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Sonntag, N>. IM I8<«. Dieses Blatt erscheint täglich Abend« und ist durch alle Post, ankalten de« 3». und Auslande« zu beziehen. Dresdner Journal. drei« ft, da« Vierteljahr Thlr. Znsertio»«gebth» re» für den Nau» «i»er gespaliene» Zeil. » Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für da-Abends erscheinende Blatt werden bis l2 Uhr Mittags angenommen. Inhalt. Zur Frage über Freihandel und Schutzzölle. — Tagesgeschichre: Dresden: Sitzung der ersten Kammer; kirchlicher Verein; Kommunalgardenverein; Joseph Uhlascz; Requisitionen aus Gera. Gera: Exzesse. Schleiz: Unruhen. Berlin. Rendsburg. Eckernförde. Altona. Limburg. Frankfurt. Wien. Pesth. Aus Italien. Neapel. Paris. Irland. — Feuilleton.— GeschLftSkalrnder. — Ort«, kalender. — Angekommene Reifen de. Zur Frage über Freihandel und Schutzzölle. Mitten in der allgemeinen Bewegung und Umbildung, welche di« gesammten socialen Wissenschaften in beständigem Wechsel hält, ruht eine derselben in stolzer Sicherheit auf Grundlagen, welche ihr vor 70 — 80 Jahren durch einen großen Mann gegeben wurden. Dies ist die politische Oekonomie. Allerdings ist keine Todes stille unter ihren Kennern, auch hat eS selbst nicht an Angriffen auf das innerste Wesen der Lehre gefehlt, allein die Bemühungen der Erstem betrafen immer nur Nebenpunkte oder die immer schärfere Ausbildung und Spaltung einzelner Begriffe, und die einzelnen Um wälzung-Versuche sind zumeist an der Mauer deSaufAdamSmith's Grundlehren gebauten System- zerschellt. Insonderheit hat sich aber zwischen den Anhängern de- auf Smith - Lehre gegründeten Freihandel-system-und den Ver- theidigern de- demselben entgegengesetzten Prohibitivsystem-seit einer Reihe von Jahren in öffentlichen Blättern und Flugschriften «ine Polemik entsponnen, welche den von den Staaten de- großen deutschen Zollverein- vereinbarten gemeinschaftlichen Tarif zum Ge genstände hatte. Die Anhänger dieser beiden Systeme suchten sich de- Verein-tarif- zu bemeistern und ihn nach ihrer Ansicht zu gestal ten. Die speciellen Fragen über die Zuckerzölle, über die Besteu erung der englischen Baumwollentwiste, der fremden Leinen und deS englischen Eisen- können jedenfalls al- die wichtigsten genannt werden, welche seit dem Bestehen de- Zollverein- in den Bereich d»S Mei- nung-kampfe- gezogen wurden. Daß bei der geführten Polemik immer tiefe Einsicht in die Grundbedingungen einer wohlverstandenen VolkSwirthschaftSpflege entwickelt worden sei, mag wohl kaum behauptet werden, im Gegen« theil hat dieselbe die stärksten Belege dazu geliefert, wie wenig oft die einfachsten nationalökonomistischen Wahrheiten begriffen worden. Davon hier nur ein Beispiel. Die bedeutendste der bei Erörterung der Twistfrage jedem erhöheten Schutzzölle widersprechenden Streit schriften wußte keinen andern Grund für die im voraus behauptete gänzliche Unwirksamkeit einer Erhöhung des Zolle- anzugeben, al- daß die englischen Garne nicht von den fremden Producenten auf dem Verein-Markte au-geboten, sondern von den deutschen Bez,ehern bestellt und angeführt würden, und daher eine Zollerhöhung den Absatz der einheimischen Garne nicht zu befördern vermöge." Und diese merkwürdige Schlußfolgerung fand sich in einer Schrift, welche achtbare öffentliche Blätter al- eine lehrreiche bezeichneten. Au richtiger Beurtheilung solcher specieller, den Erwägungen der HandeSpolitik unterliegender