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Der sächsische Erzähler : 09.09.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193909094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19390909
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19390909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-09
- Tag 1939-09-09
-
Monat
1939-09
-
Jahr
1939
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 09.09.1939
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Beiblatt z« R»»»er S11 Oer Sächsische Erzähler Sonnabend, de« S. September 1SSV Maschinengewehrfeuer auf Deutsche auS -er Kirche MM «IM IMIlla MUMM« M Aast sämtliche führenden Volksdeutschen von Polnischen Banden bestialisich um gebracht gesteckt. Die Wirtschafts- und anderen Gebäude mehrerer Domä nen wurden gleichfalls eingeäschert. Bon den deutschen Besitzern fehlt bisher jede Nachricht. Sie sind ohne Zweifel verschleppt worden. Auch auS dem BielitzerGeviet kommen erst jetzt ähn liche Meldungen, da die Polen alle Telephonverbindungen und alle Nachrichtenmöglichkeiten restlos zerstört hatten. An diesem Gebiet wurde n« Vortage des Einmarsches der deutschen Truppen fast alle führenden Persönlichkeiten des Deutschtum», soweit man ihrer noch habhaft werden konnte, aus den Hausern geholt und ermordet. In besonders viehischer Weise wurde da» führende Mitglied der Jungdeutschen Partei, Johann Pirsch aus Mexanderstld, abgeschlachtet. Ihm waren die Augen au-gestochen worden, die Zunge herauSge- rissen, Nase und Ohre« abgefchnttten sowie der Bauch und die Lenden aufaeschlitzt worden. I« ähnlicher bestialischer Weise find die führenden Jungdeutschen Johann Jenkner au» Lobnih und Karl Gillner an» Kamttz ermordet worden. Mindestens LK Volksdeutsche Führer und Unterführer find in diesem Gebiet den bestialischen Mordbrennern de» Aufstänbischenverbande- zum Opfer gefallen. Die Zahl der Verschleppten und Vermißten ist auch nicht an nähernd sestzustellen. Zu ihnen gehört der bekannte Vorsitzende der Deutschen Partei- Franz Schubert aus Bielitz, und dessen Sohn. Wich hixr wurde von den abziehenden polnischen Truppen zahlreicher deutscher Besitz niedergebrannt und ausgeplündert. Die abzlehenden polnischen Truppen hatten es ebenfalls nicht ver gessen, die große 300 Meter lange Eisenbahnunterführung bei Brelitz zu sprengen, wodurch zahlreiche Gebäude mit zerstört wurden. Auch in der Richtung auf Teschen zu wurden drei große massive Brücken über die Olsa in die Luft gesprengt. Kattowitz, S. Sept. Immer ueue Einzelheiten werde« über de« blutige« Terror bekannt, den die Jnsurgentenbanbe« i« Oft- oberschlefien in de« letzte« Schreckenstagen de» panischen Regimes der übten. So wird au» Pleß berichtet, was für ein Blutbad die Insurgenten dort während de» Etnumrsches der Trupp«« aurich. tetem. Al» eine Vorhut der deutschen Truppe« in der Stadt erschien, wurde sie jubelnd und mit unbeschreiblicher Freude von der gepeinigte« und verfolgten deutsche« Bevölkerung begrüßt. Plötzlich vernahm man Maschinengewehr feuer und da» Detonie- re« von Handgranaten mitten in diesem Bild der Freude. Pol- Nische Jnfurgente«, die sich wie Dach- und Heckenschützrn irgend- wo verborgen hwlten, übte« ihre letzte grausige Rache au», so Volksdeutsche Männer und Frauen fiele« diesem Mordgefindel zu« Opfer, ebenso Mei A«gehörige der deutsche« Wehrmacht. Neber »o volkSbeutsche erlitten schwerste Verletzungen. Sech» von ihnen starben kurze Zeit später. Die Truppe hatte sofort zum Gegenangriff ausgeholt und konnte das Mordgesindel bald unschädlich machen. Dennoch sollte Pleß nochmal» ein