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Der sächsische Erzähler : 26.08.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193908267
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19390826
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19390826
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-08
- Tag 1939-08-26
-
Monat
1939-08
-
Jahr
1939
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 26.08.1939
- Autor
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Gönnen kraft Und immer wieder sinkt ter Winter unb immer wieder wird r» Frühling und immer wieder stehst du und freust dich au de« ersten Grün «ad wenn die kleinen Veilchen blühn, und immer wieder ist es fchd« und «acht es jun, und «acht es früh, und o» du » tausendmal gesehen: Venn hach in lauen blauen Lüfte« die ersten Schwalbe« luftig zwitscher« ... immer wieder ... jede» Jahr ... sag', ist da» nicht wunderbarst! Dies, stille «rast der Seele: Immer neu sich aufzurtngen au» de« Banne trüber Vinter, au» dem Schatten grauer Richte, au» der Tiefe in die Höhe ... sag', ist La» nicht wunderbar: Diese still« «rast de- Peele, immer wieder sich zur Sanne zu befrei'«, immer wieder fwlz zu werden, immmer wieder frag zu sei«! Das Arbeitsjubiläum Skizze von Erich «laila LukaS kann ein Jubiläum feiern: vierzig Jahre Zugehörig keit zum Werk. Er tmll nicht, daß ein Ereignis darau» gemacht wird. Er schimpft am Morgen laut über Trina, nur weil sie gesagt hat: ,Kun ist es also soweit, Lukas . . Lukas wacht argwöhnisch, daß sich die Frau wie jeden Tag benimmt. Er riecht mißtrauisch am Kaffee; denn er will nicht, daß die Frau zur Feier des Tages einen besseren Kaffee al» sonst kocht; er nimmt auch die zusammenaelegten Brotscheiben auSein- ander, ehe er davon ißt. Hätte die Frau mehr Butter verstrichen äl» sonst, Luka» würde da» Frühstück wortlos hingelegt haben. Du mußt mich nicht für dumm halten! hatte da» auSdrücken sollen. Daun ist LukaS im Werk. Die Räder der Drehbank laufen an. Metallspäne schimmern weiß; wie gestern ist e», wie e» im mer gewesen ist, die vierzig Jahre hindurch. Na! denkt LukaS, daß sie mir nicht die Arme auSreißen mit Beglückwünschen, kann mir nur recht sein. Aber zu vergessen brauchten sie nnch nicht. Es sind doch immerhin vierzig Jahre, die ich hier bin; die bleiben, so und auch anders gerechnet, in jedem Fall vierzig Jahre. Die sind beinahe ich. Wenn ich die vierzig Jahre von mir abziehe, dann bleibt nur noch der Sieb zehnjährige übrig, der sich eine» Montagmoraen» beim Werk pförtner da» erstemal die Kontrollmarkegeholt hat. Ist es denn in meinem Fall viel ander» al» in der Geschichte, die ich irgend wann und irgendwo gelesen habe, die Geschichte meine ich, die von einem Bau handelt, in den Lebendige» etngemauert wurde, damit er Bestand hatte? Ich glaube nicht, daß eS sehr viel an ders ist. Die vierzig Jahre von mir sind etngemauert in diese» Werk, und deshalb hätte man den heutigen Tag, und was er für mich ist, nicht übersehen dürfen. Sie hatten den Luka» nicht vergessen. In der Werkspause. in der Kantine unten, kamen sie heran. ,Lukas!" sagten sie. Sehr viel mehr wußten sie nicht. Alle», was sie hatten sagen wollen und nicht konnten, weil die Schwere ihre» Tagwerks ihre Sprache schwer gemacht hatte, teilten sie mit einem Händedruck dem Lukas