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Dresdner Journal Diese« Blatt er,Leint täglich Abrnrs und ik Lurch alle Post, anüaltrn LrsJ». und Auslandes zu beziehen. Preis fiir h«s Vierteltoch» Thlr. Znsertionsgrdiih. re» filr de» Na»« einer gespaltene» Zeile » Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Nedigirt von Karl Biedermann. Anzeigen aller Art für daS Abend- erscheinende Blatt werden bi- IS Uhr Mittag- angenommen. Inhalt. Die Folgen des alten RrgierungSsystrms. — Lagesgeschichte: Dresden: Bürgrrmeisterwahl; 26. und 27. Sitzung der zweiten Kammerz Hauptversammlung des deutschen Vereins. Leipzig: Deutscher DaterlaadSverein. Lauter bei Schwarzenberg: Feuer. LuS dem Doigtlande: Vermischtes. Berlin. Breslau. Frankfurt. Wien. Pesth. Lombardei. Rom. Neapel. Paris. Warschau. Konstantinopel. — Feuilleton. — Geschäft Skalen der. — Ortökalender. — Lngekommene Reisende. Die Folgen des alten Regierungssystems, besonders aber die, welche dasselbe unmittelbar im Volke zurück gelassen hat, bilden ein- der stärksten Hindernisse einer gedeihe lichen Entwickelung unserer Zustände um so mehr, alS e- äußerst schwierig ist, dieselben zu bekämpfen und zu beseitigen. Zu nächst hat da- polizeiliche und administrative Bevormundungssystem eine Unbeholfenheit der Magistraturen und Gemeinde- räthe hinterlassen, die nicht selten in vollständige Rathlosigkeit auS- artet ; noch stärker äußert sich dieselbe, wenn die einzelnen Bürger ein mal genöthigt werden, sich an den öffentlichen Angelegenheiten zu be- theiligen; da- Anfragen bei der vorgesetzten Verwaltung-« oder Ju stizbehörde, da- Laufen zur Polizei, da- Hin- und Herrennen, Fragen und Ausammenstecken der Köpfe hat dann nicht gleich ein Ende und schließlich fängt man die Sache doch noch verkehrt an. Erinnern wir un- nur der vielfachen Zweifel, welche die Verordnungen, die Verstär, kung der Kommunalgarde betreffend, erregt und wie viel Noch den guten Leuten der Begriff der Selbstständigkeit und de- Tagelöhner gemacht haben, um sogleich einen schlagenden Bewei- dieser Unbehol fenheit zur Hand zu haben. Da- Ministerium de- Innern, die KreiS- direktionen und Amt-Hauptmannschaften können außerdem noch einige Dutzend solcher Beweise liefern. Weiter begegnen wir einer wahrhaft grauenhaften Unkenntniß und Mißverständnissen bezüglich der Rechte und Pflichten eine- Staat-bürger-; entweder knüpft man an die Re formen der neuen Zeit die excentrischsten sogenannten FreiheitSideen, die der absoluten Willkür so ähnlich sehen, wie ein Ei dem andern, oder man glaubt, daß die Sache noch immer dieselbe sei, nur eine an dere Form bekommen habe. Interessant ist da- Argument, mit dem »an die letztere Ansicht zu beweisen glaubt, es heißt einfach: „wir müssen jetzt ebenso viel geben, al- früher, und noch mehr"; damit glaubt man den Nage! auf den Kopf getroffen zu haben, während weiter Nicht- damit bewiesen ist, al- daß die so Sprechenden noch zu dumm find, um ein andere- Interesse, al- da- de- Geben- und Nehmen würdigen zu können. E- ist Da- aber gar nicht zu verwundern, denn von aktiven Rechten der Staat-bürger war unter dem alten Regierungs systeme sehr selten und fast immer nur zum Schein die Rede und in passiver Hinsicht galt für Recht und Pflicht ihrerseits, wa- im Gesetz- und Verordnunz-blatte stand, oder vom Amte befohlen wmde, gleich viel ob man Da- verstand oder nicht, gab und giebt e- doch zur Aus legung Advokaten. Wahrhaft fabelhafte Leichtgläubigkeit und leichte Verführbarkeit der untern Volksklaffen gehört ebenfalls zu den Folgen der