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wie eine dem Israeliten geheiligte Ueberlieferung odcr Gewohnheit antaften. Dagegen müssen wir mit derselben Entschiedenheit, mit welcher wir die Empnzipazion ohne Rücksicht auf eingewur zelte Lorurtheile, ohne Rücksicht auch auf di» Aeirckschaftdes christ lichen, d. h. des unchristtrchen Egoismus vertreten haben, von den gleichberechtigten Israeliten verlangen, daß sie nicht blos der Wis senschaft und Kuost sich zuwenden, dem „Schacher- und Trödel handel", ja überhaupt dep blaßen Handel nicht den Berzty ge ben, sondern daß sie je nach ihren Verhältnissen solide Handwerke erlernen, schwere Handarbeit übernehmen, mit einem Worte das mit den Christen gleiche Recht durch Anerkennung und Ausübung der mit den Christen gleichen Pfli chtzu ehren bemüht und bereit sind. Sind wir aber dabei billig genug, eine völlige Ausgleichung nicht schon von dem ersten Jahre, ja wohl kaum von dem ersten Jahrzehent zu erwarten, so müssen wir mit dieser Erklärung aller dings zugleich voraussetzen, daß jüdische Lehrer und Erzieher auf die jüdische Jugend, daß höher gebildete Israeliten insbesondere durch die Presse auf ihre Glaubensgenossen einwirken und so dem Strome der Erleuchtung über diese Selbstemanzipazion- immer mehr Breite und Liefe zu verschaffen nicht versäumen werden. Gewiß — dann wird die Wirklichkeit immer allseitiger die An sichten widerlegen, welche jetzt noch vielfältig in Betreff der Israe liten herrschen. Die Besorgnisse, welche noch heute selbst viele sonst aufgeklärte Christen in Ansehung der Judencmanzipazion hegen, werden sich so am besten zerstreuen. In dem freien Deutschland aber wird unangefochten wegen seines Bekenntnisses ein freies Israel wohnen, und Deutschland durch die Befreiung Israels, durch die Verwirklichung einer allgemeinen Religionsfreiheit erst seine vollständige Einigkeit gewonnen haben. Denn was hat Deutschland zersplittert? Was hat den großen herrlichen Kristall zerschmettert? Was har bisher seiner Vereinigung den größten Stein des Anstoßes in den Weg gelegt? Nichts anders als die konfessionellen Gegensätze schon an sich, aber noch viel mehr in ih rer Uebertragung auf die Politik. Mögen dabei die Fürsten und Regierungen gewonnen haben; die christliche Kirche als Pfle gerin der Religiosität und Sittlichkeit, und mit ihr das deutsche Volk hat dabei viel, unendlich viel verloren. Darum Heil der Kirche, Heil dem Volke, daß diese Zeit ihrem Ende nahe ist. Heil darum aber auch den Fürsten und den Regierungen. Denn der Fürsten Throne stehen stets in einem freien Volke sicher, wenn von ihnen aus Licht und Recht geschirmt wird; und die Regierungen haben keine bessere Bundesgenossen schaft, als die einer Kirche, welche, frei vom Staate, in unbehin derter Entwickelung dem weisen Gesetze die Grundlage der Sitt lichkeit im Herzen des Volkes sichert. Eben darin aber lag zugleich für den Verfasser dieser Worte als protestantischen Geistlichen eine dringende Röthigung, eine unbezweifelbare Berechtigung, ja eine heilige Verpflichtung, der Religionsfreiheit im Allgemeinen, der Emanzipazion der Juden sich kräftig anzunehmen, und kann er nur wünschen, daß diese Stimme nicht ohne alle Wirkung bleib«. Bliebe sie's aber den- noch, müßte Jahrzehent um Jahrzehent, Menschenalter nach Men schenalter immer wieder diesen Stein deS Sisyphus nach dem Gip fel der Freiheit emponvälzen, — nun dann wüßte er, was er zu thun halte. Er würde sich mit dem Bewußtsein trösten, daSGute gewollt, das Recht vertrete», die Wahrheit bekannt, aber freilich seiner Zeit zu viel zugetraut, ihre Gräße überschätzt zu haben. Schaffet Bildung! „Das deutsch« Volk ist mündig, ist reif für den Genuß der Frei heit." Dieser seit Jahren von den Freunden des deutschen Volkes behauptete und verfochtene Satz konnte nur wahr sein, so lange man die Freiheit auf dem Wege des „gesetzlichen Fortschrittes" erwartete. Seine Unwahrheit mußte Demjenigen, welcher die große Masse des Volkes