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Liberalen am Sonntage um 9 Uhr wieder in den Saal. Der Abge ordnete Umlaufft (äußerste Linke, ehemalige rechte Hand Sedlitzky's! und gewesener unerträglicher Censor!) verlas eine von ihm verfaßte Adresse als Amendement zu der ersten, kräftig geschrieben, aber in keinen Vergleich mit der Violand's, hinsichtlich der Kürze sowohl, al- der Würde, zu stellen.. Borrosch unterstützte Violand. Umlaufft'- Adresse wurde mit entschiedener Majorität zur Lesung angenommen. Man machte einige unbedeutende Abänderungen, bis man zu dem Satze kam: Wir, die Vertreter deS freien Volkes, fordern die unge säumte Rückkehr Ew. Majestät, da wir den geliebten Monarchen nicht entbehren können rc. Auf dieses Wort schien denn das Centrum seine ganzen ohnmächtigen Anstrengungen koncentriren zu wollen. — Pillersdorf legte ein Amendement vor — eine bureaukratische Sauce ohne Substanz —; Borrosch selbst wollte: „Wir harren entgegen," — ein polnischer Deputirter eine „Bitte", mit Hinweisung auf den Umstand, daß das Ministerium im Falle der Nichtrückkehr abdanken wolle. Claudi: „Wir müssen an diesem Ministerium, welches unser Vertrauen genießt, auch halten, wenn der Kaiser nicht kommt. (Stürmischer Beifall.) Alle Amendements wurden verworfen — „fordern" blieb mit Z Majorität. Darauf ging- denn im raschen Schritte weiter und die Adresse mit den Schlußworten: „Wir be schwören Ew. Majestät, hören Sie nicht auf den Rath falscher Rath geber, hören Sie aufdie Stimmen freier Völker," wurde einstimmig an genommen. Schließlich kam noch ein merkwürdiger Akt vor. Borrosch meinte, da im Handbillet Sr. Majestät die Worte ständen, erst wenn der Reichstag seine Gesetze gegeben Haden werde, wolle der Kaiser zurückkehren, dieser Satz sich auch deuten ließe: „wenn die Gesetze konveniren werden." Daher trüge er darauf an, von vornherein gegen Sanktionsverweigerung aus dem Grunde, daß der Reichstag nicht frei berathen habe, zu protestiren. Löhrer schlug vor, es in dem Protokolle der Sitzung als historische- Aktenstück aufzunehmen, daß die Versammlung nur de-wegen den Präventivprotest in der Adresse nicht einlege, weil sie eine Sanktionsweigerung von Seiten deS Kaiser- für unmöglich halte. Und die Kammer nahm diesen Antrag an, sowie den, daß alle Deputirte die Adresse unterschreiben sollen. Gestern sind die Deputaten (darunter Borrosch, der Präsident Schmidt, der polnische Erzbischof Wie-wilew-ky) nach Jnspruck ohne Instruktion abgereist. Wieu, 2. August. Wegen Verweigerung eines Todtenge- läutes von einem Pfarrgeistlichen des Minoritenkloster- für einen armen Studenten (der akademischen Legion) fand diese Nacht vor diesem Kloster eine grandiöse Katzenmusik statt, welche leider zu Excessen, Fenstereinwerfen, Tätlichkeiten rc. ausartete; erst gegen 2 Uhr Morgens gelang es, die Menge auseinander zu bringen. Dieser Vorgang wurde im Reichstage zu einer reaktionären Inter pellation benutzt, aber die letztere mit Mißfallen zurückgewiesen. In den lombardischen von den Oesterreichern besetzten Städten herrscht Gährung im Volk und die Besatzungen müssen verstärkt werden; Erzherzog Johann reisst über Jnspruck, um der kaiserlichen Familie den guten Rath zu geben, der bis jetzt verschmäht wurde. Die Verhandlungen zwischen dem ungarischen Ministerium und Jellachich haben kein Resultat des Friedens geliefert. Ein Herr Pauli halt jetzt zahlreich besuchte Vortrage über den Deutsch- katholicismus. Pesth, 30. Juli. Das Ministerium (Kossuth) hat geäußert, wenn dec Kaiser nicht nach Ofen komme, so müsse der Erzherzog Franz Joseph erscheinen und als gekrönter junger König von Ungarn in Ofen residiren. Mailand, 27. Juli. Nur Wunder der Tapferkeit können den König und sein Heer retten. Der König zieht sich hinter den Oglio und 2 Divisionen sogar hinter die A d da zurück. Ob Die- in Folge derKonvention geschieht, weiß man nicht. Am 28. früh haben aber die Feindseligkeiten noch nicht begonnen. Die lombardischen Städten wessen übrigen- großartige Vorkehrungen, um den siegreich vorrückenden Marschall aufzuhalten. In Mailand und Brescia will man sich verbarrikadier«. Dersna, 