alten Wirtschaft, insofern ihnen bei der Masse von umlaufenden Nachrichten und Gerüchten jeder Maßstab für da- Wahrscheinliche, selbst für da- Mögliche abgeht. Dieser Zustand wird von den ver schiedenen Parteien nicht immer in einem Ginne benutzt, der der all gemeinen Wohlfahrt förderlich ist, namentlich haben Kommunisten und unbedingte Republikaner ihn zur Werbung eine- nicht unbedeutenden Anhanges zu benutzen verstanden, indem sie die Republik theil- st einen Zustand schildern, mit dem eine vollkommene Gleichmacherei auch in Bezug auf Geld und Gut stattfinde, theil- al- eine Verfassung, die äußerst wohlfeil sei, weil der Staat gar keine Abgaben von feinen Angehörigen verlange, sondern womöglich noch Etwa- herau-gebe. Wo Da- Herkommen soll, oder ob ein Staat bestehen kann, nenn gar Nicht- gegeben wird, darum bekümmert man sich nicht. Mißverständ- niß und falsche Beurtheilung auch der wohlthätigsten Einrichtungen ist jetzt die Folge davon, daß man bezüglich der Wirksamkeit der Re gierung, oder irgend einer Behörde, keine öffentliche Kritik zuließ. Wie viel Widerspruch hat z. B. die Volksbewaffnung gefunden; nun sie zur Ausführung gekommen ist, wie mangelhaft wird sie au-geführt und wie sucht man sich derselben auf alle Weise zu entziehen. Welche Mißdeutungen hat die Einkommensteuer erfahren, seit »an angefan gen, sie einzuführen; und dennoch hat der Ruf nach Verminderung de- stehenden Heere-, nach volk-thümlicher LandeSvertheidigung, nach Verminderung, gleichmäßiger und gerechter Bertheilung der Staat-- lasten in allen Winkeln de- Lande- lauten Widerhall gefunden. Mr haben für diesen Widerspruch keine andere Erklärung, al- da- Wort: Unmündigkeit. Die vielfachen, nicht unbeträchtlichen Schwierigkei ten, welche der Regierung bei ihren Reformbestrebungen hieran- er wachsen, werden vermehrt durch einen passiven, weniger aktiven Wi derstand, den fast jede ihrer Maßregeln, deren Motive nicht ganz offen daliegen, im Volk, findet, und dieser wieder hat feinen Stützpunkt in den vielen stabilen, wo nicht reaktionären Elementen, die vom alten Systeme übrig und im Amte geblieben sind. Nur die Reformen, de ren sich da- Volk nach der officiellen Kundmachung unmittelbar be mächtigen konnte, wi, Preßfreiheit, Versammlung-- und Verein-recht, sind bi- jetzt bis zum Volke gedrungen. Von eigentlich administra tiv geschäftlichen Reformen hat man bi- jetzt im Volke noch gae Nicht wahrgenommen, obgleich mit Bestimmtheit angenommen werden muß, daß dieselben schon der Konsequenz wegen von oben her angeordnet sind. Man ist ziemlich allgemein im Volke der Anficht, daß diese Re formen unterwegs sitzen geblieben sind, und sehr geneigt, diese- Sitzen bleiben mit dem Sitzenbleiben der alten Sektion-chef- in den Mini sterien in Verbindung zu bringen; e- hat Die- schon vielfache Miß stimmung erzeugt. Da- alte System hat da- Volk sehr mißtrauisch und in mancher Beziehung witzig gemacht. Mag daran indeß so viel oder wenig sein, al- e- will, in jedem Falle ist e< eine arge Illusion, wenn man der Meinung ist, daß Männer, die unter dem alten Re gierungssystem alt und grau geworden sind, dem neuen System wahr haft ergeben sein und dasselbe so untnstützen werden, wie e- der Fall sein würde, wenn e- mit ihren Ansichten im Einklänge stände; e- kommt dazu, daß die wie vom Himmel auf die Ministerbank gefalle nen bürgerlichen Chef- der einzelnen Ministerien bei vielen ihrer Unter- gebenen sich eine- befondern Wohlwollen- nicht erfreue« dürften; in einigen hochtorvstischen Kreisen der Residenz spricht sich DaS sehr un-