mit. Sie schenkten ihm eine golden« Uhr mit Gprungdeckel. „Die ist von uns!" sagten sie stolz und warteten, was er sagen und wie er sich benehmen würde. Die warten wie Trina, mußte LukaS denken. Wenn Trina mir am Geburtstag ein Geschenk hinlegt, wartet sie genau so: Die Arme ineinandergetastet, und um die Mundwinkel wartet ein Lächeln, bereit mitzuhalten, wenn ich dann lache. Da lachte LukaS, weil er sich freute, und damit die anderen ihr Lachen loswurden. „DaS hätte es aber wirklich nicht ge braucht!" sagte er und meinte die Uhr. Der BetriebSMrer kam. „Wir machen eS kurz", sagte er, „daS Offizielle holen wir beim nächsten Kameradschaftsabend nach." Dann hielt er aber doch so etwas wie eine Rede, und alle meinten, es sei eine sehr schöne Rede gewesen; richtig feierlich, sagten sie. DaS Ende war, baß dem LukaS für einen morgen beginnen den Urlaub eine Kart? zur Teilnahme an einer Reise mit KdF. nach Italien auSgehändigt wurde. Als Lukas wieder an der Drehbank stand, zog er einmal ver stohlen die neue Uhr aus der Tasche, ließ den Deckel aufspringen und sagte zu einem Unsichtbaren: „Es ist genau drei Uhr, Sig nore!" Dann wischte er sich über die Stirn, denn eS war un menschlich heiß in dem Neapel seiner Vorstellung. Nach Feierabend verließ er das Werk. Er wird der Trina daheim umständlich vom Verlaufe des TageS berichten. Und übermorgen wird er nach Italien fahren, und eines Tages wird er wieder hier sein, und dann wird er den Rest seiner Ärbeitsjahre in Las Werk einmauern. Denn es ist in sei nem, deinem und meinem Falle nicht anders als in der Geschichte, die er und du und ich irgendwann und irgendwo einmal ge lesen haben, die Geschichte von dem Bau meine ich wieder, in den das Leben eingemauert werden muß, die Jahre des Lukas, die defnen und die meinen, damit der Bau Bestand hat. en wie goldene Punkte Das ist nichts für An- Die Bekehrung Heiteres Geschichtchen von Harro-Heinz Jakobsen Als Rudolf Braun um die dritte Morgenstunde nach Hause kam, hob er in dem Besuchszimmer schnuppernd die Nase. Nach einer Weile pfiff er trocken durch die Zähne und legte den un verbrannten Rest einer Zigarre behutsam vor sich ar» de» Tisch. Unter dem Kerzenlicht ließ sich deutlich erkennen. Laß eS einmal eine Brastlzigarre gewesen sein mußte, die hier geraucht worden war. . Rudolf warf sich in einen Sessel und faltete seine Hände vor dem Gesicht. Er dachte stark nach. Von Zeit zu Zeit starrte er den winzigen Fund auf dem Tische an und seufzte. Die Sache war eigentlich ganz klar: In seiner Abwesenheit war jemand hier gewesen und hatte geraucht. Für gewöhnlich rauchten nur Männer Zigarren, zum mindesten solche dunklen wie diese hier! Und Inge empfing doch niemanden während sei ner Abwesenheit. DaS war noch nie vorgekommen . . . Rudolf heftete seine Augen erschrocken auf die Anrichte beim Büfett. Dort standen zwei benutzte Gläser. Cherry, stellte er fest, als er ein Glas unter seine Nase hielt. Er unterdrückte «inen leisen Fluch. Irgendwie fingen die Wände an, sich um ihn zu drehen. Das war doch . .. Ja, eS stimmte, Inge war am Abend Löse gewesen. Sie hatte inS Theater gehen wollen, und er war zum Direktor des Auto mobilwerkes, bei dem er angestellt war, telephonisch gerufen worden, weil der Ingenieur die Pläne zur Neukonstruktion fer tig hatte. Schließlich war