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Diese« Blate erscheint täglich Abend- und ist durch alle Post» anstatt«» des 3». >nd Au«sande« zu dezirhen. Dresdner Journal, Preis für da« Vierteljahr Thlr. Znsertionsgrbüh» ren für den Raum einer grsxallene» Zeile 12 Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redtgirt von Karl Biedermann. Inhalt. Die Konzessionen zu unzünftigen Gewerben. — Entgegnung auf das „Warum?" des Herrn Matthaey. — Wahlumtriebe. — Tagesgrschicht er Dresden: DaS Kriegsministerium; Herr v. Carlowitz; Stellung des Generalkommandos der Armee zum KriegSministerium; Daterlandöverein. Leipzig: Kreditanstalt. Aus dem Hochgebirge: Nabrungsverhältnisse. Berlin. Posen. Ostrowo. Hamburg. Rendsburg. Frankfurt. Stuttgart. Donaueschingen. Wien. Prag. Straßburg. Italien. Mailand. Neapel. London. — Kunst und Literatur: Gr- ' schichte der Schauspielkunst. — Feuilleton. — Eingesendetes. — Ortskalender. — Angekommene Reisende. — Anzeigen. Die Konzessionen zu unzünftigen Gewerben. Bekanntlich werden in unserm sächsischen Vaterlande die Ge- werbe theilS zünftig theilS unzünftig betrieben, je nachdem die ein und dasselbe Gewerbe Betreibenden eine Zunft, eine Innung bilden, oder in gar keinem Verhältnisse zu und unter einander stehen. Manche Ge werbe sind überall bloS zünftige, andere je nach den verschiedenen Lokalverfassungen theils zünftige, theils unzünftige, wie z. B. da- Tapezieren in Dresden ein zünftiges, in andern Orten ein unzünftiges Gewerbe ist. » Reformen, radikale Reformen thun auch dem Gewerbsrechte bei beiden Arten der Gewerbe Noch, und je mehr wir uns der politischen Errungenschaften freuen, desto zuversichtlicher dürfen wir nach den von dem Ministerium des Innern bereits getroffenen, von dem Volke freudig begrüßten Einleitungen für unfern ehrenwerthen Gewerbstand eine vollkommene Regulirung der jetzt überall verschiedenen Lokal bestimmungen und Gewohnheitsrechte erwarten. Denn es ist nicht genug, daß der Intelligenz Das gewährt wird, rvas sie in allen Schich ten der menschlichen Gesellschaft verlangt und verlangen darf, eS ist auch nicht genug, daß die materiellen Bedürfnisse der Arbeiter befrie digt werden — ihr müßt, wenn ihr nicht den goldenen Mittelstand ganz auS der Gesellschaft streichen, wenn ihr nicht sofort Alle gleich, d. h. Alle zu Arbeitern machen wollt, euch auch um eure gewerbtrei- benden Mitbürger kümmern und bedenken, daß ihr eure Arbeiter nie mals zufrieden stellen könnt, wenn nicht die Gewerbsverhältnisse ge hörig regulirt und durch neue, den Zeitverhältnissen angemessene Lan- deSgesetze geschützt sind. Weder meiner Stellung noch meiner Befähigung nach kann ich wich berufen fühlen, neue Vorschläge zur Belebung des Gewerb- skande- der Oeffentlichkeit zu übergeben. Mir war eS zunächst nur darum zu thun, den unzünftigen Gewerbsbetrieb, wie er sich kn unserer Vaterstadt ausgebildet, näher in das Auge zu fassen, wozu mich zunächst der von dem Herrn Advokat Blöde gestellte, später aber wenigstens für jetzt wieder zurückgenommene Antrag, die unzünftigen Gewerbe, welche unpassend oft die kleinen Gewerbe genannt werden, Don dem KonzessionSzwange möglichst frei zu machen, veranlaßt hat. Der Betrieb unzünftiger Gewerbe ist, wie in den meisten Städten des Vaterlandes, so auch in Dresden von besonderer obrigkeitlicher Erlaubniß abhängig. Es fragt sich nun 1) ob das Interesse deS Publikums und der unzünftigen Ge werbe ein völliges Freigeben der letztem von obrigkeitlicher Erlaubniß rechtfertigt, und, dafern diese Frage zu verneinen sein sollte, 2) welche