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lisrj 10Z6 die Regierungskemmissarien stchen sollen, also nur aus Producenten zusammengesetzt sind, während eine Vertretung der Konsumenten, die weder Fabrikanten noch Arbeiter sind, fehlt, so daß man eben nur das Verhältniß der verschiedenen Klassen der Producenten unter sich, nicht aber auch da- zu den Konsumenten'zu beurthMen und zu regeln vermag *). Anderntheils auch sind besonders günstige Resultate von diesen Kommissionen deshalb nicht zu erwarten, weil kle Selbst- erkenntniß, die überhaupt nicht Jedermanns Sache ist, nicht zu den Kardinaltugenden der deutschen, besonders sächsischen Fabrikanten gehört. Weit entfernt, die Kalamitäten, unter denen sie jetzt leiden, auch nur zum kleinsten Theile der eigenen Verschuldung zuzuschreiben, dringen sie dieselben ausschließlich auf Rechnung des Uebergewictus brittischer Industrie, oder im Allgemeinen der sogenannten schlechten Zeiten, mit welchem AuSdrucke nicht selten die wunderlichsten Be griffe verbunden sind. Daher mögen es die Herren nicht übel nehmen, wenn ein Landsmann, der die Industrie Englands und der vor züglichsten industriellen Kontinentalstaaten seit einer Reihe von Jahren zum Gegenstände praktischer Studien machte und durch eigene An schauung kennen lernte, ihnen einmal rund heraus die Wahrheit sagt; sollte ihnen dieselbe nicht eben angenehm klingen, so mögen sie nur bedenken, daß sie im Munde eine- Engländer- oder Franzosen noch viel härter klingen würde und daß diese eS nur deshalb nicht thun, weil sie sich selbst damit in'S Gesicht schlagen, ihren eigenen Vortheil verkümmern und sich de« Vergnügen berauben würden, die deutschen Fabrikanten auSzulachen. Wir wollen für diesmal nur daS Verhältniß betrachten, in welchem die deutsche Industrie zu den Wissenschaften steht. Die Natur liefert der Industrie alle Rohstoffe, die Wissenschaft, als Resultat d,S Geiste-, lehrt deren Benutzung und Bearbeitung; daraus folgt unmittelbar, daß eS zunächst die Naturwissenschaften sind, welche mit der Industrie in hauptsächlicher Verbindung stehen, ferner, daß eS vorzugsweise die sogenannten exakten Naturwissenschaften sind, deren praktisch materielle Resultate von den Industriellen benutzt werden müssen, und ganz von selbst leuchtet ein, daß der Nutzen dieser Resultate für den Einzelnen um so beveutender sein wird, je unmittel barer diese Benutzung stattfindet. Jeder Krämer weiß, daß der erste Verkäufer eines neuen Artikels die besten Geschäfte macht. Nichts desto weniger hat diese Thatsache bei den deutschen Industriellen keine andere Folge gehabt, al- daß man sich bemüht hat, da- anderwärts Erfundene möglichst bald nachzumachen. Wer kennt nicht die Jagd auf französische Muster, englische Farben und neue englische Maschinen? Daß sie da- Alle- aber zu Hause eben so gut und noch besser haben könnten, wenn sie im Stande gewesen wären und wären, wissenschaftliche Resultate sich unmittelbar anzueignen und zu benutzen, DaS ist bi- jetzt sehr wenigen der Herren eingefallen. Wie ganz ander- ist Die« in England und Belgien, zum Theil auch in Frank reich; mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt man dort alle Resultate der Naturwissenschaften und studirt zu diesem Zwecke namentlich deutsche Schriften; man besoldet dafür mit schwerem Gelbe! Physiker, Mechaniker und Chemiker gemeinschaftlich, um durch sie die neuesten Ergebnisse der Naturwissenschaften der Industrie dienst bar zu machen. Man scheut sich nicht, Experimente zu machen, die 1000 und mehr I^ir. St. kosten, und ist weit entfernt, daS Aeld für einen mißlungenen Versuch für weggeworfen zu halten, nur deshalb, weil er kein unmittelbar industrielles Resultat geliefert hat. Wie aber ist e- in Deutschland? Hier sieht eS in dieser Beziehung wahr haft kläglich aus . unter 100 deutschen Fabrikanten ist kaum einer geneigt, einen wissenschaftlich industriellen Versuch auf seine Kosten machen zu lassen, einer kaum unter 300, der im Stande wäre, einen solchen selbst wissenschaftlich auszuführen, und unter tausend wohl nicht einer, der zu bewegen wäre, 100 Thlr. oder mehr darauf zu verwenden, selbst wenn die gegründete Vermuthung vorhanden, daß die darauf verwendete Summ, zehnfach zu gewinnen ist. Der deutsche Fabrikant null Alles fertig und mundrecht haben und voll kommene Resultate mit eigenen Augen sehen und mit Händen greifen, ehe er sich auf etwas Neu,- einläßt. Er glaubt nicht eher an die *) Das scheint nns doch ein ungerechter Dorwurf zu sein. Wenn nur das Interesse aller Producenten gewahrt ist, so ist damit auch zugleich das der Konsumenten sicher gestellt. Anmrrk. d. Red. Richtigkeit eines wissenschaftlich