Fragen gehört als unerläßliche- Be- dingniß die Kenntniß derjenigen Gesetze, welche im Gebiete der VolkSwirthschaft herrschen. Diese Gesetze müssen, gleich den Natur gesetzen, erforscht werden. Sind noch nicht alle ergründet oder auf einen korrekten Ausdruck gebracht, so sind doch die wichtigsten außer Zweifel gestellt. Anders verhält eS sich dagegen mit den Systemen, die man auf diese Gesetze baut und welche praktische Regeln für die Einwirkung der Staatsgewalt im Gebiet der VolkSwirthschaft ent halten und mehr oder weniger auf allgemeinen tatsächlichen Voraus setzungen beruhen, in deren Annahme die Willkür einen freiem Spielraum hat. Welchen Grundsatz man auch an di« Spitz« eines System- von Regeln für die Beförderung volk-wirthschaftticher Zwecke stellen mag, nie wird er in der Wirklichkeit eine durchgrei fende, unbedingte Anwendung finden können, sondern in Folge der Mannichfaltigkeit der socialen Zwecke, und anderer für deren Erstre- bung geltender Regeln, vielfache Beschränkungen und Modifikationen erleiden müssen. In dem Konflikte der verschiedenen gesellschaft lichen Zwecke und Interessen hängt Alle- von den Umständen ab, welche da- eine oder daS andere mehr oder weniger überwiegend er scheinen lassen, und die im wirklichen Leben auf die mcmnichfattigfle Weise sich gestalten können. Die unendliche Mannichfaltigkeit besonderer Umstände, aus welchen mehr oder weniger mit dem Principe der Freiheit kollidirende social« Interessen hervorgehen, läßt sich nicht erschöpfen, sie ist aber jedenfalls groß genug, um von allen großen Ländern annehmen zu können, was A. Smith von Großbritannien sagte, daß eS nämlich ebenso thöricht wäre, die Hoffnung auf gänzliche Herstellung der Handelsfreiheit in Großbritannien zu nähren, alS zu hoffen, daß jemals eine Oceana oder ein Utopien daraus werde. WaS auch zu Gunsten einer allgemeinen BerkehrSfreiheit gesagt werden mag, so wird man doch bei reiflicher Erwägung des Einflusses, den beschränkende Maßregeln deS Au-landes auf den eigenen, unbeschühlen Markt au-üben, da- Bedürfniß einer Korrek tion der abnormen Zustände anerkennen müssen, welche solche Störungen natürlicher Handelsverbindungen herbeiführen, und wozu insbesondere die zum Nachtheil deS ganzen gesellschaftlichen Organis mus verhinderte gleichförmige Entwickelung der beiden Hauptzweige der Produktion, de- Ackerbaues und der Manufakturindustrie, in de» jenen Einflüssen offen stehenden Ländern gehören. E- werden sich aber die Vortheile, welche Schutzzölle durch Anregung des Gewerb- fleiße-, durch ihren unmittelbaren Einfluß auf die Entwickelung in dustrieller Fähigkeiten, auf die Nachfrage nach Kapitalien und Arbeit, und durch die wohlthätig, Rückwirkung der wachsenden Manufaktur industrie auf die Lage des Ackerbaues gewähren, um so leichter weit überwiegend darstellen, je weniger naürrliche Hindernisse der weitem Entwickelung de- begünstigten Produktionszweige- entgegenstehen, je sicherer man erwarten darf, daß der Schutzzoll keine sehr erhebliche, oder auch nur eine vorübergehende Erhöhung der Preise de- davon ge troffenen Produkte- herbeiführe, und je engere Grenzen dem Einfluß einer solchen Preiserhöhung auf die Produktionskosten anderer Pro duktionszweige gestellt sind. E- kann zugegeben werden, daß die Nachtheile, welche sich überall an die Beschränkung der Handelsfreiheit knüpfen, der sorg fältigsten Abwägung gegen andere ihr entgegenstehende, sociale In-