Gewerbe dem Konzessionszwange zu unterwerfen sind, und endlich 3) wie die Konzessionen gegeben werden müssen. Zu 1. Die erste Frage hängt eigentlich mit der Vorfrage, ob Gewerbefreiheit wünschenSwerth ist, genau zusammen. Es läßt sich jedoch diese als durch da- allgemeine Unheil bereits beantwortet an sehen, indem Zeder politische, Niemand aber gewerbliche Freiheit haben will, und die Gewerbtreibenden, die am besten wissen, waS ihnen frommt, das ungebundene Kreigeben aller Gewerbe für ein Uebermaß von Freiheit, an welchem sie selbst verbluten müßten, an sehen. Freiheit klingt schön und ist auch schön. Aber ihr könnt sie nicht in alle Verhältnisse hinein tragen, ihr könnt sie nicht Allen auf zwingen, ihr könnt sie nicht überall zu einer belebenden Sonne machen, und am wenigsten da, wo ihre Strahlen so aufbrennen, daß Tau sende darüber verhungern und verdursten. Vollkommen einverstanden wird daher auch die Gesammtheit mit der von dem Herrn StaatS- minister Oberländer kürzlich den Deputirten des Dresdner Handels standes gegebenen Antwort sein, „daß daS bloße Verwerfen deS Alten noch lange nicht helfe; daß an die Stelle des ehemaligen Zunftzwanges die völlige Gewerbefreiheit zu setzen, also nur zu negiren, und sich sonst um neue Gestaltung nicht zu kümmern, sehr gefährlich sei." Aber es sollen ja bloS die unzünftigen Gewerbe frei gegeben wer den. Um so schlimmer, denn dann werden Diejenigen, welche ein unzünftiges Gewerbe betreiben, erst recht unfrei. Während in diesem Falle die zünftigen Gewerbe durch die Jnnungsverfassungen geschützt blieben, würden alle übrigen Gewerbtreibenden ohne Schutz dastehen, und bald durch Ueberfüllung der Gewerbe ein Opfer maßloser Kon kurrenz , bald durch die Macht der Innungen ein Spielball deren Pri vilegien und VerbietungSrechte werden. AuS welchem Grunde soll der Stubenmaler, der Vergolder, der Lackirer, der Strohhutfabrikant, der Hausschlächter, der Platzbäcker, der Buchdrucker durch einen schrankenlosen Gewerbsbetrieb in seiner? Interessen wesentlich gefährdet werden, während der Maurer, der Schneider, der Tischler, der Weiß bäcker, Fleischer sich des durch JnnungSverband gebotenen Schutze fort erfreut? Gewöhnlich setzt man diesen Einwendungen die Idee der freien Konkurrenz alS Ideal, durch dessen Erreichung Alle- ausgeglichen werde, entgegen. Allein diese Idee faßt mehr schönen Klang al- reellen Werth in sich. Denn Niemand wird läugnen, daß die Tüch tigkeit eine- Gewerbe-, eines industriellen Etablissements ganz beson ders von der Sicherstellung eine- seinem Umfange entsprechenden Ab satzgebiete- abhängt. Wo aber das richtige Verhältniß zwischen Pro- dukzion und Konsumzion außer Acht gelassen wird, wo eine über die Lokalbedürfnisse hinaus gehende Konkurrenz eintritt, wo nur auf der einen Seite eine Steigerung sich fühlbar macht, während auf der an dern daS Absatzquantum hinter dem Bedarfe des Anlagekapital- zurück bleibt, da ruft man einen GährungSprozeß hervor, durch welchen alle Gewerbe im Fortschritt gehemmt werden, und dessen krampfhafte Er schütterungen auch für das Publikum von Nachtheil sein müssen. Ich gebe gern zu, daß'daS richtige Maß zwischen Produkzion und Konsumzion oft schwer zu finden ist, und daß Mißgriffe der Ver waltungsbehörden bei Konzessionsertheilungen vorkommen können. Der Mißbrauch hebt aber nicht den Gebrauch auf, und eS ist immer besser, wenn die Obrigkeit sich eine gegenseitige Abgrenzung der un zünftigen Gewerbe, ein Ueberwachen des Bedürfnisse- und der Fa- brikazion unter Berücksichtigung der örtlichen wie der Zeitverhältnisse