Volltext Seite (XML)
die Grundbedingung, daß eine Gesellschaft von lauter todten Gliedern, die nur den Namen führen, dazu gehörte, um die Schulej ohne weite re- dem Staate zu überlassen. Gegen die OrganisiWng des höhern Unterricht-, nam«ttltch auch in den Gymnasien und aiff dM.Univ^ntrrn, steht der Kkrchengesell- schaft als solcher allerdings «kein unmittelbarer Einfpruch'M. Mur dann, wenn eine solche Organisation z. B- die für das Des^kndniß der Religionsurkunden nöthige Vorbildung und Sprachkenntniß nicht mehr darbieten sollte, wird die Kirchengesellschaft baS Recht und die Pflicht haben, die Wahtfätzizkeit für ihr Lehramt noch von anderwei- ten Vorbildungen und Kenntnissen abhängig zu machen. Dagegen wenn z. B. die Ansicht, daß auch ohne der lateinischen Sprache bis zum Sprechen mächtig zu werden da« nöthige Eindringen in den Geist der klassischen Welt möglich sei, zur Herrschaft gelangen sollte, wird sie sich« al« Kirchengesellschaft gefallen lassen müssen, wenn auch die Sachkundigen ein solches Heimischwerden nicht begreiflich fänden. Die Volksschule dagegen darf die Kirchengesellschaft weder je aus den Augen verlieren, noch au« den Händen lassen. Hat man ja doch neuerlichst lesen müssen, daß die Kirche wohl thun werde, nachzugeben, damit die Schule ihrerseits nicht etwa auch die hei lige Schrift als BildungS- und Erziehungsmittel abweise! Die Schule scheint in Vielen ihrer Vertreter vergessen zu haben, daß sie eben nur eine Anstalt ist, während die Kirche zugleich als eine Ge sellschaft und Gemeinschaft dasteht! Vollkommen richtig und nut schlagender Kürze spricht sich die durch die sächsische Lehrerver- fammlung veranlaßte Bekanntmachung des hohen Ministeriums des Kultus so auS: „Die Kirche «st ein vom Staate verschiedener Organis- „muS, dem ein Anspruch auf Selbstgesetzgebung inwohnt; die Schule „dagegen ist eine Anstalt für den Staat, oderfürdieKirche, „oder für beide, und muß hiernach Gesetze empfangen, „nicht geben;" an welchen Ausspruch auch hier zu erinnern um so nothwendiger scheint, da z. B. ein jene Bekanntmachung belobender Artikel in der „deutschen Allg. Z." gerade diesen Theil übergehen zu dürfen oder zu müssen geglaubt hat. Die Volks- und Elementarschule ist aber eine „Anstalt für den Staat, erst dann, wenn die Kirche auf diese Anstalt der Bildung und Erziehung auS irgend welchen Gründen verzichtet; von Haus aus ist sie e'ne „Anstalt für die Kirche." Da jedoch gerade durch kirch liche Einseitigkeiten und vielleicht gar hierarchische Sonderinteresien die Staatszwecke um so mehr gefährdet werden können, je tiefer die religiöse Anschauung und Auffassung eingreifl: so kann sich hier der Staat allerdings in kettier Weise bloS passiv verhallen. ES muß demnach die Schule gerade um so mehr, je mehr Staat und Kirche von einander unabhängig werden, als Anstalt „für beide" auftre ten, und zwar al- die Haupt - und Grundanstalt, in welcher sich beide 'm ihren höchsten Interessen möglichst zu einigen haben. Jedenfalls wird derjenige Theil der „Schule", den die „Schullehrer" ausmachen, in einer freien volkSmäßig und volksthümlich organisirten und ver tretenen „Kirche" weder Knechtung zu befürchten haben, noch Herrschaft in Anspruch nehmen dürfen. So lange die Kirche ihre Verfassung und Vertretung erst noch in Aussicht hat, so lange ist es Pflicht der einzelnen Glie der, gegen ein entscheidendes Vorschreiten in der Schulfrage Ver wahrung einzulegen. Eine solche Verwahrung glaubte der Unter zeichnete um so weniger zurückhalten zu dürfen, je weniger ihn, der großep Wichtigkeit der Sache gegenüber, die etwaigen Lehrervortheile oder Pfarrerwünsche berühren können. Leipzig, am 3. August 1848. Professor vr. Theile. Verhandlungen der Stadtverordneten in Dresden. ' Am 2. Anguft 1848. * Die Stadtverordneten haben selten das Glück, Sachen von so allgemeinem Interesse zu behandeln, daß nicht bloS die Aufmerksamkeit der eigentUcken Bürgerschaft oder wenigstens der Steuern gebenden Ein wohnerschaft (wozu auch die Schutzverwandten zu gehören mit Stolz sich bewußt sind), sondern auch die de- Landes darauf gerichtet wäre. Solche seltene Verhandlungen sind dann wahre Erquickungsstationen für den eifrigen Besucher der Galerie, der aus der Vogelperspektive herab die Vertreter der Stadt auf ihrer mühevollen Wanderung begleitet. Gestern lag denn wieder