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Dresdner Journal Redigirt von Karl Biedermann. Diese, Blatt erscheine täglich Adrnd, und iü »urch all« Post» anstalten de, 3». und Slullande, zu beziehen. Preis für da. Viertel) ah, r-lr. Znserttvnsgedüh» ree» für den Rau» einer qesxaltene» Seile I» Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Inhalt. Dir Kragt wegen des verfassunggebenden preußischen Reichstags in der Nazionalversammlung. — TageSgeschichre: Dresden: Dritte Sitzung der zweiten Kammer. Leipzig: DaterlandSvrrein; Militärangelrgenhttt; KadettenhauS; Oeffentlichtrit der Gemeinderaths sitzungen; Prtizion für Abschaffung der ersten Kammer; Wollausfuhrverbot; Versammlung brodloS gewordener Arbeiter. Berlin. Posen. Rends burg. Frankfurt. Mainz. Stuttgart. Wien. Prag. Pesth. Pari«. Aus dem Elsaß. Turin. Stockholm. — Kunst und Literatur: Hof theater: „Robert der Teufel." — Feuilleton. — Geschäftökalender. — Ortökalen der. — Angekommene Reisende. Die Krage wegen des verfassunggebenden preu ßischen Reichstags in der Razionalversammlung. Während die Abheilungen die Wahlvollmachten prüfen und der Ausschuß zur Bearbeitung einer definitiven Geschäftsordnung seine Arbeiten begonnen hat, fehlt es der Nazionalversammlung eigentlich noch an Stoff zu Verhandlungen. Doch ward ihr ein solcher gegeben durch eine von Raveaur und andern preußischen Abgeordneten angeregte Zwischenfrage wegen Zusammentreffens des verfassunggebenden Reichstags in Preußen mit der für ganz Deutschland verfassunggebenden Nazionalversammlung. Der Antrag, wie Raveaur ihn stellte, lautete zwar anfänglich nur so: die Nazionalversammlung wolle erklären, daß Denjenigen, welche gleichzeitig für Frankfurt und Berlin gewählt worden wären, frei stehen müsse, beide Sendungen anzunehmen. Allein die Ab sicht des Antragstellers und seiner politischen Freunde ging schon da augenscheinlich weiter, nämlich auf eine Ungiltigkeitserklärung der Verfassungsverhandlungen in Preußen überhaupt bis zur Be endigung deS deutschen Verfassungswerkes. Als dieser Antrag zuerst, am Freitage, zur Sprache kam, er hoben sich Bedenken, ob die Versammlung vor vollendeter Prü fung der Legitimazionen befugt sei, auf eine Beschlußfassung dar- irber einzugehen. Auf die Bemerkung des Antragstellers, daß es sich ja eigentlich n> r um einen Rath handle, den die Ver sammlung den preußis^cn Abgeordneten hinsichtlich dessen, was sie bei der Kollision zweier Pflichten zu thun hätten, und daß man doch wenigstens Dieselben mit ihren Bedenken und Meinungen darüber hören möge, ward beschlossen, zu diesem B Hufe eine Sitzung für den Montag anzuberaumen. In dieser Sitzung wiederholte Raveaur seinen Antrag, diesmal aber mit der aus gesprochenen Hinweisung darauf, daß die Versammlung den Zusammentritt des verfassunggebenden preußischen Reichstags vor Vollendung ihres eigenen Verfassungswerkes nicht zulassen dürfe. Bereits war auch eine Menge von Amendements schrift lich eingereicht worden, welche theils dasselbe bezweckten, rheils wenigstens Verwahrungen, Vorbehalte oder sonstige Erklärungen deS Inhalts enthielten: daß die preußische Verfassung, wenn sie auch jetzt berathen werden solle, doch jedenfalls später mit der deutschen Reichsverfaffung in Einklang gebracht werden müsse. Dadurch war nun der Stand der Frage allerdings wesentlich ver ändert: es handelte sich nicht mehr um ein „Anhören^ der preu ßischen Deputaten, oder um ein „Rathgeben", sondern um einen Beschluß der ernstesten, tiefeinschneidendsten Art, um die Entschei dung einer großen Prinzipienfrage, um die Feststellung des Ver. hältnisses zwischen der Nazionalversammlung und den einzelnen Ständeversammlungen, zwischen der zukünftigen allgemeinen Reichsverfassung und den Verfassungen der einzelnen Länder. Was man hier gegenüber von Preußen erklären wollte, Das mußte man folgerrchterweise ebenso gegenüber von Oesterreich erklären, wo gleichfalls ein verfassunggebender Reichstag bevorsteht; ja man mußte es hier um so dringender und um so entschiedener, je mehr dieser österreichische Reichstag, der zu zwei Drittheilen aus sla- vischen, nicht deutschen Elementen bestehen wird, dem Einver- standniß Oesterreichs mit Deutschland, der Anbequemung des Er ster» an die allgemeinen BerfassungSzustände des Letztem noch in ganz anderer Weise hinderlich zu sein droht, als der, wenigstens aus rein deutschen Bestandtheilen zusammengesetzte preußische. Gewiß war es daher sehr gerechtfertigt, wenn der Antrag ge- stellt und von vielen Seiten unterstützt ward: man möge diese Sache, gemäß den Vorschriften der Geschäftsordnung, zuvor an einen Ausschuß zur Begutachtung und Berichterstattung ver weisen. Die Linke schien darin die Absicht einer Verschleppung zu sehen, und opponirte heftig; dennoch ging der Antrag durch. Auch die sofortige Beralhung über den ursprünglichen Raveaur sehen Antrag ward von der Mehrheit verworfen. Somit wird die Frage erst in einigen Tagen wieder zur Berathung und dann hoffentlich zur Beschlußfassung kommen. Wie diese ausfallen werde, ist noch nicht mit Sicherheit zu bestimmen; doch fürchte ich fast, die allzu ängstliche Rücksichtnahme auf Vermeidung jedes Konflikts mir den Einzelstaaten werde den Sieg davon tragen und eine energische Aussprache der Versammlung, wie sie nach meiner Ansicht durchaus nothwendig wäre, verhindern. Freilich wäre es besser gewesen, wenn dieser ganze Konflikt vermieden wor den wäre, und man es der Zukunft ruhig hätte überlassen können, daS Verhältniß zwischen den Einzelverfassungen und der ReichS- verfassung zu ordnen, was gewiß auch dann in der Praxis gar nicht so schwer geworden sein würde. Jetzt ist aber einmal die Prinzipfrage angeregt, und nun muß die Versammlung, um nicht ihre Würde zu vergeben und eine gefährliche Schwäche zu zeigen, scharf und klar dieselbe zur Entscheidung bringen. Ein Rück gängigmachen des Zusammentritts ter preußischen Ständever- sammlung wird zwar nicht wohl möglich sein, da allen Anzeichen