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1086 l138j gestellt ist, gehört zwar eigentlich nicht in die „Grundrechte des Volks", denn sonst müßte man auch hineinsetzen: das Reich habe für gute Chausseen und Eisenbahnen zu sorgen u. dgl. m.; indeß der Sach« nach ist es ganz recht und gut, und besser, etwas viel, als zu wenig! Daß in H. 6 die Gleichheit Aller vdr dem Gesetze, die gleiche Befähigung Aller zu öffentlichen Aemtern, ferner die stricht'Und all gemeine Wehrpflicht und die Aufhebung aller und j/kder Standes- privilegien und Standesvorrechte ausgesprochen worden ist, werden die geehrten Mitbürger gewiß mit Freuden vernehmen. Die Auf hebung des Adels selbstward mit ziemlicher Mehrheit abgelehnt. Nach Beseitigung aller Vorrechte und Vorzüge des Adels hatte allerdings di« Abschaffung des Adels, d. h. seiner auszeichnenden Titel, keine besondere praktische Bedeutung und Wichtigkeit mehr; ich meines- theilS hätte eS daher für das Richtigste gehalten, wenn diese Frage aar nicht angeregt worden wäre. Man hätte es getrost der Sitte überlassen können, die abgeschmackte Einbildung des Adels von einer «dlern Geburt und einem dadurch begründeten Ansprüche auf Bevorzugung vor den Nichtadeligen vollends zu zerstören, nachdem die Gesetzgebung dieser Einbildung jede tatsächliche Unterlage binweggenommen. Höchstens war etwa noch auszusprechen, baß der Staat den Adel als einen besondern Stand nicht mehr anerkenne, denn etwas Anderes konnte ja auch mit dem Anträge auf Ab schaffung des Adels nicht gemeint sein, da man doch unmöglich den Leuten verbieten kann, sich selbst oder Andere nach wie vor bei ihren abeligen Titeln zu benennen. Nachdem nun aber einmal die Frage wegen Aufhebung deö Adels förmlich zur Entscheidung gestellt war, und als zumal von den Gegnern des Antrag-, insbesondere vom Berichterstatter Beseler, der Adel in einer Weise in Schutz genommen ward, welche zeigte, daß man darin mehr suchte und mehr erhalten wollte, als den bloßen leeren Titel — da war es um des Prineip- willen nothwendig, für den Antrag zu stimmen, um zu zeigen, daß man nicht den Adel al- etwas noch ferner Berechtigtes und Bevorzugtes festgehalten wissen wollte. So habe auch ich für die Abschaffung des Adels gestimmt. Mit dem Beschluß wegen Abschaffung der Titel.bin ich nicht einverstanden, und zwar aus zwei Gründen. Erstens kann ich es nicht für ein „Recht" des Volkes, geschweige denn für ein „Grundrecht" ansehen, Jemandem zu verwehren, ein Thor zu sein, zumal wenn es sich um eine unschädlich« Thorheit handelt, wie die der Titelsucht. Zweitens aber hat der Staat und folglich das Volk offenbaren Schaden von der Abschaffung aller Titulaturen, denn der Staatsschatz verliert eine namhafte Einnahme durch den Wegfall d«r Steuern, die bisher in den meisten deutschen Ländern (auch bei uns in Sachsen) für Titulaturen bezahlt wurden. Gewiß giebt es aber kein« besser angelegte Steuer, als die, welche man die Menschen für ihre Thorheiten zahlen läßt. Ich bin daher wirklich gar nicht abgeneigt, bei der zweiten Benutzung der Grundrechte für die armen Tirulirten — jene zahllosen Hofräthe, geheimen Hofräthe, geheimen Räthe und wie sie alle heißen — aus den angegebenen Gründen eine Lanz« zu brechen. Di« Einführung des allgemeinen RechtS, Waffen zu tragen, halte ich für unbedenklich und in der Natur eines freien Staates, im Gegensätze zum Polizeistaate, wohl begründet. Damit fällt auch das gehässige und gar häufig zu gewaltthäligem Uebermuthe g,mißbrauchte Vorrecht der Soldaten hinweg, die auch außer dem Dienste ihr« Waffen tragen. Ist erst das Recht des Waffen tragens ein allgemeines und für Alle gleiches, so wird der Mißbrauch verschwinden, zu welchem bisher jenes Vorrecht die dadurch Begünstigten so oft verlockte. Die Bürgschaften, welche tz. 7 für die persönliche Freiheit aller Staatsbürger aufftcllt, indem er die ^Verhaftungen möglichst der polizeilichen Willkür entzieht und die Gefangenhaltung eines Staatsbürgers auf das nothwendigste Maß beschränkt, könnten wohl noch etwas bestimmter und sorgfältiger bemessen sein, und es ist nicht meine und meiner politischen Freunde Schuld, wenn sie es nicht find, indem wir dahin adzielende Verbesserungsanträge, insbesondere den von Leu«, nach Kräften unterstützt haben. In dessen bietet