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Dirst» Blatt ft» erscheint täglich Sa» Vierteljahr M Dresdner Journal. ZM beiiehr». Zeit« » Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für daS Abends erscheinende Blatt werden bis 12 Uhr Mittags angenommen. Inhalt. DieBedcatung des Wahlgesetzes. — Tageßgeschichte: Dresden: Städtischer Verein. Leipzig: Deutscher Verein. Dippoldis walde: LdreffeaadenStaatsministerObriländer. Aittau: VerbrüderungsfestinReichenberg. Berlin. Flensburg. Frankfurt. Stuttgart. Wien. Turin. Paris. — Kunst und Li-teratur: Hoftheater: „Koncert zur dreihundcrtjährigen Jubelfeier der Stiftung der Dresdner Kapelle". Deutsche Kriegerzeitung. — Feuilleton. — Eingesendetes. — Geschäftskalender. — Ortskalender. — Lngrkommene Reisende. Die Bedeutung des Wahlgesetzes. Das unbeschränkte allgemeine Wahlrecht ist auch bei uns jetzt der Zielpunkt der politischen Demokraten, wie es derselbe vor der Februarrevolution in Frankreich war. In Vereinen und Ver sammlungen, wie im Privatgespräche kann man es täglich hören, daß ein demokratisches Wahlgesetz unser erstes Bedürfniß sei, daß keine unserer Errungenschaften sicher sei, so lange wir nicht eine auf dem allgemeinsten Stimmrecht beruhende Volksvertretung erlangt haben, daß diese nicht allein die sicherste Stütze, sondern auch die unerläßliche Verbürgung freier Institutionen sei. Daher die radikale Agitation gegen alle nur einigermaßen einschränkende Be stimmungen deS neuen Wahlgefttzentwurfes, daher jene Volks versammlungen, daher das Rufen nach einer konstituirenden Versammlung, daher die Unruhe, die man über das ganze Land zu verbreiten sucht. Wir unser- Thrils halten die Ansicht, welche von einem radikalen Wahlgesetz alles Heil erwartet, für eine durchaus irrige. Zwar sind wir Nichts weniger, als Anhänger jener vormärzlichen preußischen Politik, welche von den Bürgern verlangte, sie sollten erst Musterbilder politischer Tugend werden, ehe sie ihnen das geringste Augrständniß freier Institutionen machen wollte, allein auf der andern Seite huldigen wir entschieden der Ueberzeugung, daß alle freisinnigen Einrichtungen Nichts helfen, so lange nicht ein tüchtiger politischer Sinn im Volke sich eingewurzelt hat und daß ein Volk, welches von dem Werthe der Selbstregierung durch drungen ist, beschränkende Gesetze, die nicht mehr für dasselbe paffen, sehr bald unschädlich macht und allmälig ganz bei Seite schiebt. Die Erfahrung der Geschichte liefert unS hierfür die schlagendsten Beweis? und namentlich ist es England, auf welches wir auch hier, wie bei so vielen andern Gelegenheiten, Hinweisen müssen. Das englische Parlament ist auf eine Weise zusammengesetzt, welche nicht das geringste Gute von ihm erwarten lassen würde, wenn nicht die Wucht der öffentlichen Meinung dort so groß wäre, daß ihr Nichts zu widerstehen vermag, und wenn nicht der Geist eines freien Volks lebens alle dasigen Verhältnisse so durchdränge, daß er auch die abgebrauchtesten Formen mit der Lebenskraft der Gegenwart beseelte. Unter diesen Umständen jedoch ist das Parlament trotz seiner schlechten Zusammensetzung durch Jahrhunderte hindurch da treueste Organ des Volkswillens, der beharrlichste Hüter und weiseste Erweiterer der Volksrechte gewesen. Etwa- Aeknliches haben wir in Preußen zur Zeit de- vereinigten Landtags gesehen. Weil damals eine mächtige Idee das ganze Land durchdrang, tönte sie auch voll und klar aus jener Versammlung wieder, die doch wahrhaftig nicht nach freisinnigen Principien zusammengesetzt war. Und so würde es auch bei uns gehen; trotz aller traurigen Er fahrungen, die wir mit den Herren von den Burgen gemacht haben, würde nach einiger Zeit auch in unsern alten Kammern die Stimme der Neuzeit, gekräftigt durch die Preßfreiheit unl/daS freie Ver- sammlungsrecht, sich Geltung verschafft haben. Unser altes Wahl gesetz würde uns nicht hindern, ein freies Volk zu werden. Indessen geben wir gern zu, daß eine Wechselwirkung zwischen den bestehenden Einrichtungen und dem Geiste stattfindet, der da- Volk durchdringt, und daß wie dieser Geist sich die äußern Formen anzupassen weiß, auch wiederum die Form hemmend oder fördernd auf die Entwickelung des Geistes zurückwirkt. Wir geben ferner zu, daß unter Umständen ein solcher Zwiespalt zwischen dem Bedürf nisse der Gegenwart und einer von früher her bestehenden Ein richtung stattfinden kann, daß eine bewußte und durchgreifende Umgestaltung der letztem nothwendig wird, und gestehen endlich ein, daß es im Välkerleben Verhältnisse giebt, wo eS unmöglich ist, den Einfluß einer neuen Zeit auf die allmälige Umgestaltung einer frühem Einrichtung abzuwarten. Alle diese Umstände scheinen uns bei dem alten Wahlgesetze zusammenzutreffen und wir sind daher vollkommen damit einverstanden, daß es angemessen ist, ein neues freisinniges an seine Stelle zu setzen. Allein so wenig wir glauben können, daß damit Alles gewonnen sein würde und daß wir nach dieser letzten Errungenschaft getrost die Schlafmütze wieder über die Ohren ziehen könnten, ebenso wenig können wir aufeinzelne Bestimmungen, durch welche der Entwurf an die Vergangenheit anzuknüpfen scheint, einen übermäßigen Werth legen. Das, woraus es bei einem Wahlgesetze am Ende doch allein ankommt, ist, Männer in die Volksversammlung zu bringen, die scharfsinnig genug sind, den Willen des Volks zu erkennen, und wohlwollend genug, sich ihm nicht zu verschließen, ein Ziel, das man mit dem vorgelegten Entwürfe gewiß ebenso gut erreichen wird, wie mit einem Gesetze im Sinne des Ultras. Denn die Beschränkungen, die der Entwurf enthält, sind viel zu unbedeutend, als daß wir Vertreter erwarten könnten, deren Auge zu blöde wäre, um nicht die Ansicht des durch Nichts am Ausdrucke seines Willens gehinderten Volkes bet jeder nur einigermaßen wichtigen Frage zu erkennen, Vertreter, deren donquixvttische Hartnäckigkeit sich Beschlüssen widersetzen möchte, für welche sich eine überwiegende Mehrzahl erklärt hat. (Schluß folgt.) Tagesgeschichte. D Dresden, 22. Sept. Städtischer Verein. Weiß« bäckerangelegenheit u. s. w. Nachdem in der gestrigen Sitzung deS städtischen Vereins der Antrag, den angekündigten Vortrag des Herrn Professor Richter über die Eholera zuerst auf die Tagesordnung zu bringen, wegen nicht allzugroßer Dringlichkeit abg,lehnt worden war, verlas der Vorsitzende mehrere eingegangene Schreiben, unter Anderm eine Beschwerde über die Mängel in der LeihhauSordnung, eine Klage über daS planlose Verfahren bei dem Pflastern der Straße»