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Diese« Blatt erscheint täglich Abend« an» ,st durch alle Post, «««alten de« Z»> «md Ausland«» zu beziehen. Dresdner Journal. Prer« fli, da« Biertelsahr Lhlr. Znsertionsgedäh- re» f-rde«N«n» eiurr gespaltene» Zeil. V Vs- Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann.' Anzeigen aller Art für daS Abends erscheinende Blatt werden bi- 12 Uhr Mittag- angenommen. Inhalt. Der Dresdner BaterlandSverein und die republikanische Partei. — Außerordentliche Sitzung der Stadtverordneten. — Laget- geschichte: Dresden: Sitzung der zweiten Kammer; städtischer Verein. Leipzig: Der Krawall; die Aollfrage; Versammlung von Geistlichen freierer Richtung zu Awickau. Forchheim: Kommunalgardrnfest. Berlin. Naumburg. Köln. Mecklenburg«Schwerin. Altona. Frankfurt. Stuttgart. Lemberg. Prsth. Paris.— Wissenschaft und Kunst: Hoftheater: „Euryanthe". — Feuilleton. — GeschäftSkaleadrr. — Ort-kalender. — Angekommene Reisende. Der Dresdner BaterlandSverein und die republikanische Partei. Als, durch politische Nothwendigkeit gezwungen, der Leipziger BaterlandSverein die republikanische Partei auS seiner Mitte entfernt hatte, da nannte Die- der Dresdner Verein einen Gewaltstreich, nahm sich die Rechte des leitenden Ausschusses, fand Anhang bei einer Anzahl anderer Vereine und schrieb eine Generalversammlung auS. Die Dresdner beurtheilten die Leipziger Verhältnisse aus zu engem Gesichtspunkte; sie bedachten nicht, daß bei ihnen diepolitischen Entwickelungen, die Scheidungen der Parteien in den Vereinen nicht so rasch, so bestimmt sich bilden, wie in Leipzig, wo seit langer Zeit das politische Leben ein viel rührigeres, ausgeprägteres war ; bedachten nicht, daß Leipzig die politische Richtung in ganz Mitteldeutschland, ja in noch weit größerem Umfange wesentlich mitbestimmt. Werfen wir bei dieser Gelegenheit einen Blick auf den nähern und ent fernter» Ursprung der Parteischeioung in Leipzig. Die seit 1830 auf dem Landtage Anfangs gemäßigt, später sehr entschieden auf tretende Opposition hatte in Leipzig ihren Hauptstützpunkt, getragen durch eine Anzahl von Persönlichkeiten und die Hauptorgane der Oppositionspresse. Sie glaubt heute noch, die Märzrevolution gemacht zu haben, während dieselbe in der, seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sich sehr verbessert, in Tiefe und Breite sich ausgedehnt habenden Volksbildung Wurzel und Katastrophe findet. Schon Friedrich H. machte, nach einer Mittheilung in Eylert'S Eharakterzügen auS dem Leben Friedrich HI., diesen seinen Neffen auf daS Herandrängen der untern Stände nach oben aufmerksam und hätte daS alte Regiment diesen Wink des scharfsinnigen Königs mit politischer Einsicht auSzubeutrn gewußt, so würden wir sehr Vieles von demjenigen, was jetzt der Revolution zu lösen überlassen werden muß, längst auf dem Wege der Reform erlangt haben. Das Volk, an eine unmittelbare Betheiligung an der Entwickelung seiner politischen Zustände und Bedürfnisse gewöhnt, würde vermöge seiner Bildung sich nicht so blind, wie eS jetzt geschieht, zum mechanischen Werkzeuge einzelner Leiter hingeben, welche das, durch die hinterlistige, mit Lügenmilch aufgezogene Diplomatie reichlich auSgesäete Mißtrauen benutzend, mit einer maßlosen, für Kraft genommenen Frechheit auf treten und den Boden der Wahrhaftigkeit, der Liebe zur Ordnung, Mäßigung und Humanität im Volke von Grund auS öde, wüst und leer machen. Kür einen solchen Anhang sind die Worte Opposition, Radikalismus und