Volltext Seite (XML)
Freitag, -N161 8. September 1848. Dicie« Bla« erscheint täglich Abend« und tß durch alle Post, anüalten de«3»- «nd Autlandr« j» beziehen. Dresdner Journal. Pre,< fs, du« Dierteljabr I»ä LHlr. 2«iertion»grbih. rrn für den Nau« einer grs-alrene» Zeit« » Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für daS Abends erscheinende Blatt werden bis 12 Uhr Mittags angenommen. Inhalt. Der Ruhen des Versammlung-rechtes. — Tage Sg «schichte: Dresden: Sitzung der ersten und zweiten Kammer; deutscher Verein. Aus demDoigtlande: Vermischtes. Berlin. Hamburg. Schleswig-Holstein. Frankfurt. Prsth. Triest. Italien. Paris. — Wissen schaft und Kunst: Hoftheater: „Figaro'ö Hochzeit"; kritische Gänge durch unsere Kunstausstellung (Fortsetzung). —Feuilleton. — Ge schäft skatender. — OrtSkalendrr. — Angetomm ene Reisende. » "" ! , Der Ruhen des Bersammlungsrechtes. ES ist jetzt, wo die große Zeit, in welcher wir leben, ihre ernsten Seiten zu zeigm beginnt, wo die Stockung der Gewerbe drohender wird und die Einkommensteuer den Beutel der Einzelnen in Anspruch nimmt, bei gewissen Leuten (und leider ist ihre Zahl nicht gering und mancher Mann Hellen Geistes und warmen Herzen« befindet sich un ter ihnen) zur Mode geworden, über die „Errungenschaften" der Be wegung zu spötteln und den Werth der großen Güter, welche wir uns erobert haben, zu verkleinern oder abzuleugnen. Namentlich ist ,S das Versammlungsrecht, an dem Viele durchaus nichts Heilsame- er blicken wollen und da- sie nur für ein neue- Mittel halten, welches man den Wühlern in die Hand gegeben hat, um das Bestehende zu untergraben. Der besonnene Freund des Volke- aber, der sich in den Stürmen der Gegenwart Vertrauen, Kraftbewußlsein und Muth be wahrt hat, kann mit dieser Ansicht durchaus nicht einverstanden sein. Er erblickt in dem Rechte, sich frei zu versammeln, eines der mächtig sten und unentbehrlichsten Mittel für ein Volk, um sich au- dem er bärmlichen Zustande de- Spießbürgertums heraus und zu einer selbst ständigen, bewußten Ordnung der politischen Dinge hindurchzuarbeiten. Da- Versammlung-recht dient zuvörderst zur Aufklärung der politischen Meinungen. Die Selbstständigkeit deS Unheils ist ein schönes und nothwendiges Ding für einen Staatsbürger, aber sie be steht nicht darin, zu urtheilen ohne Andere gehört zu haben, sondern Dielmehr darin, nach Anhörung der verschiedensten Gründe und Gegen- Hründe in sich selbst die Entscheidung zu finden, welche von beiden schwerer wiegen. Daß das Recht der freien Versammlung sehr nützlich, ja eine ncthwendige Voraussetzung ist, um sich durch die entgegenstehenden An sichten mit einer Sache recht bekannt zu machen, ist klar. Gleichwohl möchten wir hierauf nicht ein entscheidende-Gewicht legen. Die Presse bildet hier ein, wenn auch keineswegs genügende- Surrogat. So dann sind wenigstens größere Versammlungen, wie wir gleich sehen werden, der Entwickelung principieller Gegensätze durchaus nicht gün stig, und da eine «eitergehende und tiefergreifende Belehrung durch ein einmaliges Aufammentreten unmöglich erreicht werden kann, so ist für diesen Zweck nicht sowohl da- Versammlung-recht, als das mit demselben allerdings eng zusammenhängende Recht, förmliche Vereine -u bilden, von Bedeutung. Dagegen ist das versammlungsrecht von einer durch nichts An deres zu ersetzenden praktischen Bedeutung. Wenn nämlich die poli tisch« Regsamkeit in einem Volk« einzukehren beginnt, muß