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Donnerstag, -»§160. 7. September 1848. Diese- Blatt erscheint täglich Abend« und Ist tztirch alle Post- ankalte» de« 3n- «nd Lu«lande« z» brjirhen. Dresdner Journal. Prer« fS, da« Viertelsatzr IV, wr. 2nsertion«grbstb» ren für den Ran» einer gespaltene» Zeile »Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biederraaua. Anzeigen aller Art für da-Abend-erscheinende Blatt werden bi- ir Uhr Mittag- angenommen. Inhalt. Kritische Gänge durch unsere Kunstausstellung. —TageSgeschichte: Dresden: Hauptversammlung der fämmtlichen Baker» landSvrreine in Sachsen; deutsche AnwaltSvrrsammlung; kirchlicher Verein. Grimma: vr. Stolle'S Rede beim Lurnerfeste. Berlin. Frankfurt. Ludwigsburg. München. Wien. Paris. — Wissenschaft und Kunst: Hofthrater: „Romeo und Julia". — LandwirtyschaftlicheS. — Geschäftskalender. — Ortskalender. — Ange kommen« Reisende. Kritische Gänge durch unsere Kunstausstellung. (Einleitende-.) Von - O. A. B a n ck. Go lange diese Blätter bestehen, haben wir e- noch in keinem Jahre versäumt, über die hiesige Kunstausstellung ein offene- Urtheil au-zusprechen. Da die- anstrengende Geschäft der Sachlage halber großentheil- ein Akt der Opposition sein mußte, so war e- nicht eben reizend; jedoch da- Bewußtsein erfüllter Pflicht, der Anblick tieferer Wirkungen und der warme Antheil de- gebildeten Publikum- gewähr en Lohn in Fülle. Alle bestem, denkenden Künstler, welche da- schöne Ziel »ine- freien Fortschritt- verfolgen, sind unsermBemühen mit Ach tung gefolgt, während Andere, die ihre Person höher anschlugen al- die Kunst, au- den Schlupfwinkeln der Anonymität un- oft auf das Ergöhlichste anschnarchten, obgleich die sie störende Kritik nie ohne Namensunterschrift blieb. Wir danken hier in Beziehung auf da- Genossene und noch zu Erwartende für beide Gefühlsäußerungen, da beide die Erfahrung bereichern und fortzufahren Muth machen. Die-mal fiel der Entschluß schwer, unsere Kunstausstellung in der frühem, strenger« und rücksichtslosem Betrachtungsweise zu be- urtheilen und die Gegenstände derselben vor da- Gericht der Oeffent- tichkeit zu ziehen. Die Gründe dazu gehören allein dem Mitgefühl an und staden im Folgenden ihre Entwickelung. Die Akademien, diese modernen Schulen des EklekticiSmuS und der systematischen Bildung in Rampe, häufig noch von den Launen ministerieller Unwissenheit gouvemirt, haben unfern bildenden Künsten ein wahre- Lerxe-Heer der Mittelmäßigkeit zugeführt und da- wahre Kunststudium mit einem schwerfälligen Ballast unfähiger Scholaren belastet. Die allgemein verbreitete Halbbildung der nächsten Vergan genheit, ihr unglückseliger Dilettantendrang nach dem „Höhern" und die vielverbreitete Aeitansicht, man könne ohne gebornen Beruf selbst die Gunst der Musen durch Fleiß und Raffinement erwerben, — diese traurigen Eigenschaften haben jenen Strom von verirrten unberufenen Kunstjüngern noch mehr gespomt und in- Berderbm geführt. Tau sende von Knaben und Jünglingen, die auf anderm Gebiet nützliche Menschen werden konnten, wurden von diesen Versorgung-räumen di r Akademien angelockt, wo ihnen oft fade Altmeier der Kunst dm heiligen Geist einzutrichtern versuchten, und so ihre verblmdete Eitelkeit, statt sie zu heilen, zu falscher Hoffnung groß fütterten. Den speku lativen Köpfen gelang e-, die Kunst zu ihrer Milchkuh zu machen, während sie bei dem ganz falschen Lehrsystem dem wirklichen Talent