ähnliches blutiges Schauspiel erleben. AIS die Opfer dieses Blutbades am Mittwoch in Anwesenhent einer gro ßen Trauergemeinde zur letzten Ruhe bestattet wurden, krachten erneut zahlreiche Gewehrschüsse in die vor dem offenen Grabe versammelte Menschenmenge. Zahlreiche Personen wurden da bei verletzt. Deutsche Soldaten griffen sofort ein, um den Ver brechern oaS Handwerk zu legen, als plötzlich auSderKirche heraus Maschinengewehrfeuer erfolgte. Es kam zu einem regelrechten Feuergefecht, bls eS gelang, die Verbrecher aus der Kirche herauszuholen und unschädlich zu machen. Glücklicherweise ging dieses Feuergefecht ohne große Opfer auf deutscher Seite ab. — Die polnischen Truppen hatten vor ihrem Abzug alles ver- wüstet, was ihnen noch unter die Hände kam. Zahlreiche Bauern wirtschaften im Kreise Pleß wurden ausgeplünvert und in Brand — Da» IS. Kind. Die Frau des Arbeiters Max Schütz in Gotha gebar das IS. Kind, dessen Patenschaft der Stellvertreter des Führers übernahm. Hindenburg, der Führer und Gene ralfeldmarschall Göring hatten beim 12., iS. und 1s. Kind Pate gestanden. — Berbrecherjnab im Harz - Gastwirt erschossen, Polizei- beamter schwer verletzt. Gendarmerie, Wehrmacht, SA. und Feuerschutzpolizei sind im Ostharz zu einem Kesseltreiben nach einem flüchtigen Schwerverbrecher aufgeboten worden, der, zu sammen mit seinem Bruder, nach einem Einbruch den Gastwirt Wolff aus Ilsenburg erschossen und den Gendarmeriehaupt. Wachtmeister Laubach durch mehrere Schüsse schwer verletzt hat. Am Radauwasserfall, wo der Mörder gestellt wurde, eröffnete er aus zwei Pistolen Feuer auf die ihn verfolgende SA. ES kam zu einem scharfen Kugelwechsel, Lei dem der Verbrecher auch verletzt worden zu sein scheint. Der gefährliche Bursche konnte jedoch noch einmal im Dickicht entkommen. Sein Bruder und Helfershelfer war schon vor dem Kampf in die Hände der Poli zei gefallen. Bei den Banditen handelt eS sich um einen 27iäb- rigen Walter Pestki aus Dortmund-Hörde und seinen 20jähri- gen Bruder Helmut. Die Burschen hatten in Ilsenburg im Gasthof »Ilse" einen Einbruch verübt. Als sie von dem Gast wirt Wolff überrascht wurden, flüchteten sie auf ihren Fahr- rätzern. Wolff benachrichtigte nun die Gendarmerie und nahm sofort auch selbst die Verfolgung der Verbrecher auf. Der Gen darrneriebauptwachtmeister Laubach auS Stapelburg bei Ilsen burg stieß bei einer Streife auf zwei verdächtige Radfahrer, die er mit zur Gendarmertewache nahm. Als er dort die Burschen in Gegenwart des bestohlenen Gastwirts vernehmen wollte, gaben sie plötzlich aus ihren Pistolen mehrere Schüsse auf den Beamten ab. Laubach brach schwergetrofsen zusammen. Der Gastwirt wurde durch einen Schuh in den Hals getötet. Einer der Verbrecher wurde von SA.-Mannern gestellt und festgenom men. Das Kesseltreiben auf seinen Bruder und Komplicen ist noch im Gange. — Ein Dieb Satte Pech. In Saalfeld stahl ein junger Mann auf dem Markt em dort ohne Aufsicht stehendes Motor rad und fuhr davon. Er war aber vom Pech verfolgt, denn kurze Zeit darauf kam er zu Fall und landete ausgerechnet zu Füßen deS Bestohlenen, der ihn verhaften ließ. Wohl gelang es ihm zu flüchten, doch stieß er am nächsten Tage auf der Stra ße erneut mit dem Bestohlenen zusammen und mußte nunmehr m „festen Händen" noch einmal den Weg zur Polizei antreten. — Abenteuer mit LebenSgefichr. Ein jungeS Mädchen, das mit dem Paddelboot eine Talfahrt auf der Weser unternahm, geriet infolge der starken Strömung in die quer durch die Weser geschlagenen Fischernetze. Der Kapitän eines Motorbootes und ein Lehrer bemerkten den Unfall. Durch