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Dies«« Blatt erscheint täglich Abend« und ist durch alle Poft, ««kalten de« 3«. »nd Antlandr« zu beziehen. Preis fftr »«« Dierteljahe Dresdner Journal, ZM Zeil. I, Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. . Redigirt von Karl Biedermann. Anhalt. Karl Biedermann: Erster Bericht an meine Wähler.— Zur Arbeiterfrage. — Tagesgeschichtr: Dresden- Seckst. Sinun« H'uptv-rsammlung des BatkrlandSvercins. Leipzig: Deutscher Verein. Berlin. Posen. Hamburg. Alto^Schttswia Srankft-rt. Marburg. Wien. Pesth. Mailand. Bern. Paris. Vom französischen Oberrhein. London. Stockham - Geschäftskalender. —OrtSkalender.—Angekommrne Reifende. - ^ocryo.m. Erster Bericht an meine Wühler. Werthe Mitbürger und Wähler! Ein Monat ist beinahe verflossen, seit ich, mit Ihrer Vollmacht ausgerüstet und von Ihren Segenswünschen begleitet, mich wieder nach Frankfurt begab, um als einer der Au-erwählten des Volks an dem großen Bau deutscher Einheit und Freiheit mitzuarbeiten. Seit dem ist nun die konstituirende Nazionalversammlung eröffnet worden und hat bereit- mehr al- zwei volle Wochen ihrer Wirksamkeit hinter sich. Zweifelsohne haben Sie bereit- in öffentlichen Blättern so Man» cheS über die bisherigen Verhandlungen der Versammlung gelesen; indessen wird e- Ihnen nicht unlieb sein, Genauere- darüber zu ver nehmen, namentlich aber zu hören, welche Stellung Ihr Vertreter im Schooße dieser Versammlung einnimmt, welche Thätigkeit er ent wickelt. Ich mache eS mir zur angenehmen Pflicht, in dieser Hin sicht Ihnen ausführliche Rechenschaft abzulegen, und werde deshalb Von Zeit zu Zeit durch diejenigen Organe der Presse, von denen ich glaube, daß sie am meisten in Ihre Hände gelangen, Ihnen Berichte über Stand und Fortgang unserer parlamentarischen Verhandlungen rrstatten. Vielleicht haben Sie sich gewundert, daß wir in den ersten vier zehn Tagen unser- Beisammenseins so wenig zu Stande gebracht und so viel Zeit mit Formfragen oder bloßen Vorbereitungen verbraucht daben. Aber Da- geht nun einmal nicht ander-. Diese geschäft lichen Formen sind zwar nur ein Mittel zum Zweck, aber um rasch und sicher zum Zweck zu kommen, muß man sich über da- Mittel verstän digen und Alle- dergestalt feststellen, daß dann die Hauptsache selbst, die Verhandlung der eigentlichen Lebensfragen um so leichter und un gestörter ihren Gang gehen kann. UebrigenS wird man unS den Vor wurf nicht machen können, daß wir muthwillig mit solchen Formfra gen die Zeit vergeudet hätten; denn wir haben unter Anderm die Ge schäftsordnung ohne Debatte gleich im Ganzen angenommen, um keine Zeit damit zu verlieren. Daß einzelne Redner ihrem Drange zu reden bisher oft allzu sehr den Zügel schießen ließen und dadurch manche Verhandlung, die in wenigen Minuten hätte abgemacht sein können, in die Länge zogen, ist freilich wahr—Da- ergeht aber jeder großen Versammlung so, wie Die- da» Beispiel der französischen Na tionalversammlung beweist. Ich meine-theil- weiß mich von der Mitschuld diese» Zuviel- Veden- frei, und wmn Sie, geehrte Wähler, die stenografischen Be richte unserer Verhandlungen lesen, so werden Sie mich schwerlich un ter Denen finden, die zu häufig und ohne Roth da- Wort ergriffen haben. Vielmehr habe ich mir e- zum Gesetz gemacht, mich in die Debatte nur dann zu mischen, wenn ich der Sache wirklich nützen, wenn ich zur Aufklärung und Förderung der