Volltext Seite (XML)
Diese« Blatt erscheint täglich Abend« und ist »nrch alle Post, «ustalte« de« 3«- und Aullande« zu beziehen. Dresdner Journal, Preis für da« SZierteljahe r-lr. 3»sertio««gebäh» re» für den Na» einer gespaltene» Zeil« I, Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redtgirt von Karl Biedermann. Inhalt. Rückblick auf die letzten Berliner Ereignisse. — T agetgefchichte: Dresden: Kirchliche Feier auf den Zusammentritt der deut schen Razionalversammlung zu Frankfurt; Kriegsminister v. Oppell. Leipzig: Deutscher Verein; Kriegsflotte; Antrag gegen Erbkaiserthum; deutscher VaterlandSvrrein. Chemnitz: BolkSdrmonstrazion zu Ehren Bernhard Lisenstuck'-. Au-Altenberg: Anliegen und Wünsche der Bergar beiter. Berlin. PosenchVon der preußisch-russischen Grenze. Hannover. Schleswig-Holstein. Frankfurt. München. Darmstadt. Wien. Prag. Paris. Mailand. Venedig.—Feuilleton. — Eingefendrtes. — Geschäftskalender. — OrtSkalender. — Angekom- mene Reisende. Rückblick auf die letzten Berliner Ereignisse. Das Ministerium Camphausen hat eine moralische Nieder lage erlitten, hat durch eine rückgängige Schwankung sein Leben bis zur Eröffnung des preußischen Parlaments gestiftet, Berlin ist ruhig. Ich schrieb Ihnen zuletzt über die Demonstrazion, welche am Sonntag, den 14., Nachmittags von einer großen Volksversamm lung gegen das Ministerium, bezüglich der Rückkehr des Prinzen von Preußen, gemacht wurde, und daß die Minister v. Schwe rin und v. Auerswald erklärten, sie könnten in Abwesenheit des Premiers Camphausen kein Ultimatum auf die Vorstel lungen der Volksdeputazion abgeben; aber eS sollte ein solches Lags darauf, den 15., bis 4 Uhr der Deputazion zugestellt wer- den. Darauf ermahnte der Sprecher der Deputazion, Herr Held, die versammelten Volksschaaren zum ruhigen Auseinander gehen. Es erschien nun am 15. Mittags ein Ultimatum des Mini steriums als Maueranschlag, worin gesagt wurde, der Prinz von Preußen könne früh estens in 14 Tagen, „also jedenfalls nach „der auf den 22. unwiderruflich festgesetzten Eröffnung der Ver sammlung der Volksvertreter, in das Vaterland zurückkeh- „ren." Man merke wohl: es ist also 1) die Möglichkeit gege ben, in der Kammer über die Rückkehr des Prinzen zu debattiren und zu beschließen, und 2) Berlin's Antipathie gegen den Prinzen respektirt, denn die Minister sagen, er wird frühestens in 14 Ta gen ins „Vaterland" zurückkehren; ob nach Berlin, wird zweifelhaft gelassen. Zuerst sollte der Prinz unverweilt nach Berlin und zur Eröffnung der Nazionalversammlung kommen; jetzt geben ihm die Minister plötzlich Frist, und von einer direkten Rückkehr nach Berlin ist nicht die Rede. Ferner heißt es in der letztwilligen Erklärung des Ministe riums vom 15.: „Vorher wird der Prinz — wie es nie „anders die Absicht war — seine volle Zustimmung zu der betre tenen neuen konstituzionellen Bahn öffentlich kund geben." Da ist also ziemlich deutlich zwischen den Zeilen zu lesen: „Ehe der Prinz nach Berlin kommt, wird er den Eid auf die „Konstituzion leisten." So wurde denn auch dieser Passus in der am 15. abgehal tenen Volksversammlung, wo das Ultimatum der Minister vor gelesen wurde, allgemein aufgefaßt und beschlossen, sich mit dieser Erklärung zufrieden zu erklären. Fragt man nun nach den Mo tiven jener übereilten, unpopulären Maßregel des Ministeriums, so ist es schwer, darauf eine bestimmte Antwort zu finden. Aus Potsdam wird uns berichtet: die Prinzeß von Preußen, welche seit der Missionsreise (??) des Prinzen in Trauer geht, habe den König so lange mit Bitten und Lhränen bestürmt, bis er, der König, von den Ministern die Rückberufung des Prinzen verlangt habe. Wenn DaS Wahrheit, so müßte man die Mi nister nicht nur einer Schwäche, sondern auch einer ftaatsökono- mischen Beschränktheit wegen anklagen. Das Ministerium mußte den Willen des Volkes und die leidenschaftliche Antipathie desselben gegen den Prinzen von Preußen besser kennen und achten. Man desavouirte Seiten des Ministeriums das blutige Mani fest und die heroischen Opfer des 18. und 19. März, indem man aufs neue die abgeschmackte Fabel von einer „Sendung des Prin zen nach London" auftischte und die Revoluzion in ein zufälliges, unglückliches Ereigniß zu vertuschen suchte, das keiner Erwähnung Werth. Man schlug dem Gefühle des Volks ins Angesicht, was Wunder, daß es sich beleidigt fühlte und Genugthuung verlangte. Die edle Mäßigung, welche das Volk, wie in jener Nacht deS Kampfes, so jetzt in seinen Demonstrazionen gegen die Beschluß- nahme des Ministeriums an den Tag legte, möge die Herren be lehren, daß bas Volk ein politisches Bewußtsein hak, seine Rechte kennt und abzuwägen weiß. Hätte das Ministerium die Stimmung des Volks, in Bezug auf den Prinzen von Preußen, besser gekannt, so hätte es sich zwei Fragen vorlegen müssen: 1) Ist Gefahr für die Ruhe der Hauptstadt und des ganzen Landes vorhanden, wenn der Prinz jetzt, bevor er den Eid auf die Konstituzion geleistet, zurückkehrt? 2) Ist Gefahr vorhanden, wenn er nach eidlicher Anerkennung der Konstituzion zurückkehrt? Die erste Frage hätte auch die geringste Urteilskraft sofort mit„Ja!" beantworten müssen, während das verantwortliche Mini sterium drei Tage und ein halbes Dutzend Demonstrazionen wahr hafter Monjke-Meetings brauchte, um das Gefährliche einer jetztweiligen Rückkehr des Prinzen einzusehen. Denn eS war nur zu sehr und zu sicher anzunehmen, daß sich das Volkvon Ber lin dem Einzug des Prinzen in die Hauptstadt mit Gewalt ent. gcgensetzen würds, ja, -aß den Prinzen persönlich auf den Srra-