er doch in der Konstruktionsabteilung deS Werkes angestellt und mußte unbedingt dabei sein. Inge aber hatte natürlich geweint, als es so gekommen war. „Wozu bin ich denn überhaupt deine Frau?" hatte sie gesagt. .Immer deine AutoS und nochmals Autos! Es ist furchtbar! Und außerdem glaube ich eS dir einfach nicht, daß der Direktor angerufen hat. DaS kannst du mir nicht Weismachen. Du betrügst mich schändlich!" Dje Tränen waren noch reichlich geflossen. Was hatte es genützt, daß Rudolf immer wieder beteuert hatte: „Aber Kind, soviel solltest du mich doch kennen! Betrü gen?! Welche Idee! Meinetwegen kannst du dich bei dem Di rektor erkundigen." „Direktor?" hatte Inge geunkt, „Direktor!" Es war einfach nichts zu machen gewesen, und Rudolf war zuletzt nichts anderes übriggeblieben, als in Aeraer fortzugehen. Und nun hatte Inge diese furchtbare Dummheit gemacht, hatte sich jemanden eingeladen und mit ihm Cherry getrunken! Frauen in Eifersucht sind zu allem fähig, Rudolf stellte das Glas wieder hin, das er solange in der Hand gehabt. Es war zwecklos, daß er hier noch länger stand, völlig sinnlos. Langsam stieg er die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Vorsichtig öffnete er die Tür. Ach! Inge schlief. Wie friedlich sie in den Kissen lag! ES war schrecklich, zu denken ... Neml Aber er mutzte sie Wecken und mit ihr reden, jetzt, gleich auf der Stelle. Rudolf ging, einige Schritte näher. Sein Fuß stieß gegen irgend etwas. Rudolf bückte sich und hob «S auf. Es war eine Zeitschrift. Natürlich hatte Inge gelesen und war daüber ein geschlafen. DaS machte sie immer. Er legte das Heft, da» auf geschlagen war, auf den Nachttisch. Ein gut photographierter Tiger war auf der einen Seite. Rudolf warf einen flüchtigen Blick darauf. Dann stutzte er. . ° , Er las mechanisch Len Anfang der nächsten Seite. „Bekeh rung" stand darüber. Danach las er voll Interesse Welter: „Misst« Donnel in Baltimore kam auf den immerhin nicht alltäglichen Einfall, ihren Mann, der fast Abend für Abend seine Frau allein ließ und sich in Nachtlokalen amüsierte, zu bekehren. Sie rauchte., obwohl sie sehr viel Widerwillen zu überwmden hatte, im Wohnzimmer spät eine Zigarre, stellte zwei Gläser, in denen sie Likör umgespült hatte, irgendwohin und ging dann ruhig schlafen. Mr. Donnel, der in später Nachtstunde die Stube betrat, den Zigarrenrauch und den Likör entdeckte, wurde seit dem zum besten Ehemann der Welt." _ Neber Rudolf» Gesicht lief am Ende de» Berichtes ein stille» Lachen. So, er war also dieser Lebemann Donnel au» Balti more! Und er trieb sich in Nachtlokalen herum! Köstlich! Er ^eu^te^ich leise nieder und flüsterte ihr ins Ohr: „Du große Inge schlug die Augen auf. „Rudolf", sagte sie, „aut, daß du La bist! Ach, mir ist so übel. Du glaubst es einfach nicht." Rudolf strich ihr übers Haar. Entfernt roch es nach einer Zigarre. Es war nur gut, Latz Inge sein Gesicht nicht sah, das so lustige Falten hatte. „Morgen gehen wir bestimmt ins Theater", ergriff er ihre Hand und streichelte sie. Lievekensmarkt Erzählung von H i l d e Heisinger Wenn die Rosmarienheide blüht, ist in Aarlen Lievekens- markt. Dann schreiben Wochen vorher alle heiratslustigen Mäd chen einen Brief an Gastwirt Buyffelman. Einen langen Brief, in dem genau ausgezeichnet ist, was die hohe Brauttruhe an