ein Buch mit sieden Siegeln blieb. Genie- gingen nur aut jenen La zaretten der Kunst hervor, wenn sie die Mauern derselben durchbrachen, um sich auf eigenen Füßen unter Gotte- freier Natur mitten in die Wogen der Welt zu stellen. Ueberfüllung de- Künstlerstande- durch Lalentlofigkeit, falsche Richtung und ungeschickte Arroganz warm daher die Folge diese- Gebühren- und engten dem wirklichen Talent den Weg ein, während sie die Kunst herabzogen und da- Publikum maltraitirten. So lang, die knechtische Ruhe der Restauration-epvche dauerte, der von staat-wegen da- Bölkerintereffe verboten und jede Allotria al- Amüsement empfohlen wurden; so lange die Geldmänner in klein licher Genügsamkeit für den schönen Titel „Mären" ihre Salon- mit Statuetten und bemalter Leinwand dekorirten; so lange die Kette der deutschen Kunstausstellungen nicht zerriß und den leidlich geschickte« Künstlern einen VerpfiegungSschatz bot, von dem sie ihre Koupons abschneiden und sorglos weiter dilettantiren konnten; ja so lange diese nächste goldene Vergangenheit dauerte, in der die Künstler mehr denn je bezahlt wurden und nur die Schauspieler, Sänger, Tänzer und eng lischen Bereiter zu pekuniären Rivalen hatten, — so lang« befanden sie sich im Durchschnitt trefflich und e- war höchsten- die Kunst zu be klagen, die bei dem Gange nach Brot nie gleichen Schritt halten wollte. Da- Sinken der Kunst durch die „Düsseldorfer", die „Naturalisten", „Koloristen" und viele andere Schematiker, die alle Manieristen sind und höchsten- in ihren ersten Meistern eine Berechtigung hatten, ging mit der Literatur Hand in Hand, wie wir früher nachgewiesen haben. Die Historienmalerei lag darnieder, denn e- gab in halb Europa keine ehrenvolle Geschichte der Gegenwart, kein Leben der That, kein Be wußtsein de- Völkergeiste-, und die Geschichte de- Momente- ist e- immer, welche den Geist jeder Kunstsphäre hauptsächlich regiert. Die Landschaft, die in der idyllischen Ruhe und nationalen Stagnation ge deihen kann, hielt sich am besten, aber auch sie war herabgesunken durch falsche Anschauung der alten Meister und durch den tobten Na- turali-mu- der modernen Redoutenauffassung. Die Genremalerei fristete an kleinlichen Themen ihr kummervolle- Leben und ent schuldigte sich mit dem prosaischen Kostüm unserer Zeit und mit dem Mangel an charakteristischem originalem Volk-siane. Die Skulptur, obgleich im Allgemeinen ernster und gewählter vertreten, stieß sich, ur sprünglich im Süden heimisch, noch immer auf nordischem Boden an der Rauhheit seiner Wege, feierte ihre einzelnen schönen Tage und krankte bei der fortwährenden Reproduktion der Antike an dem Durch bruche eine- deutschen Nationalelement-. So stand e- mit der Kunst pflege im Großen und Ganzen. Mit den einzelnen Au-nahmen und Glanzpunkten haben wir eS hier nicht zu thun. Sie leuchteten allenthalben und bildeten sich in der Einsamkeit ihre eigene, wenn auch oft verfehlte Welt. ES war daher die Pflicht der Literatur, al- der bahnbrechenden Seele aller Künste, ihre Geschwister zu unterstützen. So lange sie Die- nicht durch Selbstschöpfung vermochte, mußte sie mit der In telligenz de< Verstände- und mit dem Urtheile der Aesthetik au-helfen, und wir kommen hier zu dem Gebiete und Bemfe der Kritik. Gegen da- Gleichmaß falscher Gewöhnung und gegm die ohn mächtige Fäulniß und systematische Verwirrung eine- wohlgefälligen und doch kleinmüthigen Kunsttreiben- vermag nur der frische, un-