alsbald je ne« atomistische sich Abschließen der Einzelnen in politischen Dingen aufhören; verschiedene Grundprincipien, entgegenstehende Welt anschauungen, um mit Herrn Rüge zu reden, machen sich geltend, die Ginnesverwandten schließen sich zusammen, der politische OrganiSmus beginnt sich zu gliedern, es entstehen die Parteien. Da- Interesse jeder Partei ist, Macht zu erlangen, und insofern die Parteien eben ein nothwendiges Erzeugniß der freien StaatSentwickelung sind, ist dieses Interesse zugleich da- Interesse der Gesammtheit. Nur wo mächtige Parteien sind, ist die politische Freiheit gesicherte Eines der nothwendigsten, ja vielleicht da- wichtigste Parteimit tel ist nun die Volksversammlung. Sie hat einen doppelten Zweck. Einmal dient sie dazu, die Mitglieder der Partei untereinander zu ver ständigen und sie zu einem systematischen Handeln zu vereinigen. Die Führer legen über Da-, was sie vielleicht auf eigene Verantwortlich keit hin unternommen haben, Rechenschaft ab, lassen die Vorschläge, welche sie zu machen haben, von ihren Anhängern genehmigen und ge ben ihnen so da- Gewicht der Masse. Streitigkeiten und Differenzen werden ausgeglichen, Grundsätze klarer hingestellt, die Verständigung mit verwandten Elementen eingeleitet, kurz die Partei wird geordnet, disciplinirt, im Innern gestärkt. Eine Volksversammlung, die in die ser Absicht zusammenberufen worden ist, wird daher von den Leuten nicht besucht, um sich über ihre politischen Ansichten belehren zu lassen, sondern um sich zu Parteimaßregeln zu vereinigen. Alle Streitigkei ten über Ansichten sind im voraus entschieden und man darf sich daher nicht wundern, wenn Jemand, der die Meinung einer andern Partei, wenn auch noch so gemäßigt vertheidigen will, nicht zu Worte gelassen oder von der Tribüne wieder heruntergepfiffen wird. Er stört die Ver sammlung nur in der Verfolgung der praktischen Zwecke, um deren- willen sie sich vereinigt hat. — Der andere Vortheil, den die Parteien au- den Volksversammlungen ziehen, ist der, ihre Stärke, die Macht und da- Ansehen ihrer Führer zu prüfen und zu zeigen. Wenn die Führer ungewiß sind, wie weit sie mit ihren Vorschlägen und Maß regeln gehen dürfen, berufen sie eine Versammlung, um zu sehen, wie weit sie sich auf ihre Leute verlassen und wie viel sie etwa in Gemein schaft mit denselben ihrer Stärke nach durchzusehen hoffen können. Oder, wenn sich der Einzelnen Muthlosigkeit und Wankelmuth be mächtigt, werden sie versammelt, um sich so gegenseitig zu stützen und zu ermuthigen. Oder endlich die Partei versammelt sich, um den ihr Entgegenwirkenden (und Die« gilt namentlich häufig von der Opposi tionspartei gegenüber der jeweiligen Regierungspartei) ihre Stärke vorzuhalten und ihr die Hoffnung des Widerstandes zu benehmen. — Auch in diesen Fällen aber wird man entgegengesetzte Stimmen, welche die Parteigenossen verwirren oder, ihre kompakte Einheit bezweifeln machen könnten, ungern hören und nöthigenfalls zum Schweigen bringen. Wenn also da- Versammlungsrecht eines der wichtigsten und nothwendigsten Mittel zur Bildung, Organisirung und Stärkung der Parteien und gerade dadurch zugleich von allgemeinem Nutzen ist, so ergiebt sich doch hieraus, daß Volksversammlungen gewöhnlich Partei zwecken dienen. Wir sagen gewöhnlich, denn ohne Ausnahme läßt sich das allerdings nicht behaupten. Wem» z. B. ein äußerer Feind droht und eine Versammlung berufen wird, um sich über die vöchigen