Schätzen birgt: Ein Dutzend rosa Nachtjacken aus festem Köper, ungebleichte Baumwollstrümpfe und viele Meter selbstgeklövpelte Brabanter Spitze. Im Sparstrumpf stecken verborgen blanke Geldstücke. Von den fetten Erbausstchten ganz zu schweigen. Gastwirt Buyffelman liest das alle» mit hochgezogenen Brauen und sortiert. Denn auch die jungen Burschen haben Briefe geschrieben, mit allem darin, was sie besitzen und sich wünschen. Und alle Ehen, die der liebe Gott in himmlischer Voraussicht nicht geschloffen, fügt Gastwirt Buyffelman mit pfiffiger Berechnung doch zusammen. Morgen ist wieder LievekenSmarkt! Aleida Potter hat ihre glatten, schwarzen Haare in dreißig kleine Zöpfe geflochten und mit Zuckerwasser angefeuchtet. Las gibt einen Krauskopf, der sich sehen lassen kann, und abends wird sie einen Schatz am Arm haben. Sie geht mit tänzelndem Gang zur Pumpe auf dem Marktplatz und läßt den Schwengel auf und Nieder fliegen. Morgen ist LievekenSmarkt! Sie steht sich heraus fordernd um. Aber niemand ist da, der spöttisch lächelt. Mit festem Griff nimmt sie die vollen Täten und geht sum mend nach HauS. AlS sie an der Gracht vorüberkommt, sieht sie Anneke van der Heyden htnterm Fenster. Nur den gebeugten Kopf kann sie sehen, denn Anneke sitzt übers Klöppelkissen ge neigt und nutzt die letzte TageShelle aus. Aleida stellt die Töten vorsichtig hin und klopft anS Fenster. ,Latz seh'n, wie weit du bist", sagt sie und besieht staunend die verschlungenen Lämmchen, Trauben und Kreuze, die Anneke für die Ältarvecke der Beguinen klöppelt. „Morgen ist LievekenSmarkt, Anneke, komm doch mit. .." Aber Anneke wehrt erschrocken ab und die Röte steigt ihr bis zur Nasenwurzel, wo die Sommersprossen wie goldene Punkte sitzen. LievekenSmarkt! Erbarme dich! Das ist nichts für An- neke van der Heyden, deren Mutter Len ganzen Tag betet, daß ihr Kind ein Nönnchen wird. Nein, nein. Sie schüttelt noch lange hinterher den Kopf, als Aleida längst mit ihren Wasser töten jenseits der Brücke ist. Aber mit etnemmal wallen die flin ken Finger nicht mehr so recht. Netzschlag — Leinenschlag, immer hin und her. LievekenSmarkt? Sie muß doch einmal nachsehen, was alles in ihrer Truhe steckt. An der schlummernden Mutter huscht sie vorüber ins Schlafkabinettchen und holt aus dem Kleioerspind daS grüne Kleid mit Len bunten Perlen. Sie schiebt die Passionsblumen zur Seit«, die den Spiegel zwischen den bei den Fenstern überwuchern, und sieht verlegen hinein. Wie blaß sie ist. Das macht die Stubenluft tagaus, tagein. Wie überan strengt sind ihre Augen! Sieben Meter Spitze für die Altar decke find schuld daran. Und ihr Haar, da» so kupfern ist wie die Mörser und Kessel auf dem Gesims, ist in ein schwarzes, ge häkeltes Netz eingezwängt. LievekenSmarkt — sic sitzt auf dem Bettrand und träumt. Nein, nein, da» ist nicht» für Anneke van der Heyden! Aber al» die Mutter fragend au» der Stube ruft, geht sie mit rotem Kopf hinüber und sagt, daß sie morgen neue» Garn von den Nönnchen in Aarlen holen wird, für die Spitze ... Am anderen Morgen ist Anneke schon in aller Frühe auf den Beinen. Sie versorgt daS Hau» und kocht eine große Kanne Kaffee für die Mutter. Sie hat ihr grünes Kleid angezogen und rote Flecke im Gesicht vor Erregung. Jeder wird e» Ihr ansehen,' daß sie nicht zu den Nönnchen will, denkt sie