Zuruf des Lehrers, die Verunglückte solle sich an den Netzen festhalten, wurde diese auf merksam und versuchte, sich zu halten, da sie inzwischen aus dem gekenterten Boot gefallen war. Jedoch versank sie infolge der Strömung in den Fluten der Weser. Es gelang aber den ver einten Kräften der beiden Männer, die Verunglückte, die des Schwimmens unkundig war, vor dem sicheren Tobe deS Er trinkens zu retten. — Am Marterpsahl. Aus Germersheim (Pfalz) wird ge meldet: Beim Jndianerspielen band man einen „Gefangenen" an einen als Marterpfahl ausersehenen Baum. Die Jungen übersahen aber, daß unter dem Baum die Waldameise ihr Mas senquartier aufgeschlagen hatte, und so stand der „Gefangene" zu allem Leid auch noch in einem Ameisenhaufen. Da man ihm die Augen verbunden hatte, sah er nicht das Unheil, aber einer seiner fünf Sinne, das Gefühl, verriet ihm bald das Peinliche seiner Lage, und als das Zkncken und Jucken unerträglich wur de, erhob er seine Stimme zu durchdringendem Gebrüll. Auf dieses hin wurden Erwachsene aufmerksam, eilten herzu und be freiten den Gepeinigten aus seiner unerfreulichen Lage. — Opfer eine» üblen Brauche-: Beim Einheizen mit Petro- leum den Tob gefunden. Donnerstag früh wollte die 50jährige Marie Mudroch m Brewnow in Böhmen Feuer anmachen und als ihr dies lange nicht gelang, nahm sie schließlich eine Blech kanne, in der sich ein Gemisch von Benzin und Petroleum be fand, und goß einen Teil des Brennstoffes in den Ofen. Als sie dann anzünden wollte, fing der Brennstoff in der Kanne Feuer und es trat eine heftige Explosion ein. Bei dem entstehenden Brand ergriffen die Flammen die Kleider der Frau. Ihr zu Hilfe eilender Mann versuchte die Flammen mit dem Federbett zu ersticken, doch fing auch dieses Feuer und es begann auch die Wohnungseinrichtung zu brennen. Erst die herbeigerufene Feuerwehr konnte das Feuer löschen. Unterdessen hatte die un glückliche Frau so schwere Brandwunden erlitten, daß sie ihnen in kurzer Zeit erlag. — Kopenhagen-Berlin-ExPretz entgleist. Der Kopenhagen- Berlin-Expreß ist in den frühen Morgenstunden des Freitag, um 1,10 Uhr, zwischen Nhkjebina und Gjedser aus den Schienen gesprungen. Die Lokomotive stürzte eine Böschung hinunter. Der Lokomotivführer und der Heizer wurden auf der Stelle ge tötet. Die Lokomotive riß den einzigen mit elf Personen besetzten Wagen mit sich. Die Fahrgäste trugen jedoch keinen Schaden da von. Das Unglück wurde durch ein Pferd verursacht, das gegen die Lokomotive gerannt war. Turnen, Spiel und Sport Alle sollen spiele« Zu der bereits veröffentlichten Anordnung des stellvertretenden Gau- führerS des NSR2., den Spielbetrieb im Fußball und Handball in den sächsischen NSRL.-Kreisen in einfachen Formen wieder auszunehmen, ist für Fußball folgende» erläuternd zu bemerken: Gespielt wird in drei Abteilungen. Die oberste soll die Ganliga und Bezirksklasse, die mittlere die 1. und 2. Krcisllasse, die untere die untere» Mannschaften umfassen. Die Praxis kann dabei freilich Verschiebungen ergeben, d. h. also, hier und dort werden auch Bezirks- und Kreisklasse, oder 1. Kreisklasse und untere Mannschaften znsammcnspielen. Die obere Abteilung ist in die bereits bekanntgegebenen fünf Gruppen aufgeteilt. Vorschläge für die Zusammenstellung dieser Gruppen, die in Leipzig zwölf, in Dresden zehn, in Plauen, Zwickau und Chemnitz je acht Mannschaften umfassen werden, sind an die Kreise weitergelcitet worden, deren Aufgabe eS ist, die endgültige Zusammenstellung vorzunehmen, die Spiele, die überall schlagartig am 2s. September beginnen sollen, durchzu führen, darüber