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Diese» Blatt erscheint täglich Abend« «nd ist »nrch all« Post« anilaltrn de« Zn- «n» «nllande» j« beiiehen. Irrt« fstr *** viertttjnhr Dresdner Journal. M AeiU st»W. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermaum Anzeigen aller Art für das Abends erscheinende Blatt werden bis 12 Uhr Mittags angenommen. Inhalt. Die Aufgabe der Linken. — Tagesgeschichte: Dresden: Sitzung der ersten uud zweiten Kammer; Berichtigung; Deputations berichte; Armenwesrn. Leipzig: Arbeiterversammlung. Crimmitschau: Die Stadtverordneten. Berlin. Potsdam. Reusterlitz. Mdln. Frankfurt. Wien. Pesth. Italien. Paris. — Feuilleton. — Geschäftskalender. —Ortskalrnder. — Aogekommeae Reisende. Die Aufgabe der Linken. Wir haben e- schon früher ausgesprochen, daß wir die Linke al- einen nothwendigen Faktor de- öffentlichen Leben- anerkennen. Wir wiederholen diese« Zugeständniß jetzt um so mehr, da die Zeichen einer reaktionären Bewegung immer sichtbarer und besonder- in der inter nationalen Politik täglich drohender hervortreten. Möglich, daß diese deklagen-werthen Erscheinungen zum guten Theile die Folge mancher Sünde der Maßlosigkeit sind, welche die Linke begangen hat. Gleich viel; wir sehen Deutschland- werdende Einheit ernst bedroht und wir nehmen keinen Anstand, zu bekennen, daß wir jetzt mit der Linken die Aeberzeugung theilen: e- stünde besser um Deutschland, wenn da revolutionäre und «dende-halb eine Zeit lang allmächtige Vorparla ment sich für permanent erklärt hätte und au- seinem kühnen Patrio- tiSmu- Deutschland- Gestaltung wie Minerva au- dem Haupte des Jupiter, eine vollendete Tharsache, hervorgegangen wäre. All' da widrige Parteigezänk wäre unterblieben, das uns weiter Nichts ein gebracht hat, al- wild aufgestachelte Leidenschaften. Wir hätten jene unwürdigen Stecknadelkämpfe nicht gesehen, in welchen sich leider die besten Kräfte abgenützt haben, und der jämmerliche Rückschlag dieses Treiben-, jener krebsartig um sich fressende apathische Zustand, der der Reaktion Thor und Thür öffnet, jene demoralisirende Mmhlosigkeit wäre Deutschland erspart worden, die, an Allem verzweifelnd, eben Richt- mehr weiß und will, al-Ruhe, Ruhe um jeden Preis und wäre «- auch die eine- stehenden Sumpfes. Ja, daß wir e- gerade heraus sa gen, wir hätten die Schmach nicht erleben müssen, daß die Regierung de- deutschen Staate-, dessen Regent zuerst und am lautesten da- Aufgehen in Deutschland verkündete, zuerst e- wagen konnte, an der kaum geschaffenen Einheit zu stören. Rasch und kühn, wie der Gedanke, der sie gebar, müssen Revolu tionen durchgeführt werden, müssen in einem Gusse erfolgen, müssen eben ganz revolutionär sein, wenn sie gelingen sollen. Auf halbem Wege schwindelnd stehen bleiben und nach dem Recht-boden ängstlich Haschen, den man ja doch schon unter die Füße gerollt, heißt sich selbst aufgeden. Ach! mehr al- eine bittere Erfahrung lehrt un- bereit«, wie schwer e- ist, den erlahmten Flügelschlag der Begeisterung von neuem zu erheben. L^rnm, soll ander- der große Bau nicht in formlose Trümmer zerbröckeln, soll die erhabendste Schöpfung, welche die Weltgeschichte je mals in ihre ewigen Tafeln eintrug, soll Deutschland- geistige Wider geburt nicht einst -um Spottbild unserer Schwäche werden; ja, soll unser