verschämt, am sie mit gesenktem Kops über die Straße zum Bahnhof rennt. Es ist aar nicht weit bi» dorthin. Aber Anneke hat nicht an die Ztehbrucke gedacht, di« kurz vor dem Bahnhof über die Gracht führt. Al» sie atemlos ankommt, sind die beiden Brückenhälften hochgewunden. Ein breiter Lastkahn wird vorsichtig und langsam durch die enge Wasserstraße gestatt. Lorn am Bug steht ein arauer Spitz und bellt frech in den frühen Morgen hinein. Der Rahn hat nur wenig Stückgut geladen und ragt hoch qzch dem Wasser. Für Anneke ist e» nur ein kleiner Sprung hinab am» Boot. Hilfesuchend steht sie sich um. ob nicht irgend jemand sie auf der anderen Uferseite die kleine Kaimauer hinaukiehen wird. Schon weitet sich die Gracht »um Kanal, und ehe Anneke sich versieht, liegen Ziehbrücke und Ufer weit, weit hinter ihr. Sie steht mit hängenden Armen. Bis der bellende Spitz st« auf schreckt und der junge Schiffer am Steuer sie mit vergnügtem Schmunzeln mustert. „So, so, nach Aarlen? Eben dahin wollte ich auch —Er kneift ein Auge zu, als er da» sagt, und Anneke weiß vor Ver legenheit nicht, wohin sie sehen soll. Sie setzt sich auf die auf- aeschossenen Taue und zieht ihr grünes Kleid bi» über die Fuß spitzen herab. Die kleinen. Perlen am Halsbort glitzern in der Sonne. Aber Heller noch funkelt ihr kupfernes Haar, da» in dicken Flechten den ganzen Kopf bedeckt. Sie ist so hochrot vor Aufregung im Gesicht, daß man die Sommersprossen gar nicht erkennen kann. Der Schiffer raucht aus seiner weihen Tonpfeitz und steht Anneke an. Die Ufer gleiten sachte vorüber. Im Wasser spiegeln sich Himmel und Weiden und die grasenden Kühe. Manchmal zeigt der Schiffer mit der Pfeife auf eine Windmühle oder ein Gehöft und sagt einen Namen. Nur als sie nach drei Stunden an einer kleinen Stadt vorüberkommen, sagt er nicht». Vielleicht, weil der Schiffsjunge gerade Kaffee in blauen Kümpchen heraus bringt, mit Kandiszucker darin, und ihn am Steuerrad ablöst. Mittags steigt Anneke in die klnne Kombüse hinunter und han tiert mit flinken Bewegungen, während der Schiffer auf der halben Treppe sitzt und mit der Pfeife weist, wo Kartoffeln und Salz zu finden sind. Gegen Abend sind sie immer noch nicht in Aarlen. Aber der Schiffer weiß nun ganz genau, was alles in AnnekeS Braut truhe ist, daß sie das HauS an der Gracht später erben wird. Und daß sie niemals ein Nönnchen wird. Sie hat ihm beim Erzäh len die Socken gestopft während der langen Fahrt. „DaS HauS", meint Ler Schiffer, „brauchen wir ja gar nicht, Anneke, wir haben ja unser Boot . . ." Als die ersten Sterne funkeln, wundert Anneke sich schließ- lich doch, daß sie immer noch nicht in Aarlen sind. Aber der Schiffer legt im Dunkeln den Arm um sie und sagt, daß er an Aarlen, an dem LievekenSmarkt, längst vorübergefahren sei, um die Provision für sie beide an Gastwirt Buyffelman zu sparen. Das Schmeichelbuch Bon Christian Bock Im Leben braucht man Wohl manchmal etwas, an dem man sich ausrichten kann, Zuspruch und Trost und schulterklopfende Ermutigung, wenn einmal alles grau und traurig ist, so weit man sehen kann, wenn einem so richtig hundeelend zumute ist — neulich habe ich von einem Mann gehört, der eine wunderbare Idee hatte, eine Idee, sage ich euch . . . Manchmal, wenn man Ermunterung braucht, hilft ja eine Schallplatte, em gutes Wort