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Freitag, 12. Mai 184K Diese» Blatt erscheint täglich Abend« und ist durch» alle Post, «nstaltrn de« In. »nd Au«lande« zu beziehen. Dresdner Journal, Prei« filr da« Vierteljahr IN r-lr. 3nsertion«grbüh. ren für den Ran» einer gespaltene» Zeil« I, Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redtgtrt von Karl Biedermann. Inhalt. Die Stellung der Parteien in Dresden — deren Einigung. — TageSgeschichtr: Dresden: Die Armeebedürfnisse des kdnigl. sächs. Kontingents; Ständchen für Wigard und Klette. Leipzig: Deutscher Vatrrlandsvrrein. Chemnitz: Vorsichtsmaßregeln; Versammlung der Fabrikanten; die Wahlen für Frankfurt. Berlin. Posen. Don der Weichsel. Düsseldorf. Hamburg. Ulderup. Luxemburg. Frankfurt. Karlsruhe. Wien. Basel. Paris. Lombardei. Rom. England. London. Irland. New-Vock. — Kunst und Literatur: Deutsches Reich — deutscher Bund — deutsches Parlament. Kein GlaubenSbekenntniß, sondern eine geschichtlich begründete Darlegung. — Feuilleton. — EingesendeteS. — Geschäftskalender. — Ortskalender. — Angekommene Reisende. Die Stellung der Parteien in Dresden — deren Einigung. So offenkundig Dresdens Spaltung, so bekannt und fühlbar einem Jeden das Dasein hauptsächlich zweier Parteien ist, so falsch und wenigsten- unklar find noch immer der Meisten Begriffe über daS Wesen und den Zweck derselben. Es scheinen daher einige verständigende Worte hierüber sehr au der Zeit. Die eine der beiden Parteien stellt al- ersten und obersten Grundsatz auf: „Der verfassungsmäßig aus gesprochene Will? des Volkes ist daS höchste Gesetz"; sie verlangt,daß einzig und allein dieser in den einzelnen Staaten für die Regierungs grundsätze maßgebend sei, und daß auch im gesammten Deutschland die Fürsten ihrer Einzelnsouveränetätsrechte zum Besten der gesamm- len Nazion, und de- dieser künftig vorstehenden Oberhauptes mit sei nem verantwortlichen Ministerium sich begeben. Der Mittelpunkt dieser Partei ist unstreitig der Vaterlandsverein, sie umfaßt aber außer Denen, die bloS Glieder dieses sind, auch alle Diejenigen, welche sowohl ihm, al- auch dem deutschen Vereine angehören, ja überdies auch so Manche, die, wie der Unterzeichnete, bi- jetzt nur Mitglieder des Letz tem sind, aber nur in obigem Sinne dessen Programm unterschrieben haben. Die Führer dieser Partei sind die Männer, die schon seit Jah ren unter dem alten Regierungssistem dessen entschiedene Gegner und die Vorkämpfer der Freiheit waren, deren Namen schon längst im Turnverein, Gimnasialverein, Stadtverordnetensaale sich einen popu lären Klang erworben hatten. Nur zu oft pflegt man diese gesammte Partei von der Seite der Gegner aus als die republikanische zu ver ketzern, aber mit Unrecht. ES ist gewiß, daß sich in ihr eine vielleicht nicht geringe Anzahl findet, welche ganz offen oder versteckt die repu- dlikanische Regierungsform anstrebt und. nur in ihr ein Heil sieht; aber die ungeheure Mehrzahl dieser Partei hat jetzt Nicht- von diesen Gelüsten, sie hält die Frage der Regierungsform nur für die zweit wichtigste und will ernstlich und wahrhaft „die konstituzionelle Monar chie auf demokratischer Grundlage." Nur getäuschte Hoffnung in Bezug auf diese Form könnte Alle zur Republik führen. Suchen wir nach einem Namen für diese Partei in ihrer Gesammtheit, so kömmt ihr der „der VolkSsouveränetätspartei" zu. Ihre Stärke beruht nicht nur in ihrer Zahl allein, sondern auch hauptsächlich darin, daß sie wirklich wriß, «aS sie will, daß Alle einen bestimmten Zweck vor Au gen haben, denn selbst die meisten Republikaner in ihr betrachten die konstituzionelle Monarchie für ihr nächstes Ziel und für den Durch gangspunkt zu Erfüllung ihrer weitern Wünsche. Die andere große Partei stellt die