technischen Versuche-, als bis er die Resultate nach Centnern abwägen kann. Wäre dieses Verfahren nur die Folge einer Vorsicht, die durch allzu häufiges Mißlingen von Versuchen geboten wäre, so könnte dasselbe nur sehr zweckmäßig ge kannt werden; allein Die- ist eS durchaus nicht, denn die deutschen Industriellen experimentiren eben sehr fetten, sondern es ist die Folge eines tief gewurzelten Mißtrauens in die Wissenschaft, das zu nächst in der Unbekannlschaft mit derselben seinen Grund findet. Fragen wir weiter, woher Dies komme, so finden wir die Antwort sofort, wenn wir betrachten, au« welchen Elementen der deutsche Fabrikantenstand besteht und welche seine Bildung-mittel waren. Wir haben in dieser Beziehung drei Klassen zu unterscheiden: Die erste besteht aus denen, die in der altherkömmlichen Weise bei irgend einem Kaufmann, Fabrikanten, sogenannten Künstler oder Handwerker die üblichen Lehrjahre und dann eine längere oder kürzere Servirzeit durchmachten, ohne weitere Bildungsmittel zu benutzen, al- die empirischen, welche das Geschäft unmittelbar liefert, endlich aber durch Geld, Erbschaft, Heirath oder einen glücklichen Zufall in den Besitz eines Fabrikgeschäftes gelangten. Mit diesen Herren ist, wenige ehrenvolle Ausnahmen abgerechnet, absolut nicht- an zufangen, wenn eS sich um Fortschritt der Industrie handelt; sie bleiben bei der hölzernen Empirie stehen, die ihnen ihr Werkmeister bei Uebernahme deS Geschäfte- eingelernt hat, sie sind daher die unbeholfensten Menschen, sobald irgend ein unvorgesehener Zufall den Schlendriangang ihres Geschäft- unterbricht, und Nicht- bleibt ihnen übrig, al- einen Engländer, Franzosen oder Belgier herbeizurufen, der das Ding wieder in- alte Gleis bringen muß; von ihren eigenen Leuten werden diese Herren nicht selten lyrannisirt, weil sie oft von ihnen übersehen werden, und sich selbst machen sie meist sehr lächerlich, sobald sie in den wissenschaftlichen Theil ihre- Geschäftes eingreifen wollen. Zum Beweise Dessen brauchen wir uns nur an die ewigen Streitigkeiten zu erinnern, die diese Herren mit ihren Druckern, Koloristen, chemischen Fabrikanten und Maschinisten haben ; daS Ende vom Liede ist meist, daß sie auSgelacht werden und Diese machen, wa- sie wollen. Die zweite Klasse der deutschen Fabrikanten sind diejenigen, welche außer der gewöhnlichen Lehr- und Servirzeit auch noch eine Handelslehranstalr oder Privatunterricht benutzten. Sie sind etwas besser, als die ersten, insofern sie etwas mehr wissenschaftliche Bildung haben, andrerseits aber auch noch weit unausstehlicher, insofern für die meisten kein anderer Maßstab in der Welt zu existiren scheint, als der nach Procenten ; was darnach nicht berechnet werden kann, hat keinen Werth für sie. Wer aber versteht, ihnen recht kolossale Vor theile vorzumalen, und dieselben genau nach Procenten berechnet, dem gelingt es sehr leicht, diese Herren, trotz ihrer vermeintlichen Klugheit, tüchtig hinter da- Licht zu führen. Zum Beweis Dessen dient die große Zahl Derer, die gelegentlich der Wollfabrikation und Spiritus destillation sich von schlauen Engländern und Franzosen düpiren ließen. Vielleicht liegt hierin ein Grund des Mißtrauens gegen alle wissenschaftliche Versuche und es piag Dies einigermaßen zu ihrer Entschuldigung gereichen. Die dritte Klasse endlich ist die beste, es sind diejenigen deutschen Fabrikanten, die außer den bereits erwähnten Bildungsmitteln auch die technischen Bildungsanstalten mit Vortheil benutzten, es ist diese aber die am wenigsten zahlreiche und bestehl meist aus jüngern Man nern. Unter ihnen befinden sich sehr Helle und strebsame Köpfe und die Mehrzahl der wenigen tüchtigen Industriellen, die allenfalls die Konkurrenz der ganzen Welt aushalten können. Auf der Mehrzahl aber gerade dieser bessern Klasse ruht der Fluch der halben Bildung und häufig machen diese viel schlechtere Geschäfte, als ihre Kollegen von der ersten und zweiten Klasse. Daran tragen sie selbst aber keine Schuld, diese liegt vielmehr in der Unzulänglichkeit der technischen Lehranstalten in Deutschland; das Lehr- und Schulziel selbst der besten Bildungsanstalten für Techniker fallt bei unS noch lange nicht mit dem derzeitigen Standpunkte unserer Industrie zusammen, viel weniger mit dem der englischen, französischen und belgischen. Es kann daher nicht anders kommen, als daß selbst Diejenigen, welche die höchsten Klassen dieser Anstalten durchliefen und die besten Zeugnisse erhielten, doch nicht befähigt sein können, selbstständig Etablissements einzurichten und zu leiten, die mit jenen ausländischen mit Erfolg konkurriren sollen. Dennoch ließen sich dazu schon viele so gebildete