Liberalismus und auf der andern Seite das Wort Reaktion Schibolethe, Signale geworden, unter deren Deckung die rauh- und bandlosesten Vorschläge von den Führern durchgesetzt werden können. Sowie der BureaukratiSmuS sich in den Zopf des Buchstabens verbeißt, so ist die radikale Partei und die oberflächliche, d. h parteiliberale in den Zopf der Opposition verbissen, indem beide bäitsig nicht sowohl um der Sache selbst willen Opposition machen, als deshalb, weil das Opponiren und Protestiren den einzelnen Per sonen und Vereinen Ansehen bei der Partei giebt, „e- sich gut macht." Radikalismus aber und seichter Liberalismus sind von wahrer Freisinnigkeit himmelweit entfernt. Diese will die Freiheit so weit irgend sie möglich ist und zwar mit der Entschiedenheit des männlichen Ernstes, welcher im edlen Zorn die sich anschmiegende, andrängende Selbstsucht mit verschränkten Armen von sich stoßend, mit dem Stolze politischer Tapferkeit sich derjenigen Beschränkung persönlicher Ansichten unterwirft, welche der dauernde Bestand der allgemeinen Freiheit gebietet. Krankhafte Oppositionsmanie und demagogischer Narrenkihel sind ihm fremd. Diesen auszuweichen ist jetzt gleiche Aufgabe für di« Aristokraten wie die Demokraten. Der Radikalismus nun, die alte Opposition als RepublikanismuS fortsetzend, ist in einzelnen seiner Führer bis zu dem Schwindelpunkte hinaufgewirbelt, welcher „in der permanenten Revolution das Heil des Staate-" in der Gesammtheit der Partei dieses Heil in der socialen Republik erkennt. Immer einreißen, nie «S zum Aufbauen kommen lassen will eS diese Partei und nennt Jeden einen Reaktionär, welcher daS Wohl des Volkes und Staates nicht einem freibeuterischen Wühlen opfern will. Sie drängte sich in den Leipziger BaterlandSverein hinein, um mit ihm, an dessen Spitze der leitende Ausschuß sämmtlicher Landesvereine stand, sich dieser aller zu be mächtigen. Weil man nun in Dresden nicht selbstständig genug war, um sich von der Koketterie mit der politischen Republik fern zuhalten, weil man sich die Möglichkeit für die Zukunft sichern mußte, die Stellung des leitenden Ausschusses auch einmal in die Hände zu bekommen, nahm man die Partei der Leipziger Republikaner. Bei etwas objektiverer Betrachtung der Dinge hätte man sich sagen müssen, daß man durch deren Anerkennung als VaterlandSverein einen vatermörderischen Sohn in'S HauS ließ, einen Sohn, der da gleiche Interesse mit der Programmpartei hat und ihr deshalb gefähr lich werden mußte, das Interesse nämlich: die Masse deS Volke- an sich zu ziehen; einen Sohn, der ferner mit allen Mitteln der Raub sucht dieses Ziel verfolgt, einen Sohn — welcher seinemVater den größten Theil deS Reiche- schon entrissen hat. Und gleich nachdem Die- geschehen, war der Vater gukmüthig schwach genug, zu glauben, er könne mit diesem Sohne noch ferner in Friede und Freundschaft Zusammenwirken, für einen und denselben Zweck, schickte ihm eine Gesandtschaft und wurde — abgewiesen. Natür lich ! Müssen nicht zwei divergirende Linien, je länger sie sich dehnen, desto mehr au-einandergehen? Da- Erste, was die Dresdner hätten thun müssen, wäre die Befolgung de- ihnen ertheilten Rache- ge wesen, die Berechtigung de- Leipziger republikanischen VaterlandS- vereine-, auf der Generalversammlung zu erscheinen, mit den nach drucksvollsten Waffen anzugreifen, sich so in Vortheil sehend, in der Stellung de- Angriffes sich zu behaupten. Daß sie e- nicht gethan, hat sich bereit- sehr auffallend gestraft: die Elemente der Spaltunz