kannte, sofort einleuchten, wenn er daran dachte, daß die Frei heit einmal über Nacht wie ein Heller Maimorgen aufgehen könnte. Da es nun eine arge Selbsttäuschung war, nach dreißigjährigem Har ren immer noch auf die Freiheit durch Vermittelung des „gesetzlichen Fortschrittes" zu hoffen, so mußte ein jeder Thatkraft in sich fühlende Volksfreund sich für verpflichtet halten, Kenntniß und Bildung unter dem Volke verbreiten zu helfen. Viele haben dieser Verpflichtung Folge zu geben versucht. Es sind ihnen aber von den deutschen Re gierungen die Hände gebunden worden, und so ist es denn gekommen, daß jetzt in den sogenannten untern Schichten des Volkes die krasseste Bildungslofigkeit in allen den Dingen herrscht, welche jetzt aus der mit neun Siege'n verschlossenen Vormundschaftsstube heraus auf den Markt des Lebens geholt und von dem sich für mündig erklären den Volke als sein Eigenthum und unbestreitbares Erbtbeil in die Hand genommen wird. In keiner Richtung spricht sich die Nichtswürdigkeit der gestürz ten deutschen Kabinetspolitik augenfälliger aus, als in dieser. Auf eine ewige Dauer ihrer die Menschennatur entwürdigenden Zwing herrschaft bauend und hoffend, erhielt sie das Volk auf dem tiefen Standpunkte des „beschränken Unterthanenverftandes" und stempelte die Begriffe Preßfreiheit, Menschenrechte, Selbstregierung u. s. w. zu verbotenen Früchten, es sei denn, daß man durch Geburt, Besitz oder allenfalls Gelehrsamkeit emanzipirt und dadurch als eine Stütze des Absolutismus bestens akzeptirt war, in welchem Falle man dann unter dem Baume der Erkenntniß mit jenen verbotenen Früchten — liebäugeln durfte. Anstatt wahrer Menschenbildung hat man ein Menschenalter lang mit scheinheiliger Beharrlichkeit eine bornirte Unterthanenbildung wie ein Spinnengewebe über das Volk ausgebreitet und ihr dabei den Ursprungsstempel der — die Feder sträubt sich, diesen Mißbrauch niederzuschreibcn — der Christlichkeit an allen Ecken aufgedrückt, einer Christlichkeit, deren Autorschaft der erhabene Gründer der Reli gion der Liebe mit Entrüstung von sich weisen würde. Die Regierungen, die Das verschuldet haben, haben dadurch die rohen Ausbrüche) welche jetzt Leden und Eigenthum be drohen, mit verschuldet, und diese- Verbrechen allein ist mehr als hinreichend, ihren Sturz zu verwirken. Hätte man den Vereinen, welche in dem letzten Jahrzehent von Volksfreunden gegründet wurden, eine belehrende und aufklärende Besprechung über die wichtigsten Gegenstände des Staatslebens freigegeben — wir würden jetzt wahrscheinlich jene rohen Ausdrücke nicht zu be klagen haben. Jetzt, wo die unglaublichste Beschränktheit in diesen Dingen mit einem Male hervortritt — den aufmerksamen Beobach ter der Vergangenheit freilich nicht überraschend — ist natürlich Bildung nicht so schnell wie einem Hungernden ein Stück Brot gereicht. Was aber geschehen kann, Bildung zu schaffen, muß geschehen, muß sofort geschehen, um wenigstens, in etwas den traurigen Folgen der Bildunqslosigkeit zu wehren. Zweierlei ist eS, was zunächst zu thun ist. Erstens müssen die hoffentlich in allen Stadt- und Landgemeinden sich bildenden Vaterlandsvereine in ihren wöchentlichen Versammlungen durch populäre Vorträge poli tische, gesellige, gewerbliche, religiöse Bildung unter der Klasse der Bürger und Landleute verbreiten. Man lasse den zusammenfor dernden Ruf an Alle ergehen. Ueberall werden sich befähigt« Männer finden, aus den angedeuteten Gebieten unterhaltende Be lehrung in einer Form zu bieten, welche dem Fassungsvermögen und der Anschauungsweise der Zuhörer sich anzupassen hat. Di« Frühjahrspracht entfaltet sich — darum führe man daS Audi torium hinaus in die schmuckvolle Heimath des Weltbürgers, deren veredelnder Zauber den Mund des Redners und Ohr und Gemüth deS Hörer- zu brüderlichem Zusammenwirken verketten wird. Zwei ten- wirke man, für die Bildung deS Heranwachsenden Geschlecht t»< zu sorgen. Mit Vermuren fordere ich unfern Minister de- öffent-