hinaus in ihren Kreisen aber auch den Spielvcrkchr in den beiden anderen Abteilungen aufzubauen. Auch da herrscht der Grund satz, immer die benachbarten Vereine in Spielgruppen zusammenzufassen, wo ein Verein allein leine volle Mannschaft mehr ausbringt, kann er sich mit einem Nachbarverein zu einer Spiclgemeinschaft zusammenschließen. Der stellvertretende Gauführer hat bestimmt, daß alle diese Spiele in einer Runde, also ohne Rückspiele, durchgcfüyrt werden. Das Abschneiden in diesen Spielen beeinflußt in keiner Weise die Klassenzugehörigkeit. Es gibt also keinen Auf- und Abstieg. Die Grup pensieger der oberen Abteilung sollen zu einem besonderen Wettbewerb zusammengefaßt werden. Der freie Doktor Ei« Dorforiginal Bon Hans Christoph Kaergel Es ist seltsam. Irgendwie sind uns die Menschen, die wir zu belachen meinen, überlegen. Sie werden mit dem Leben leichter fertig, weil sie es nur wie ein Spiel betrachten, in dem sie selber mitspielen. So ging auch unser freier Doktor immer fast wie ein König durch unser Dorf, obwohl er der Aermste war und im Armenhaus hockte. Aber das ganze Dorf rief ihn, wenn irgendwo einmal das Vieh krank war. Wer' in größter Not zu ihm kommen mußte, der hatte sittsam dreimal an seine Tur im Armenhause zu pochen," dann erst polterte der Doktor heraus und schloß vorsorglich hinter sich ab. Die Weiber besorgten dunkle Erzählungen über Gottfried Pohls verwunschene Stube. Sie hingen ihr allerhand Wunderlichkeiten an. Es hieß, alle Schrecken des Teufels hingen dort an den Wänden. Drum machte man drei Kreuze hinter Gottfried Pohl. Dann mußte er kommen. Er kam auch. Zuvor zog er sich aber seinen Wams an. DaS war ein wunderliches Ding. Uralt und abgewetzt war der Samt. Aber er hatte über der Brust noch eine Schönheit. Es war doch noch ein schwarzes Samtröcklein mit einem mittelalterlichen Hüftenschluß und zwei abgewetzten Schößen daran. Das war die Pracht. DaS einzige, waS Gottfried Pohl an diesem Wams erneuern ließ, waren die feuerroten vier Buchstaben, die er sich quer über der Brust aufnähen ließ. Geheimnisvoll prangte es dann dort — v. v. ?. — Jeder wußte, WaS diese Buchstaben zu bedeuten hatten. Auch unser guter Kantor wußte eS. Aber er kannte die schwache Seite unseres lieben Taugenichts, und jedePnal, wurn er ihm begegnete, blieb er stehen: „Pohl, ich bin ein vergeßlicher Mann. Sagt mir. WaS für ein Geheimnis ber gen die vier Buchstaben dort?" Und Pohl reckte sich, überlegte eine Weile, indem er die allwöchentliche Mittaasspeise b«m Herrn Kantor in Rechnung setzte und antwortete dennoch regel mäßig mit demselben stolzen Gesicht: ,Lerr Kantor, das heißt: Freier Doktor Gottfried Pohl". Befriedigt nickte der Kantor und winkte ihn zu sich heran. Dann tippte er auf die roten Buchstaben und entgegnete ihm seine abweichende Uebersetzung, daß es weit ins Dors hineinschallte: „Nein, mein Lieber, das heißt: Fauler DeM Gottfried Pohl!" Dann schlug Pohl wie nach hinten aus und war nicht mehr zu sehen. Um den Kantor aber schlug er eine Weile dann Bogen um Bogen, bis er ihm doch wieder in die Quere kam. Nur ein mal rächte er sich. «I» ihn der Niedermüller AmadäuS Gruner aus dem Nachbardorfe zu feinen Schweinen rief, die sich mit dem Rotlauf quälten. Und da eS Pohl schon zweimal gelungen war, den Kühen beim Thiemann-Bauer auf die Beine zu helfen, so würde er es auch bei den Schweinen können. Er schickte einen Knecht zu Pohl, aber der kam unverrichteterdinge wieder heim. Pohl habe selber daS Reißen und könne nicht auf die Beine. Nun gut, so ließ Gruner den Brettwagen anspannen. Als Pohl den Breitwagen vor dem