einmal ein solcher Gegenstand unfern Stadt verordneten vor, nür meinen die BeratiMtzldber dre Wahl eines neuen dürgermetstrrö der Smdt- Nachdem der zu.dieser Stelle erkorene RegierunHsrath Schill dieses Amt auSg^chüWv halte, wofür wir ihm Nachträglich unfern herAcksteN Dank sagltn, halte der Stadtrath in seiner Mehrheit wiederum drei Kandidaten zur Vornahme der neuen Wahl präsentirt; die Minderheit desselben (Kielte und Hitzschold) hatte jedoch vorgeschlagen, von der Wahl eine- neuen Bürgermeisters für jetzt abzusehen und ein Provisorium eintreten zu lassen. Die Depu tation der Stadtverordneten hatte sich jedoch für den MajoritätS- antrag entschieden, mit Ausnahme des Kommissionsraths Schubert, dessen Separatvotum sich mehr dem der Minorität des Stadtrathe- anschloß. Die Gründe der Majorität der Deputation stützten sich hauptsächlich auf die Gründe, die gegen Provisorien überhaupt geltend gemacht werden können, und auf den Umstand, daß es nickt so leicht möglich werde, einen tüchtigen interimistischen Bürgermeister zu er langen. 1)r. Köchly eröffnete die Debatte, indem er in glänzender Rede gegen die Majorität der Deputation zu Felde zog. Wir lebten jetzt überhaupt in einem Provisorium, das erst mit der Einführung der reformirten Städteordnung sich endigen werde. Es sei eine totale Reform der Wahlart der Bürgermeister zu erwarten, damit die ganze Bürgerschaft daran Theil nehmen könne, man solle daher nicht nach den dem Geiste der Gegenwart widersprechenden Gesetzen wählen, ob gleich man dazu formell daS Recht habe, waren seine Hauptgründe. Ihm schloß sich Bromme an, mit der Abweichung, daß er, statt für Erbittung eines Regierungskommissars, für die Wahl eine« Vice bürgermeisters sich erklärte, während Blöde für das MinoritätS- qutachten geltend machte, daß eS Noth haben würde, einen tüchtiger? Bürgermeister zu bekommen, der den Augiasstall der städtischen Ver waltung ausrävkye, geschweigö^enn einen Vicebürgermeifier, der nach gethaner Arbeit die zweite Stelle einnehmen müsse. Redakteur Walther sprach gleichfalls für die Majorität. Die Debatte war eben im besten Gange, al« plötzlich auf den Schluß derselben an getragen und sie, ohne daß Jemand dagegen sprach, für beendigt erklärt wurde. Das Kollegium beschloß hierauf gegen 10 Stimmen, den Antrag der Majorität an- und zugleich nächsten Freitag die Bürger meisterwahl vorzunehmen. Wir können nicht läugnen, daß sowohl die Ansicht der Majorität wie die der Minorität Vieles gegen sich haben, daß aber gerade die liberale Partei der Stadtverordneten ein Provisorium für besser hielt, was ist daran Schuld, als die Lauheit der Bürgerschaft selbst. Wenn dieselbe in ihrer Mehrheit in groß artiger Petition sich für einen bestimmten Mann zum Bürgermeister amte geeinigt hätte, so hätte da« denselben moralischen Eindruck machen müssen, als wenn eine ordentliche Wahl vorgenommen worden wäre, der Erfolg wäre nicht zweifelhaft gewesen. Aber da die Bürger schaft nur zum kleinern Theile Ansichten über di, Bürgermeisterwahl laut werden ließ, so mußte gerade die liberale Partei der Stadt verordneten darüber in Verlegenheit gerathen, wie sie zum Besten ihrer indifferenten Bürgerschaft wirken solle. Wenn die Stadt verordneten einen der Bürgerschaft nicht genehmen Bürgermeister wählen, so hat die letztere eS sich lediglich selbst zuzuschreiben. Leipzig ist zwar mit gutem Beispiele vorangegangen, die Bürgerschaft sprach sich entschieden für Klinger auS, und obgleich er nicht unter den vom Stadtrathe Vorgeschlagenen war, so wurde er doch darunter aus genommen, weil eben der Stadtrath die Stimme der Bürgerschaft achtete. Allein wir glauben, schon deswegen haben die Dresdner eine solche Kundgebung ihres Willens unterlassen, weil eS sonst so auS- gesehen hätte, als wollten sie eS den Leipzigern nachmachen, und wenn sie jetzt einen Bürgermeister erhalten, der ihnen nachher nicht recht ist, so schadet Das Nichts, denn Dresdens Bürgerschaft hat dann doch seine Selbstständigkeit bewahrt und es nicht den „großbrodigea" Leipzigern nachgemacht. Der nächste Gegenstand war ein Antrag an den Stadtrath auf Errichtung eines GetreidemarktS und einer Getreidebörse in Dresden, den wir mit vieler Freude vernommen haben und der hoffentlich im Stadtrathe dieselben warmen Schützer finden wird, wie er ihn am Stadtverordneten Dindorf fand.