verhandelten Frage Etwa- beitragen zu können glaube. Zwei Gegenstände von Wichtigkeit haben bisher ihre Erledigung durch unsere Verhandlungen gefunden. Der eine ist die M a in zer Angelegenheit, der andere der Raveaux'sche Antrag wegen de- Ver hältnisses der konstituirenden Nazionalversammlung zu den konstitui- renden Versammlungen einzelner deutscher Staaten. Bei der Mainzer Frage war ich Mitglied der Kommission, wel cher die Berichterstattung darüber aufgetragen wurde. Diese Kom mission spaltete sich in zwei Theile, eine Mehrheit und eine Minder heit. Die Mehrheit machte Vorschläge zur Beendigung de- gespann ten und gereizten Verhältnisse- zwischen der Mainzer Bevölkerung und einem Theile der dortigen Garnison — insbesondere beantragte sie einen theilweisen Garnisonwechsel. Sie ging dabei keineswegs von einer Parteinahme gegen daS Militär oder für die Einwohnerschaft von Mainz au-, vielmehr erklärte sie in ihrem Berichte ausdrücklich, daß die Schuld auf beiden Seiten ungefähr gleich groß sei — aber sie glaubte, daß Etwas geschehen müsse, um weitern Reibungen vorzu beugen, und'sah daS einzige wirksame Mittel dazu in einer Trennung der einzelnen Theile, also in einem Garnisonwechsel (der seitdem von der Garnison selbst erbeten worden ist). Die Minderheit war der An sicht, daß die ganze Angelegenheit al- eine Verwaltungssache gar nicht in den GeschäftSkreis der konstituirenden Versammlung gehöre, daß diese sich lediglich mit dem Zustandebringen deS VerfassungSwerkeS zu beschäftigen habe und sich darin durch nicht- Andere- stören lassen dürfe, daß die Vorschläge der Mehrheit bedenklich wären, weil sie den militärischen Geist verletzten rc. — kurz, sie empfahl der Versamm lung: zur Tagesordnung überzugehen, d. h. die Sache auf sich be ruhen zu lassen. Ich gehörte der Mehrheit der Kommission an und habe die An sichten derselben in der Kommissionssitzung nach Kräften vertheidigt. In der Versammlung selbst kam ich nicht zum Wort, da eine groß« Anzahl von Mitgliedern (insbesondere die sogenannte „Rechte"), welche die Sache als reine Parteisache behandelten und theil» au- Feind schaft gegen die Radikalen, von welchen dieselbe zuerst angeregt wor den war, theil- vom Standpunkte der sogenannten „militärischen Ehre" au- von vornherein dagegen eingenommen waren, mit so fana tischer Heftigkeit zur Abstimmung trieben, daß nicht einmal die Mit glieder der Deputazion, welche au- eigner Anschauung über die Main zer Vorgänge berichten wollten, gehört wurden, ja nicht einmal der Antragsteller und der Berichterstatter zum Schluffe noch da- Wort erhielten. Gegen diese- höchst unparlamentarische und den klaren Vor schriften der Geschäftsordnung zuwiderlaufende Verfahren habe ich zuerst schriftlich zu Protokoll Protest eingelegt, sodann, al- am andern Tage die Sache wieder zur Sprache kam, nochmal- mündlich mich al» gegen eine Tirannei der Majorität über die Minorität nachdrücklich ausgesprochen. ES hat Da- wenigsten- so viel geholfen, daß seitdem diese Seite der Versammlung sich ruhiger und mäßiger beträgt. Da nun auch die äußerste Linke, welche in den ersten Tagen sehr stürmisch auftrat und die Geschäftsordnung ebenso wenig achtete, neuerding» sich mehr mäßigt, so haben die Verhandlungen im Ganzen einen ruhigern und gemeffenern Eharakter erhalten. Die Abstimmung in der Mainzer Angelegenheit fiel sehr gegen meinen und meiner Gesinnung-genossen Wunsch au». Die Ansicht