Armenhause stehen sah, winkte er gelassen ab. Gruner möge sich seine Schweine selber gesund beten, aber in einem Breitwagen ließe sich kein Doktor holen. Gruner fluchte. Aber da die Magd jammerte, baß das fetteste Schwein schon eingegangen sei, da ließ Gruner den GlaS- wagen einspannen. Als der GlaSwaaen in unser Dorf kam, kamen die Kinder gerade auS der Schule. Wohin wolle wohl der GlaSwagen? Die verwegensten Jungen machten sogar ein Stück Reise mit ihm und hingen sich hinten an. Die anderen kreischten hinterher. Auch der Kantor sah einmal nach dem Rechten. Wenn er sich nicht täusche, fuhr der Glaswagen den Hohlweg hinauf und rumpelte zum Armenhause hin. Wahrhaftig — er hielt vor Gottfried Pohls Tür. Die Ärmenhaustür knarrte und der freie Doktor trat kerzengerade heraus. Hatte er nicht weihe Hand schuhe an? Wahrhaftig! Sein Samtröckchen schien frisch ge klopft zu sein. Er beachtete den Kutscher nicht. Er winkte nur und bestimmte, daß der Wagen zuvor an der Schule zu halten hätte. Der Wägen zog an, die Pferde holperten mit dem bauchigen schwärzen Ungetüm den Hohlweg Hinab. Gottfried Pohl drückte den Kopf an die Scheiben und grüßte wie ein Graf. Die Kinder rasten mit ihm. Einer schrie in die Schule hinein: ,Herr Kantor, der Viehdoktor sitzt im Glaswagen!" Das war arg. Da ließ sogar der Kantor den Löffel fallen und eilte hinaus. Richtig, der freie Doktor Gottfried Pohl fuhr vor, öff nete den Wagenschlag, zog den glänzenden Zylinderhut von: Kopfe und sagte nur: „Ich habe die Ehre, Herr Kantor!" Da rückte das Gespann wieder an. Der Herr Doktor fiel ins Polster zurück und der Herr Kantor konnte vor Lachen seine Suppe nicht essen. Vom Niedermüller Gruner aber hieß es. daß er am anderen Tage vor Wut Töpfe und Teller zerworfen hätte, weil ihm trotz der schönen Fuhre und aller wundersamen Ge betssprüche doch vier Schweine verendeten. Auch sagte man nach, er wäre später herübergekommen und habe dem freien Dok tor Gottfried Pohl das Honorar mit eigener Hand auSgAablt, wobei es freilich ein wenig arg zugegangen sei. Jedenfalls ließ sich der Herr Viehdoktor fortan nicht mehr mit dem Wagen ab holen. Aber seine Kundschaft verlor er dennoch nicht. Zwar wurde keiner recht schlau daraus, wie Gottfried Pohl zu seinen Hei lungen gekommen war. Aber die alten Weiber schworen darauf, daß er gut sei. Wenn die Schweine den Rotlauf hatten, war es recht, wenn Gottfried Pohl mit wundersamen Sprüchen den trockenen Mist verbrannte. Dabei sprach Pohl die wunderlich sten Verse aus den Propheten Habakuk, Sephania, Hagahi, Zacharia und Maleachi. Denn niemand im Dorfe kannte sie. Nur die Namen waren noch im Gedächtnis. Er brauchte sie bei allen Kuren. ES kam dabei nicht auf den Sinn an. Wenn nur die Worte donnerten und blitzten. Nach den frommen Sprüchen wurde die Asche deS verbrannten Mistes inS Wasser gestreut und den Schweinen zu saufen gegeben. WaS sie üvrigließen, schüttete der Doktor hinterher über den ganzen Stall. Diese Kur half nicht oft, aber sie hatte einmal beim Thiemann-Bauern geholfen, und der mußte eS doch wissen. Oder Pohl stand drei Nächte lang betend mit nackten Füßen im Stall und betete den Teufel hinaus. Dazu waren ihm die vergessenen Propheten gerade recht. So erhielt sich Gottfried Pohl sein dunkles Gewerbe. Zu letzte glaubte er selbst daran. Ein Weib hatte er nicht mehr angesehen. WaS sollte eS ihm auch? Er hatte den ganzen Tag zu tun, um mit sich fertig zu werden. Die Stube oesorgte er sich selbst. DaS Essen holte er sich der Reihe herum bei den Bauern. Einen Spargroschen, den eS bitt und da abwarf, ver steckte er sich im