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Dieses Matt erscheint täglich Abend- und t> durch alle Post anstalten de-3n- »nd Au«lande« ja beziehen. Dresdner Journal. Prrrl fst» da« Vierteljahr IV» rhlr. Znsertion-gebsth. rrn für denNaa» einer gesbalreae» Zeile »Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für daS Abends erscheinende Blatt werden bis 12 Uhr Mittags angenommen. Inhalt. Eia Wort über Volksbildung. — Tagesgeschichte: Dresden: Schützknverbrüderungsfest zu Budissin. Leipzig: Aufruf des deutschen Vereins. Crimmitschau: Turnfest. Rudolstadt: Versammlung thüringischer Lehrer. Berlin. Aus Schleswig-Holstein. Wien. Prag. Italien. Mailand. Bologna. Paris.— Wissenschaft un d Ku nst: Hoftheater: „Die schöne Müllerin" und „Der Vetter.^—Feuille ton. — Geschüftskalevder. — Ortskalender. — Angekommene Reisende. Ein Wort über Volksbildung. Nach den gewaltigen Kämpfen der neuesten Zeit, dem deutschen Volke endlich einmal wiederzugeben, was ihm so lange geraubt war, ist e- fast allgemein als Nothwendigkeit erkannt worden, daß die gänz liche Wiederherstellung unserer Größe und Stärke nicht sowohl durch ein Ringen mit den äußern Umgebungen, als vielmehr durch eine um fassende Kräftigung von innen heraus herbeigeführt werden kann. Von alle den Grundlagen aber, auf denen die Freiheit des Volkes in dauern der Festigkeit aufgebaut werden kann, ist es eine, welche man erst seit kurzer Zeit angefangen hat in ihrem weitesten Umkreise in daS Auge zu fassen. Es ist Die- eine, den eingetretenen öffentlichen Verhält nissen entsprechende allgemeinere Bildung des Volkes. Schon lange ist zwar die Allgewalt dieser geistigen Sonne auf den höchsten Höhen der menschlichen Gesellschaft erkannt worden, aber eben so eifrig hat man sich auch bemüht, ihre Strahlen zu verhüllen oder zu brechen, damit es auf den Ebenen und in den Thälern, wo eben das Volk wohnt, nicht hell werde. Doch „ist die Sonne einmal aufgegangen, wird es Tag und die Wolke, die am Himmel spielt, löscht die ewige Leuchte nicht aus." Werfen wir nun einen prüfenden Blick auf die Massen der jetzt lebenden Generation, dann müssen wir uns auch sagen, daß sie seit Vielen Jahren von Kindheit an mit zahllosen Vorurtheilen belastet, in ihren Meinungen irregeleitet und um die größte aller Wahrheiten, um die Wahrheit der Geschichte betrogen worden ist, und dann steht auch die Ueberzeugung nicht zu fern, wie wenig es dieser Generation gelingen mag, sich die Bildung anzueignen, die den geraden Weg zu unserm höchsten Ziele findet. Vielfache Erfah rungen dieser Tage bürgen für die Richtigkeit diese« bittern Geständ nisses. ES erscheint somit ganz gerechtfertigt, wenn wir unsere Hoffnung auf die Heranwachsende Jugend setzen, und es muß daher unsere ernste Aufgabe sein, diese mit dem Aufwand aller Kräfte und Mittel zur spätem Vollführung des von uns begonnenen Werkes zu befähigen und ihr müssen wir hauptsächlich die Bildung geben, die wir bei aller Anstrengung immer nur sehr mangelhaft erreichen können. Daß Dies aber nur durch einen darauf berechneten Unterricht möglich ist, liegt außer allem Zweifel und weil sich die allgemeine Unzulänglich keit des bisherigen UnterrichtSwesen« für unser nunmehriges öffentliches Leben klar herauSgestellt hat, so ist auch schon bereits »ine durchgrei fende Umgestaltung vorbereitet worden. Darf man sich nun dabei auch mit Bestimmtheit der Voraussetzung hingeben, es werde bei dieser Umgestaltung ein genauere-Augenmerk auf diejenigen Lehrgegenstände gerichtet werden, welche