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Diese« Blatt erscheint täglich Abend« und ist durch alle Post, anstalten de« In. und Auslandes zu beziehen. Prei« für Vierteljahr Dresdner Journal, M eener gespaltene» Zeile 12 Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Inhalt. Deutschland und Israel. — Verein für deutsche Statistik. — TagrSgeschichtr: Dresden: Dank des Königs an die Kom munalgarde; vr. Löffler. Leipzig: Bürgermeisterwahl. Aus Königsbrück: HilfSkomits. AuS dem Erzgebirge: Landtagswahl. Berlin. Königs berg. Altona. Rendsburg. Frankfurt. Nassau. Dien. Lemberg. Paris. —Feuilleton. — Erklärung. — GeschäftSkalender.— Ortskalender. — Angekommeoe Reifende, — Anzeigen. -- - 7- - ,.--7-^.- ' . -7.. ' . Deutschland und Israel Ein freimüthiges Wort in Sachen der Emanzipazion der deutschen, namentlich der sächsischen Israeliten. Von Diakonus Pfeilschmidtin Dresden. 1. Oie Bedeutung der jüdischen Gmanzipasionsfrage in der Gegenwart. Wie das Leben des Einzelnen, so noch mehr das Leben der Völker hat seine Sisyphusfteine. Es sind Das die Fragen, welche immer und ewig Fragen bleiben zu wollen scheinen; die Fragen, für die es bisher keine, we- ' nigftens keine befriedigende Antwort giebt. Jahrzehent um Jahr zehent, Menschenalter nach Menschenalter nimmt den schweren Stein solcher Fragen in Angriff, um ihn unter saurer Arbeit auf den steilen Gipfel der Lösung und damit der Erlösung hinaufzu wälzen. Auch gewinnt es zuweilen den tröstlichen Schein, als sollte diese Erlösung vollbracht werden. So nabe rücken Stein und Gipfel, Frage und Antwort zusammen. Aber umsonst! Unter dem Einflüsse der eigenen Schwere und des Widerstandes von oben herab entreißt sich „der tückische Marmor" den Händen seiner Be- wältiger. Bestürzt schauen die wackersten Männer des Tages dem zur Tiefe zurückrollenden Steine nach. Als ein trauriges Vermächt- niß der Vergangenheit aber finden ihn dort die nachkommenden Geschlechter. Gewiß genug, um diesen die Lust zur Erneuerung des fruchtlosen, undankbaren Bemühens um die endliche Bewäl tigung gleich im voraus als kindische Thorheit zu verleiden. Und doch darf nicht davon abgelassen werden. Doch muß die Arbeit gelingen. Schauen wir uns nun nach diesen allgemeinen Bemerkun gen um unter den Völkern, welche sich die zivilisirten nennen, so hat eS bisher bei keinem derselben an solchen Sisyphussteinen gefehlt. Aber keins von ihnen dürfte so reich daran gewesen sein, als D e u t s ch- land in allen seinen Gauen. In jeder andern Beziehung war <s ein zerschmetterter Krystall; nur in seinem Reichthume an un beantworteten Fragen, an unerfüllten Versprechen besaß eS eine riazionale Einheit. Ein Blick auf die deutsche Bundesakte zur Rechten und ein zweiter Blick auf die bisherigen Zustände nicht bloß Oesterreichs und Preußens, nein des ganzen Deutschla nd, Sachsen am wenigsten ausgenommen, zur Linken: und wer wird es unternehmen, jene Thatsache mit dem Scheine höfischer Fräsen zu übertünchen? Auch ist kein Grund zu der Annahme vorhan den, als hätte es eben von Bundeswegen besser «erden, als hätte von Frankfurt aus die alte Schuld getilgt, als hätte die 35jährige Passionszeit des deutschen Volks nun plötzlich in ein Helles, freu denvolles Ostern sich verwandeln sollen. Im Gegentheil.' An zeichen waren genug vorhanden, daß der KreuzeSweg immxr stei ler, der Leidenskelch immer bitterer zu werden bestimmt war; und wer mag sagen, wie schwer noch unter dem Einflüsse deS Ostens die Last des Absolutismus auf den Rücken Deutschlands gehäuft worden wäre, hätte nicht von Westen her das Gewitter, unter des sen Donnerschlägen Louis Philipp's Thron zusammenbrach, den elektromagnetischen Strom deS Befreiungsdranges durch das deutsche Volk ergossen und Millionen Herzen mit einem Schlage in eben so rasche als anhaltende Bewegung gesetzt. So und nur so ist ein Lheil der Fragen gelöst worden, um deren Lösung Deutsch land nicht, wie ein Jakob um Rahel, zweimal sieben, sondern fünf mal sieben Jahre, seinen Fürsten treu gedient hat, nur um immer wieder auf die Heimführung der Braut vertröstet und zur Geduld gemahnt zu werden. So und nur so haben wir die lange ersehnte Freiheit der Presse, das Recht der Versammlung, den Richterspruch der Geschwornen, die Vertretung deS Volks im Rathe der Fürsten, so und nur so Ministerien errungen, von deren Wirksamkeit, wie das ganze Volk, so die Ersten im Volke, die Fürsten, wahres Heil erwarten dürfen. Auch das Königreich Sachsen ist so glücklichen dem Ministerium Braun !an Haupt und Gliedern eine solche Garantie für seine Gegenwatt und Zukunft zu haben und ein turnerisches „Gut Heil!" darum diesem Ministerium aus dem Herzen jedes deutschen Mannes. Wir wenigstens rufen es ihm aus tiefster Seele entgegen und ge nügen damit nicht der kalten Pflicht, sondern dem Bedürfnisse, das in sich selbst seine volle Berechtigung findet. Sind denn nun aber mit diesen tief eingreifenden Errungen schaften des letztverfloffenen Monats, mit diesen grundsätzlichen Reformen unsers deutschen NazionallebenS alle die Fragen be antwortet, deren Wesen wir oben schilderten? Hat das deutsche Volk in seiner Gesammtheit, wie in seinen einzelnen Stämmen nach der Beseitigung der Zensur, des Versammlungsverbots, des Regierungsabsolutismus, der Unpopularität der Minister u. s. w. keinen SisyphuSstein mehr aus dem nebelfeuchten Lhale der Bor- urtheile und der Bevormundung auf die ätherumfioffenen Berge der Wahrheit und der Freiheit hinauHuwälzen? Und wenn — welches ist der schwierigste, der widerftrebsamste, nicht erst sei