß man sogar einen Theil der Vorschläge deS Promemorias durch dieselbe verwirklicht steht; in Erwägung, daß au- dem Allen hervorgeht, wie der Bundestag seine Stellung und die Zeitumstände verkennt; Erklärt der Ausschuß zu Protokoll: Daß er die Rechte der konstituirenden Nazionalversammlung auf alleinige, Feststellung der künftigen Verfassung Deutschlands gegen jeden Eingriff aufs entschiedenste wahre, im Uebrigen aber die Beurtheilung des Separatprotokolles der öffentlichen Meinung anheimgebe." AufRü der'-Antrag ward außerdem die Verweisung der Sache an die konstituirende Versammlung beschlossen. Während der Verhandlung selbst kam ein Zwischenfall von enr- scheidender Bedeutung vor. Es gelangte nämlich an den Vorsitzenden ein Schreiben von dem großherzoglich hessischen Ministerpräsidenten Heinrich Gagern, worin Derselbe auf das bestimmteste erklärte: daß der großherzoglich hessische Bundestagsgesandte bei Abfassung und Vorlegung jenes Promemoria durchaus ohne alle undjede Ermächtigung seiner Regierung gehandelt habe; daß vielmehr die großherzoglich hessische Regierung, wie er hiermit versichere, die Stellung und Machtbefugniß der konstituiren den Nazionalversammlung al-einer wirklich konstitui renden vollständig und ohne Rückhalt anerkenne, und daß eine ausdrückliche und öffentliche Erklärung derselben in die sem Sinne in nächster Zeit erfolgen werde. Eine gleiche Erklärung gab für seine Person der dem Ausschuß al-Mitglied angehörige Präsident der nassauischen Regierung, Hergenhahn, ab. Natürlich erregten diese Erklärungen große Freude sowohl im Ausschuß selbst, als unter der zahlreich versammel ten Zuhörerschaft. Um so auffälliger war es, daß ein von dem Unter zeichneten gestellter Antrag keine Unterstützung fand, der dahin ging : „Der Ausschuß möge den Bundestag veranlassen, die sämmt- lichen Regierungen zur schleunig.n und öffentlichen Abgabe ebenso bestimmter und befriedigender Erklä rungen in Betreff ihrer Stellung zur konstituirenden Ver sammlung aufzufordern, wie eine solche von dem großherzog- lich hessischen Ministerpräsidenten abgegeben, resp. für seine Regierung in Aussicht gestellt worden sei." Die Versammlung zog es vor, statt dieses direkten Weges zur Feststellung der Rechte der konstituirenden Versammlung, den Regie rungen gegenüber den Weg der bloßen „Verwahrung zu Protokoll" zu wählen, diese „papierne Verschanzung," wie sie mit Recht schon viel fach und auch bei dieser Verhandlung bezeichnet ward. Scheute man sich, die Regierungen so direkt herauSzufordern? Aber nachdem durch das unselige Bundesprotokoll einmal der Zankapfel der Prinzipien frage über die Stellung der Nazionalversammlung zu den Regierun gen in die Mitte zwischen Beide geworfen ist, muß diese Frage zur glatten und klaren Entscheidung kommen; nachdem einmal die Reakzion, der unverbesserliche Gedanke des alten Sistems von der „untheilbaren und schlechthin über dem Volk-willen stehenden Fürstensouveränetät" die Machtvollkommenheit der konstituirenden Versammlung in Frage gestellt und herauSgefordert hat, durfte diese Herausforderung nicht stillschweigend hingenommen oder mit einem bloßen Proteste zu den Akten gelegt werden, sondern man mußte dem Feinde Auge in Auge gegenübertreten. Zu beklagen ist allerdings, daß auf solche Weise ein Kampf und eine Entscheidung provozirt worden, zu beklagen deshalb, weil dadurch das ohnehin mit genug Schwierigkeiten umgebene Ver- fassungSwerk noch schwieriger gemacht, weil die nothdürftig angebahnte Sicherheit des ruhigen Bestände- und Fortgang- unserer öffentlichen Verhältnisse dadurch auf'- neue bis zum tiefsten Grunde erschüttert, da- kaum etwas beruhigte Mißtrauen auf'- neue in seiner ganzen Stärke erweckt werden muß. Ich finde es begreiflich, wenn die Re gierungen, namentlich die größern, nicht besondere Lust haben, sich un bedingt von der konstituirenden Versammlung ihre und ihrer Länder künftige Stellung vorschreiben zu lassen, wenn sie auch ein Wort da bei mitsprechen, wenn sie wenigsten- gehört sein wollen. Aber hier gab es, wenn man offen und ehrlich handeln wollte, nur zwei Wege. Entweder mußte man öffentlich und entschieden erklären: man unterwerfe sich jenem Beschlüsse deS Vorparlamentes nicht, man er kenne die Befugniß einer konstituirenden Versammlung, „einzig und allein die Verfassung Deutschlands zu bestimmen," nicht an. Und