bis jetzt in allen Schulen mehr oder weniger vertreten waren, dann ist eS wohl zu erwarten, daß die Stelle mancher zweckloseren Vorträge von nun an durch solche ersetzt werden, welche mit glücklicherem Erfolg auf die Lösung obiger Aufgabe hinarbeiten. Bor Allem jedoch, was sich gerade dazu mehr al- irgend Etwa- eignet, ist es die Geschichte. Doch nicht die Geschichte, die man bis jetzt beinah auf den meisten bessern Schulen lehrte, in der man oft Kleinig keiten zu Wichtigkeiten erhob, diese zum Gegenstand streng wissenschaft licher Erörterungen machte und wobei man mit der größten Genauigkeit in die unwesentlichsten Verhältnisse längst verloren gegangener Völker eindrang, gleich als hätte man jeden jungen Zuhörer zu einem Alter- thumSforscher heranbilden wollen, und auch nicht die Geschichte, mit der man die Jugend durch weitläufig auSgeschmückte Schilderungen und Anekdoten aus dem Leben einzelner Menschen der grauesten Vor zeit zu falscher Begeisterung für daS gänzlich Fremde entflammte, während man die großen geschichtlichen Wahrheiten sehr häufig nur oberflächlich berührte, wenn nicht gar überging und dann zuletzt da- Allerwichtigste für uns, nämlich die inneren und äußeren Urzustände unsres Volkes, seine Verfassungen und bedeutendsten Männer nur in den lückenhaftesten Umrissen betrachtete, weil man die nöthige Zeit an das Nutzlosere verwendet hatte, oder auch einer unbekannten Maßregel folgen mußte. Nicht diese Geschichte also, wenn sie ander- den Namen verdient, sondern eine in aller Reinheit und Klarheit dargestellte VolkS- geschichte ist es, welche uns Noch thut; diese erzieht uns mit wahrer Muttertreue und lehrt un-, aus der Vergangenheit unsere Gegenwart und Zukunft bilden, weil sie unS die reichen, unerschöpflichen Er fahrungen, die unsre Väter nur mit den schwersten Opfern erkauften, zur Ausbeute darbringt; der Geist dieser Geschichte ist eS, der unS die ewigen Weltgesetze offenbart, nach welchen gewisse Erscheinungen im Leben der Völker immer wiederkehren, da >a da« Rad der Zeit nicht allein unaufhaltsam vorwärts rollt, sondern sich eben auch um seine Axe bewegt; diese Geschichte wird endlich auch in den empfänglichen Gemüthern der Jugend eine glühendere Liebe für da- Vaterland ent zünden, als mit der sie sonst für Griechenland und Rom schwärmte und dabei die Heimath verachtete. Würde das Volk schon früher wenigstens mit den wichtigsten Momenten unserer historischen Ver gangenheit bekannt gewesen sein, dann war es rein unmöglich, so tief zu sinken, so sklavisch ohnmächtig zu werden ; niemals hätte eS sich seine heiligsten Besitzthümer ohne Widerstand entreißen und unter die bisherige geistige Tyrannei beugen lassen und jetzt, wo es au« seinem langjährigen Winterschlafe aufgerüttelt worden ist, würde eS ebenfalls bei einer verbreitetern Kenntniß unsrer Vorzeit Niemand haben ge lingen können, durch da- AuSstreuen der irrigsten Ansichten über die Vorzüge und Mängel der oder jener Regierungsform den Samen der Zwietracht auszusäen, damit dem Volk, seine Stärke verloren gehe und es sich innerlich wieder durch zahllose Parteiungen aufreibe. Keine Geschichte irgend eines Lande- ist so reich, al- die de- unsrigen, sie sagt eS unS offen, was uns fehlt, belehrt unS über unsere beklagenS- werthesten Schwächen und höchsten Kräfte und zeigt uns den Weg, den wir gehen müssen, um unser naturgemäße- Ziel zu erreichen; denn eS giebt keine Staat-Verfassung, die nicht wenigsten- einmal schon innerhalb der deutschen Gauen mehr oder weniger entwickelt