Frage nach der Regierungs form in den allerersten Rang; nur Monarchie! um Alle- in der Welt nur keine Republik! ist ihr Feldgeschrei. Diese Partei, haupt sächlich geschaart in und um den deutschen Verein, ist nur einig in Dem, wa- sie nicht will, sehr gespalten aber in Dem, was sie eigentlich will. DaS Schlagwort für sie ist zwar auch die berühmte: „konsti tuzionelle Monarchie auf breitester demokratischer Grundlage," aber die Au-legung desselben höchst verschieden. Sle umfaßt ersten- wahr haft Liberale, die aber die republikanische Regierungsform für in Europa unhaltbar und unheilvoll halten; sodann eine ungeheure Anzahl Sol cher, welche in ihren politischen Ansichten völlig unklar sind, und nur in der übertriebensten Furcht vor Republik, wo nothwendigerweise Plünderung, Mord und Todtschlag herrschen müsse, übereinstimmen; endlich drittens Diejenigen, welche, mehr oder minder Anhänger der wirklichen Fürstenherrschaft, vom frühem Regierungssistem Viele- oder Alle- zurückwünschen. Nach dieser Charakteristik der beiden Parteien fragen wir denn nun, ob nach ihrem gegenseitigen Verhältnisse und inwiefern eine Eini gung möglich ist? Jeder Unbefangene sieht aber sogleich, daß beide in ihren Ideen durchaus nicht so schroffe Gegensätze bilden, al- in der Wirklichkeit, und daß eine klare Verständigung eine ganz andere Ge staltung der Parteien Hervorrufen müßte, al- die jetzige ist. Auf dem bisherigen Wege fortzugehen, von Seiten der zweiten Hauptpartei die gesammte erstere Republikaner, von Seiten der erstem die gesammte zweite Reakzionäre zu schimpfen, wird freilich nimmermehr einen gu ten Erfolg haben; die einzige Möglichkeit zur möglichsten Einigung ist nur dadurch gegeben, wenn die Liberalen und die Unklaren der anti republikanischen Partei einsehen, daß da- Hauptprinzip der andern Partei, da- der Volkssouveränetät ihren eigenen Wünschen durchau- nicht schnurstracks entgegensteht, daß sie vielmehr ihr eigene- Ziel, die Hinderung der Republik, nur durch Begründung ihrer konstituzionelle» Monarchie auf dem vollen Grundsätze der Volkssouveränetät er reichen können, daß sie aber durch eine solche Begründung die ungeheure Mehrzahl der Gegenpartei für sich gewinnen und mit ihr verschmelzen müssen. Abfallen würden dann nur einerseits die exal- tirten Republikaner, andererseits die Reakzionäre; geistige und fisische Uedermacht und daher der Sieg würde der Mitte unbestritten sein! Eine solche Stellung der Parteien wäre gewiß eine sowohl Ver nunft-, als sachgemäßere, als die bisherige, und dem Kerne beider jetzi gen Parteien eine unendlich heilsame. DaS Haupthinderniß einer solchen Neugestaltung der Parteien, die den größten Theil unserS Dresden- zur Einigung führen würde und müßte, liegt, wie schon gesagt, in der Halbheit, Unentschiedenheit und Unklarheit so Vieler. Viele, selbst der sonst tüchtigsten und red lichsten Männer, sind sich noch nicht klar bewußt, daß die Frage, ob der Einzelwille de- Fürsten einen Einfluß auf ReaierungSform und Grundsätze haben solle oder nicht, nur mit einem entschiedenen Ja oder Nein beantwortet werden kann, daß eine dritte, eine Mittelantwort schlechterdings unmöglich ist. Sie fühlen nicht, daß die Frage that- sächlich bereit- auch in Deutschland mit Nein! beantwortet ist, und eS sich jetzt nur noch um ihre gesetzliche Feststellung handelt. Sie wissen nicht, daß der Grundsatz der vollen „Volkssouveränetät" mit der monarchischen Regierungsform völlig in Einklang stehen kann, daß er in manchen Monarchien längst volle Geltung hat (wie e- z. B. in England völlig gleichgiltig ist, ob die Königin Schutzzölle oder Han delsfreiheit, Krieg oder Frieden will!). Daher gerathen sie beim Spre chen und Schreiben nothwendig in eine Menge Widersprüche, und be-