immerhin tz. 7 auch in seiner jetzigen Fassung schon eine ziemlich genügende und, im Verhältniß zu dem bisherigen, so sehr unvollkommenen Rechtszustande höchst dankenswerthe Sicherung der persönlichen Freiheit dar. Sehr zweckmäßig find« ich die Bestimmung, daß die in Unter suchungshaft Befangenen unter UnOänd« gegen eine von ihnen DU leistende Sicherheit »tstiHGi werd-n können. Eine Bevorzugung der Reichen liegt d.rttz» keinOweg«, 4a Wckr blos gegen eine Geld- kautidn, sondern auch gegen persönliche Bürgschaft jene Freilassung gewährt werden soll. Mit Recht ward in dec Debatte darauf hin gewiesen, wie gerade hi«rin ein wichtiges moralisches Moment liege, indem «S ein günstiges Aeu-niß für den sittlichen Charakter eines Angeschuldigten fei, wenn er Bürgen finde, die sich für ihn ver pfänden — und ebenso umgekehrt. Mit ganz besonderer Freude endlich habe ich den Beschluß der Nationalversammlung begrüßt, durch welchen die Todesstrafe, sowie alle jene den Menschen entwürdigenden Strafen — dec körper lichen Züchtigung, der Brandmarkung, des Prangerstehens — im ganzen deutschen Reiche für aufgehoben erklärt wurden. Ich habe es in meiner Rede für Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen und wiederhole es hier: ich betrachte es als die Pflicht eines auf die sittlichen Grundlagen der Humanität und Civilisation begründeten Staats, daß er in seinen Bürgern vor Allem dir Menschenwürde anerkenne und ehre, daß er jeden, auch den rohesten, verwildertsten, entsittlichtesten derselben (und ist nicht häufig diese Entsittlichung nur eine Folge der schlechten oder mangelhaften Staatseinrichtungen, also die eigene Schuld des Staats?) immer als ein Wesen behandle, welches der Rückbildung zum Guten, der sittlichen Wiedererhebung jederzeit noch fähig sei. Der Staat hat nicht das Recht, einen Menschen, und wäre es der ärgste Verbrecher, für absolut ver loren, für absolut unfähig jeder Rückkehr zum Bessern zu erklären und somit zur völligen Ausstoßung aus der menschlichen Gesellschaft, ja aus dem Leben selbst zu verdammen. Er muß und wird andere Mittel finden, um solche verlorene Mitglieder der Gesellschaft un schädlich für diese zu machen, zugleich aber auch sie selbst aus ihrer sittlichen Versunkenheit wieder zu erheben, ihnen die verloren« Menschenwürde wiederzugeben. Es gab eine Zeit, wo man glaubte, die Gerechtigkeit könne ihren Weg nicht gehen ohne die scheußlichen Werkzeuge der Folter und ohne die geschärften Todes strafen des Viertheilens, Räderns, Brennens u. s. w. Humanität und Aufklärung haben entschieden, daß die Anwendung dieser Mittel unstatthaft sei, di« Strafjustiz hat lernen müssen, sich mit andern Mitteln zu behelfen, und — sie hat ihren Zweck mit diesen ebenso gut, ja besser, als mit jenen erreicht. So wird eS auch mit der Todesstrafe und mit den entehrenden Körperstrafen gehen — man wird sie entbehren lernen, und die Sittlichkeit des Staats wird dabei gewinnen, ohne daß die Gerechtigkeit etwas dabei verliert. Hiermit, theure Mitbürger, nehme ich für heut von Ihnen Abschied. Mein nächster Bericht wird sich über die He cker'sche Angelegenheit verbreiten und nicht lange auf sich warten lassen. Leden Sie wohl! Karl Biedermann. Der Verein für Heilwesen und Naturkunde in der OberlößniH bei Dresden. In einer Zeit, wo die Vereine auftauchen, wie dieFrühlingSblume auf der Flur, wo so viele derselben mit geräuschvoller Wirksamkeit sich geltend machen und im politischen Meinungskampfe sich befehden, dürfte eS um so weniger ohne Interesse sein, eine- Vereines zu geden ken , der in seiner stillen Wirksamkeit zwar noch kein großes Aufseh» erregt und noch keinen großen Umfang gewonnen hat, aber doch wegen seiner loben-werthen Tendenz beachtet zu werden verdient. ES ist die« der in der WeinbergSgemeinde Oberlößnitz bei Dresden am Ende vorigen Jahre« gestiftete Verein für Heilwefen und Naturkunde, dessen Wirksamkeit sich auf die Lößnitz und deren Umgegend erstrecken soll, und der dem dort wohnenden vr. Kadner, Inhaber einer Privatheilanstalt für chronische Kranke, sein Entstehen verdankt. Frei von allen politi schen Tendenzen hat der Verein nur den rein praktischen Zweck'vor Augen, auf dem Wege gegenseitiger Belehrung und gemeinschaftlichen Wirkens da- allgemeine physische Wohl in allen Verhältnissen des