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Dienstag, 11. 11. April 1848. Diesr» Blatr ' Prei« für erschaut täglich da» Vierteljahr M Dresdner Journal, ZM beziehen. Zeile I, Bf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Inhalt. Deutschland und Israel. 4. Art. — Schaffet Bildung! — LageSgrschichte: Dresden: Entlassungen. Leipzig: Der deutsche Verein; Exzesse in Zwenkau. Hammer u. Schmidt. Berlin. Stettin. Posen. Pieschen. Schleswig-Holstein. Rendsburg. Wien. Ungarn. Paris. Neapel. Palermo. Petersburg. — Feuilleton. — Eingesendetes. —Ort-kalender. — Angrkommroe Reisende.— Anzeigen. Deutschland und Israel. Gin fretmüthiges Wort in Sachen der Gmanzipazion der deutschen, namentlich der sächsischen Israeliten. Von Diakonus Pfeilschmidt in Dresden. 4. Forderungen der vollbrachten Gmanzipazion an die christliche und jüdische Bevölkerung. Was wir aber noch anzudeuten haben, sind nicht etwa die Bedingungen, unter welchen die Emanzipazion zu geschehen habe. Denn solche Bedingungen nehmen wir unsererseits nicht an. Es sind vielmehr die Forderungen, welche sich aus der glücklichen Lösung der Judenemanzipazionsfrage, aus der endli. chen Bewältigung dieses schwierigsten und widerstrebsamsten un ter den Sisyphussteinen des deutschen Nazionallebens, aus dieser prinzipiellen Verwirklichung der Religionsfreiheit nach beiden Seiten hin mit Nothwendigkeit ergeben. Hierbei nun liegt es auf der Hand, daß es nicht genügen kann, wenn die Emanzipazion durch das Gesetz ausgesprochen wird. Denn was helfen die größten Vergünstigungen im Gesetze, auf dem weißen Papiere, wenn sie nicht in's Leben übergehen? Was hilft es z. B., wenn das preußische Militärgesetz dem Israeliten das Avancement gestattet, aber, wie geschehen ist, der Beförderung eines Israeliten zum Gefreiten die Bestätigung des christlichen Regimentskommandanten darum versagt ward, „weil ein Jude Christen nicht befehlen dürfe!"? Verwirklichung der Emanzipazion im Leben also, oder was Dasselbe ist — unbedingte Gerechtigkeit gegen die Leistung, gegen das Talent, gegen das Verdienst, finde es sich bei Christen oder Juden, gegen die Befähi gung bei Uebertragung von Aemtern, von Aufträgen u. s. w. Sei len der Regierungen, der Beamten, der Gemeinden, der Privaten, ist die erste unerläßliche Anforderung an die christliche Bevöl kerung in allen ihren Elementen. An dieselbe Bevölkerung aber in ihrer Gesammtheit, vorzugsweise jedoch an die größere Menge -es Volks in Stadt und Land muß im Namen der Religion und der Menschheit die andere Mahnung, die dringende Bitte gerich tet werden, das Bekenntniß, wie jedes äußere Merkmal, wohl vom Menschen zu trennen. Einst hatte glühender Haß Prote stanten und Katholiken getrennt; jetzt leben sie in Deutschland brüderlich zusammen, und wo Das nicht ist, da pflegt priesterlicher Fanatismus den alten Haß aus seinem Schlafe aufzuwecken. Auch Lutheraner und Reformirte haben einander lange verfolgt und be drückt, und selbst in Sachsen haben die Reformirten erst seit 1811 gleiche Rechte mit den Lutheranern, die bis kurz vorher allein zu Staatsämtern berechtigt waren. Und siehe, wie Brüder mit Brüdern, so verkehren die Glieder ihrer Gemeinden mit einander, unbekümmert darum, daß die Einen daö Brot beim Abendmahl brechen und die Andern nicht. Wer aber im ganzen deutschen Vaterlande, wer in Sachsen möchte sich der Vaterlandsliebe rüh men, und sich nicht der Versöhnung von Herzen freuen, welche Bür ger und Soldat durch die eidliche Verpflichtung des letztem auf die Verfassung in den letzten Wochen gefeiert haben? Versöhnung also, großes Fest der Versöhnung feiere auch Christ und Israelit. Haben wir doch Alle in Gott einen Herrn und Vater! Sind wir doch Söhne desselben Vaterlands! Haben wir doch für uns und unsere Kinder dieselben Hoffnungen und Wünsche! Freilich muß dann in Verbindung mit dem Hause die Schule von beiden Seiten, vor Allem aber die christliche Volksschule das Ihrige thun, um die Kluft zwischen Christ und Jude auszufüllen. Bei aller Werthschätzung der christlichen Glaubensgemeinschaft, bei aller Entschiedenheit für dieselbe muß der hohe Werth des mosaischen Bekenntnisses anerkannt, muß aber noch viel mehr das Leben in thatkräftiger Liebe, das Bruderverhältniß des Menschen zum Menschen in den Vordergrund gestellt werden. Denn nur wenn in der vaterländischen Jugend eine solche Gesinnung gepflegt wird, kann das Vaterland mit Gewißheit auf diese Gesinnung rechnen. So viel über die Anforderungen der Emanzipazion an die christ liche Bevölkerung vom Throne bis in die Hütte. Ebenso kurz noch können wir in Betteff dieser Anforderun gen an die jüdische Bevölkerung sein. Selbftemanzipa- zion ist der Begriff, in welchem Alles vereint liegt, was hier ge fordert werden kann und gefordert werden muß. Unsere israe litischen Mitbürger müssen nothwendig sich dann auch selbst vvn Allem befreien, was der staatlichen und bürgerlichen Verschmel zung mit ihren christlichen Mitbürgern irgendwie hinderlich ent gegentreten, oder was ihnen den Vorwurf der Unreife für die Eman zipazion oder gar den Vorwurf des Undanks für ihre endliche Er lösung aus dem unfreien Zustande mit Recht zuziehen könnte. In wieweit dabei vielleicht sogar die Verlegung des Sabbaths auf den Sonntag in Betracht kommen dürfte, wollen wir außerhalb unserer Betrachtung lassen; wir möchten von unserm Standpunkte aus nicht gern den Schein auf uns laden, als wollten wir irgend-