oder ein wenig zu trinken, wenn eS etwas richtig Gutes ist, aber manchmal hilft das alle- mitein ander nicht. Der Mann, von dem ich berichte, ging in einen Pavierwaren laden und verlangte ein Notizbuch. Er wählte ein WachStuch- heft aus, biegsam und ganz rot wie Sonnenuntergänge. In dieses Buch trägt er ab und zu etwas ein. Und dann also, wenn er Trost braucht, holt er sich das Buch und setzt sich damit in einen Sessel — und steht nachher getröstet auf. In dem Buch stehen Schmeicheleien eingetragen, die ihm irgend jemand sagte oder die ihm zugetragen wurden. In dem Buch siebt es ungefähr so aus: Tante Emilie an ihrem Geburtstag zu einigen Damen: „Er ist trotz allem im Grunde doch ein netter Kerl, das wollen wir ihm nun lassen!" Ein unbekanntes Fräulein gestern in der Straßenbahn: „Was fällt Ihnen ein, mein Herr!" (Aber sie lachte dabei.) P. M. an einem weinfröhlichen Abend unter Freunden; er legte mir den,Arm um die Schulter: „Den hier", sagte er, „hättet ihr früher mal kennen sollen, da rauste er sich mit Kirchturme», so ein Kerl war bas." Sind das nicht Schmeicheleien, an denen man sich ordentlich die Hände Wärmen kann? Ich habe vor, mir auch so ein rotes Wachstuchheft zu kaufen, und manchmal sitze ich schon da und denke Jahre zurück, ob mir einmal Schmeichelhaftes gesagt wurde. daS ich gleich eintragen könnte, eS stünde doch dann schon ein wenig drin in dem Schmeichelbuch. Für Damen möchte der Entdecker des Schmeichelbuches noch eine besondere Anleitung geben. Der Umschlag darf, im Rot der Sonnenuntergänge eingedruckt, ein sanftes Blumenmuster haben, das gleiche die heitere Gefälligkeit, den Sinn, aefangennimmt. Und alles Schmeichelhafte, daS jemals jemand sagte, darf ohne Scheu hineingeschrieben werden, selbst wenn es um »Wei Grade zu dichterisch geschworen war. (Wie gelb dein Haar ist! Wie Weizenfelder im August.) Und so ein Schmeichclbuch hilft manchmal mehr als Spiegel, die schmeichelhaft bewundern — eS gibt von innen her: be schwingten Schritt und festliche Bereitschaft, den Tag. der heute ist, zu loben. Legt euch ein Schmeichelbuch an! Das automatische Wunderdach Ein reicher Amerikaner hat sich in Cannes, Frankreich, eine Villa bauen lassen, die ein technisches Wunder varstellcn soll. Der Hausherr braucht so gut wie gar keinen Handgriff zu tun, denn alles regelt sich auf mechanischem Wege. Er »raucht nur Knöpfe und Schalthebel zu bedienen — darin besteht die ganze Arbeit. Auch das Dach der Villa ist ein Wunderwerk für sich. ES kann aus mechanischem Wege zurückaeschoben und ebenso wieder in die alte Lage gebracht werden. Neulich hatte der Hausherr verschiedene Gäste eingeladen, die von ihren Klubsesseln au» in den Nachthimmel hinauSblickten. Alle bewunderten die sinnreiche Einrichtung des verschiebbaren Dache». Plötzlich zog ein Gewit ter herauf und die ersten Regentropfen sielen in da» offene Zim- mer. Lächelnd und stegesgewiß erhob sich der Hausherr, drückte auf den Knopf, drückte noch einmal und noch einmal, aber das Dach bewegte sich um keine« Zentimeter vorwärt». AlS der Re gen wie aus Kübeln Herabaoy, entstand unter den Gästen eine Panik. Man flüchtete in die unteren Zimmer. Nachdem da» Gewitter verrauscht war, funktionierte das verschiebbare Dach wieder ganz vortrefflich.
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