ganzes schöne-Vaterland nicht über kurz oder lang al- eine leichte Beute de« ersten besten verwegenen Abenteurer -»fallen, so bedürfen wir dringender als jemal- einer sehr stacken, kühnen und gut organi- strten Linken. Leider müssen wir daran zweifeln, daß die Bahn, auf welcher wir diese Partei jetzt sehen, -um erwünschten Ziele führen wird. Wir theilen mit der Linken da- Streben, den Gtaatsorgams- mus seinem Ideale immer näher zu führen, und wir erkennen solches hauptsächlich in der Au-gleichung zwischen dem natürlichen oder aprio- ristischen Rechte de- Menschen und dem positiven oder politische« Rechte de- Skaat-bürger-, wollen un- auch der Schlußfolgerung kei- neSweg- entziehen, daß da-, hierdurch berechtigte, staatsbürgerliche Frei heitsstreben die möglichst größte Betheiligung de- Individuum- am Wohle, daher auch am Regimente des Ganzen postulin; allein wir vermögen nicht, den Weg zu betreten, auf welchem die Linke nach je nem Ideale ringt, da- für un- nicht der Endpunkt, sondem der höchste Regulator unser- Streben- im staatlichen Leben ist. Die Linke in ihrer idealistischen und, gestehen wir es immerhin, oft großsinnigen, wenn auch nicht immer praktischen Auffassung des Staat-leben- greift kühwnnd rücksicht-lo- nach jedem äußersten Mittel, ihre Ideale in da- Leben einzuführen. Getragen von der Wärme ih rer Überzeugungen entfaltet sie daher ihre Kräfte am wirksamsten im großen Principienkampfe und feiert ihre edelsten Siege in den Lebens fragen, wo Alle- an Alle- gesetzt werden muß. So habe« wir mit vollster Anerkennung ihre patriotische Begeisterung in der Paul-kirche bei der dänischen Waffenstillstand-frage und bei der Debatte über den Stein'schen Antrag in der Singakademie getheilt und sie hat hier wie dort den schönen Triumph gefeiert, daß die Centren ihr überall den starken Arm liehen, wo eS galt, die höchsten Güter der Ehre, de- inter nationalen Recht-, der VolkSsouveränetät rein und unbefleckt -u be wahren*). Aber weniger praktisch und ebende-halb weniger glücklich finden wir sie in den TageSfragen, wo e- sich darum handelt, da- eben Nütz liche und augenblicklich Nothwendige zu erkennen und -u ergreifen. In ihrer staatsmännischen Jugend nur zu leicht die eigenen Ueber- zeugungen und Wünsche mit den Au-schlag gebenden der BolkSmehr- heil identificirend, überschießt sie da in ihrem optimistischen Streben nicht selten das Ziel, verrennt sich in Konsequen-ea und bringt dadurch oft die wundersamsten Geburten zur Welt. Feierlich vindicirt sie je dem sprach- und sinnverwandtem Bruderstamm da- Recht, Deutsch land anzugehören (wir erinnern an Schle-wig- sowie Ost- und West- preußenS Inkorporation in den deutschen Bunde-staat); aber gleich wohl demonstrirt sie au- der Aufnahme der germanisirtea, also nicht mehr polnischen Theile Posen- in die deutsche Dölkerfamilie eine inter nationale Sünde heraus. In unnatürlicher Verbindung mit der äußersten ultramontanen Rechten bahnt sie ihren Todfeinde« den Jesuiten den Weg nach Deutschland und stößt, ihrer idealistischen Auf fassung derFreiheit zu Ehre und zu Liebe, selbstmörderisch da- Schwert hiermit in den eigenen Busen. Ja, sie öffnet die Pforten der Pauls- kirche einem Hecker, an dessen Händen, man sage, was man «olle, das Blut unserer Edlen klebt. *) Bor den Abstimmungen vom 17. geschrieben.