Strohsack. Er sollte ihm ein seliaeS Begräbnis ermöglichen. Er hatte lange darauf warten müssen. Und alS eS endlich so weit war, hatte er wirklich so viel gespart, daß seine letzte Fahrt so königlich im Dors war, wie sein stolzes Ar menleven. Die Dorfkapelle war bestellt und Vlies ihn hinein. Ein paar Weiber geleiteten ihn auf dem letzten Wege. Und eS war mehr ein Symbol, daß im gegebenen Abstand noch drei Gänse dem Trauerzuge folgten. Oberschlestsche Anekdoten Dle heiralserlaubnis Ein armer Bergmann in Tarnowitz war in ein Mädchen verliebt und wollte es heiraten. Er ging also zu seinem Berghauptmann, der damals (1779) Friedrich Wilhelm Graf von Redern, der spätere Staatsminister, war, und bat ihn um die Heiratserlaubnis. Redern, damals noch unverheiratet, wollte ihm die Heirat aus reden: „Glaubst du denn, daß du eine Frau ernähren kannst? Wie viel verdienst du dKm jährlich?" „Herr Hauptmann", antwortete der Bergmann, „das Jahr ist lang, und ich kann es nicht gleich genau sagen, wieviel es ist. Jeden falls bekomme ich am Löhnungstage, alle zwei Wochen, zwei Taler Kassengeld!" ,Före, mein Sohn," war Rederns Antwort, „ich will dir etwas sagen. Ich kenne jemanden (er meinte damit sich selbst), der alle 14 Tage wohl zwanzig mal zwei Taler Kassengeld bekommt und sich trotzdem nicht traut, eine Frau zu ernähren. Was sagst Lu dazu? ' Der Bergmann sah seinen Vorgesetzten kopfschüttelnd an. Dann sagte er: „Herr Berghauptmann, das muß ein rechter Hundsfott sein, der mir so viel Geld keine Frau zu erhalten sich getraut!" Lächelnd erwiderte Redern: „Nun, weil du einen so hohen Trumpf drauf setzt, sollst du dein Mädchen heiraten!" * Lin kurioses Pferdefuller Der vor zwanzig Jahren verstorbene Fürst Hans Heinrich XI. von Pleß befand sich eines Abends von der Jagd in seinen weit ausge dehnten Wäldern auf dem Heimritt. Auf diesem wurde er von einem starken Schneetreiben überrascht und es blieb ihm nichts weiter übrig, als in einem Gasthaus Unterschlupf zu suchen, in dem nur polnische Bergarbeiter und Holzfäller verkehren. Als er das Gastzimmer be trat, saßen dis polnischen Gäste um ein Helles Kaminfeuer herum, ohne -aß es einem einzigen eingefallen wäre, dem halberstarrten Für sten Platz zu machen. ,Herr Wirt", rief er nun, „sorgen Sie, daß mein Pferd ein halbes Dutzend warme Würste bekommt!" „Eine Metze Hafer meinen Sie wohl?" ' Hch weiß recht gut, was ich sage, ich meine warme Würste. Hal ten Sie sie dem Pferde nur in einer Mulde vor." Der Wirt ging kopfschüttelnd hinaus und die am Kaminfeuer herumsitzenden Polen schlichen einer nach dem anderen gleichfalls hin aus, um das Pferd zu sehen, das warme Wurst frißt. Indessen hatte Pleß Zeit, sich den besten Platz am Kaminfeuer auszusuchen und sich- bequem zu machen. Bald kam der Wirt mit den Gästen zurück und sagte: „Herr, das Pferd mag keine warmen Würste!" . „Gut", antwortete Pleß lachend. — „so gib ihm Hafer und bring mir die warmen Würste und recht viel Senf dazu!" Preußische Generalparole Als der Sohn einer alten preußischen Generals zum ersten Male ins Feld zog, reicht« der Dater ihm beim Abschied einen Degen mir den Worten: ,Sm Knopfe dieses Degens steckt ein Talisman, der dich in jeder Schlacht schützen wird. Gib mir ober dein Ehrenwort, daß du den Knopf nie abschrauben wirst, die Kraft des Talisman» ginge sonst für dich verloren!* . Der ftmg« Soldat gab es und zog hinaus. Nach Beendigung des Kriege« kehrte er zu seinem Bater heim. Der General bewillkommte ihn herzlich und erlaubte ihm lächelnd auf seine Bitte, den Knopf d"
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