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und es hat in diesem Sinne weder an schriftlichen noch mündlichen Ermahnungen und Aufforderungen fehlen lassen, und es darf jetzt mit Stolz sagen, daß das polnische Volk sich der keimenden Freiheit werth gezeigt, indem es das, was die Grenze derselben und ihre Würde zugleich ausmacht — die Mäßigung auch in dem größten Taumel der lang unterdrückten Gefühle nicht vergaß. Und wie anders konnte sich das polnische Volk für die Befreiung seiner Gefangenen durch die Deutschen dankbar erweisen, als eben indem es den Ruf: „Es lebe Polen und Deutschland, Polen mit Deutschland!" der zu Berlin erscholl, mit der innigsten Wärme und feurigsten Begeisterung zu Posen er widerte, und den Bund, der auf den Barrikaden der Haupt stadt geschlossen war, unter den Mauern der Festung von Posen erneute? Einer der Befreiten, der jetzt Mitglied des Eomitö's ist, erließ schon einige Stunden, nachdem er die Schwellen des Kerkers überschritten, einen Aufruf an seine Landsleute, die Deutschen zu schonen, zu lieben, sie als Brü der zu betrachten — und dieselben Worte wiederholte immer daS Rational-Comite. Die veröffentlichten Manifeste an die Polen wie an die Deutschen find die unwiderleglichsten Be weise unserer redlichsten brüderlichsten Absichten. Auch die Juden, als Bürger unseres Staats und seit Jahrhunderten angesiedelte Einwohner Polens zu schützen, haben wir für unsere heiligste Pflicht gehalten und in zwei Aufrufen an die JSraeliten diese über ihre Lage und Stellung beruhigt und ihnen alle Rechte und Freiheiten zugesichert, auf die jeder polnische Bürger^ Anspruch machen darf. Um der ganzen Bewegung keine andere, als die wahre, die nationale Färbung zu geben, fordern wir nächst den katholischen auch die evan gelischen Geistlichen unserer Provinz auf, am Baue der Ein tracht und Verständigung, der Freiheit und Liebe thätig zu sein, und von den Kanzeln herab — ob sie katholisch oder evangelisch sind — auf unser frommes Volk im Sinne der Verbrüderung zu wirken. Aller Wohl möge Aller Ziel sein, war und ist unsere Loosung; wir kennen und machen keinen Unterschied der Abstammung oder des Bekenntnisses. Zu diesem Behufe schickte das National-Comitö Commiffäre.nach den Provinzen ab, und verordnete den in den Provinzen sich bildenden Filialcomitss, vor Allem auf die Wahrung der Sicherheit der Personen wie des Eigenthums bedacht zu sein. Die beste Anerkennung seiner Bestrebungen ward dem Na- tional-Comitö durch die städtischen Behörden, dm Magistrat und die Verordneten, zu Lheil, die ihm, in Anbetracht seiner moralischen Macht und seines moralischen Zweckes, und da es nur ihm gelingen könne, die Ordnung zu erhalten, schon am 3. Tage nach seiner Eonstituirung, daS Rathhaus zu seinen Sitzungen einräumte. Mit Freuden, mit dem Gefühle wahrer Beglückung sahen wlr, daß auch die deutschen Einwohner unserer Provinz un fern Ruf erhört und verstanden, daß sie gleich ihren Stamm genossen zu Berlin wie zu Köln in der Freiheit Polens die Sicherung des europäischen Westens erkannten, und die frühe ren Ungerechtigkeiten — die gewiß nicht auf unserer Seite waren, und Feindseligkeiten vergessend, uns die Hand gegen das ewige Unrecht und den Feind Aller reichten. Das zu Posen den 22. März zusammengetretene deutsche Comite er ließ an uns einen beherzten Aufruf, in welchem es uns seiner treuen Mitwirkung und Sympathien versichert, in welchem es die polnischen neben den deutschen Farben annahm und selbst erklärte, es sei jetzt der Augenblick, ein Verbrechen zu sühnen und zu tilgen, das die Blätter der Geschichte bis her befleckte. Das National-Comite bedurfte gar nicht dieser edlen und schönen Sprache, um gerecht zu sein, obgleich solche Ver sicherungen es in seinem Vorhaben und in seiner Ueberzeu- gung stärkten. Als Se. Majestät der König auf die Bitte unserer Deputation eine nationale Reorganisation des Groß- herzogthums Posen versprach und zu diesem Zwecke eine Com mission zu wählen befahl, zog diese Commission aus eigenem Antriebe zwei Deutsche, die Herren Oberbürgermeister Nau mann und Justizrath Boy, in ihren Kreis, um den deut schen Einwohnern die Bürgschaft zu geben, daß auch ihre Interessen mit Unparteilichkeit und Ehrenhaftigkeit gewahrt werden würden. Dem zu bildenden polnischen Heere mach ten wir den freien Eintritt sämmtlicher Einwohner der Pro vinz zur Bedingung und bei dem Wunsche, unsere Mutter sprache zur Geschäftssprache erhoben zu sehen, gestanden wir ausdrücklich den deutschen Einwohnern das Recht zu, in ihren Angelegenheiten mit den Behörden deutsch zu verkehren. Während also das National-Comitö und die ganze pol nische Bevölkerung sich treu blieb und die Idee der Ver söhnung und Verbrüderung immer im Auge behielt — denn die sehr wenigen und nie blutigen Ercesse, die von Einigen unserer Nation ausgegangen und sich nur um Streitigkeitm in wucherischen Schenken und desgl. drehten, können wahr lich nicht dem Volke, und am allerwenigsten den von ihm constituirten Behörden angerechnet werden — entstand auf der andern Seite allmälig eine Reaction, die die früheren Sympathien in Kälte, wo nicht in Feindschaft umwandelt. Die Aufhebung des Martialgesetzes durch Se. Majestät den König erregte Freude — aber zur selben Zeit und bis jetzt, ohne Unterbrechung, rückten immer mehr Soldaten in unsere Provinz und besonders in unsere Stadt ein, ohne daß wir noch jetzt uns sagen können, ob wir sie als Freunde oder als Feinde zu betrachten haben. Die Geschäftigkeit», mit der sie bei manchen gegen uns verübten Gewaltthätigkeiten mit gewirkt, die Versicherungen, diese so oft und ungestraft gegen uns und unsere heiligsten Interessen und deren Symbole sich erlaubt, ließen uns wohl eher das Letztere vermuthm.