28. Juli. Zuverlässige Nachrichten zufolge artete derRückzug der Piemontesen in eine so unbeschreiblich verwirrte Flucht au-, daß die Privatkaff« de- König- Karl Albert, enthaltend zwei Millionen Frank-, sowie sein silberne- Tafelservice und seine komplette Equipage in die Hände unserer siegreichen Truppen fiel. (?) — Eben eingehenden Nachrichten au- Verona zufolge sind die Ver schanzungen von Goito mit allen Kanonen der Piemontesen genommen. Neapel, 22. Juli. Die Macht des Geldes hat für die Pa- cifikation an der Calabrischen Küste am meisten gewirkt. Der König zieht bei Reggio seine ganze Macht zusammen, um auf Sizilien überzusehen und diese Insel sich wieder zu erobern. Feuilleton. A- Die demokratischen Beine, auf welchen die früher vortrefflich redigirte Berliner Zeituiigshatle jetzt einhergeht, scheinen vor der Zeit dem Grabe zuzuwandeln. Der Revakteur behandelt seine Mitarbeiter wie Standesherren und hält ihrem Verlangen nach dem klingenden Abbilde des König- seine Devise: „Alles für da- Volk!" entgegen, er fordert auch zu Sammlungen unv milden Parteigaben auf. ES ist DaS keineswegs als ein Beweis für die Schwache der vernünftigen demokratischen Partei hinzunehmen, denn nur vorzugsweise der linke Flügel der Demokraten wird in der ZeitungShallevertreten ; überhaupt aber ersehen wir daraus, wie sehr die politische Selbstständigkeit deS deutschen Volkes noch des sichern Lebenselements, der Ueberzeugung, der Charakterwahrheit und des Patriotismus entbehrt, wie sehr sich das politischeTreiben noch in äußerer Aufregung und in Phrasenfeuer verpufft; politische Parteien, welchen Gediegenheit, Ernst und innere Bedeutung inne wohnt, würden auch Kraft und Mittel genug zu sammenzubringen wissen , um ein Organ der TageSpreffe zu führen. Verantwortliche Redaktion: Professor Karl Biedermann. In dessen Stellvertretung: Professor vr. H. Schlett er. Eingesendetes. Zur Berichtigung. Geben uns die kurzgefaßten Berichte z. B. der Leipziger Zeitung über die Verhandlungen der Nationalversammlung täglich Veranlassung, uns von der Mangelhaftigkeit derselben bei einer Ver gleichung mit den stenographischen Niederschriften zu überzeugen, so kann eS den Unterzeichneten nicht verwundem, wenn eine von ihm in der Bersvmmlung des VaterlandSvereinS vom 23. Juli d. I. ge führte Debatte in Nr. 116 dieses Blatt,- in einer Weise «iedergege- ben worden ist, welche zu Reklamationen Veranlassung gegeben hat. Ich stellte gegen den Köchly'schen Vorschlag der Bildung von DolkS- gemeinden da- Bedenken auf: „daß dadurch da- Verein-recht in „eine officielle Verpflichtung umgewandelt werden dürfte, „welche auf dem Lande bei einer so kleinen Kopfzahl, al- vr. Köchly „vorgeschlagen, doppelt bedenklich sei, weil daselbst ein Rittergut-be- „sitzer oder Pachter, al- Arbeitgeber, leicht im Stande sei, die Stim- „men der von ihm materiell abhängigen kleinern Grundbesitzer und „Tagelöhner für seine Ansichten zu gewinnen. Ueberhaupr haben die „Vaterland-vereine der größer« Städte sich um di« ländlichen Ver hältnisse viel zu wenig bekümmert, welchen Vorwurf ich auch dem „Dre-dner Vereine machen müsse, indem ich e-diesem Umstande „Schuld gebe, daß sich ein in Ore-den- nächster Umgebung, dem Orte „Kreischa, welchen ich al- Gericht-direktor genau kenne, geblldeter „Vaterland-verein vor Kurzem aufgelöst hab,." Da nun der Berichterstatter den Zwischensatz, für welchen, nicht für da- Adhängigkeit-verhältniß, ich den Vorgang in Kreischa al- Beispiel aufgeführt, wahrscheinlich nur wegen der noth- wendigen Kürze derartiger Berichte Hinweggelaffen hat, so ist das Mißverstänbniß leicht erklärlich. Al- solche- hat e- auch nur der würdige Obmann de- aufgelösten Vereine-, vr. Theile, in sei ner sofortigen Berichtigung Nr. 118 diese-Blatte-, in weicherer in dieser Dorau-setzung meinen Namen nicht genannt, ausgenommen. Da ich nun an dem Tage, wo die nächstfolgende Verein-versammluug in Ore-den stattfand, den 29. Juli d. I., nicht daselbst, sondern in Kreischa anwesend war, glaubte ich, durch eine mündliche Bestätigung deS obwaltenden Mißverständnisse- de- Berichterstatter- an Herrn vr. Theile die Sache genügend aufgeklärt zu haben.