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56 Diskussion Prof. Dipl.-Ing. Kühn, Dresden: Wir können heute mit den Leitungen der elektrischen Energieübertragung jede in Betracht kommende Entfernung überbrücken. Mit Drehstrom können nach dem heutigen Stand der Leistungen von 600, 900 bis 1300 MW je Stromkreis über Strecken bis 1000 km übertragen werden, und zwar mit den Spannungen von 400 kV und 500 kV. (Solche Übertragungslängen sind heute bereits in Betrieb.) Nur müssen bei Längen von 600 bis 1000 km besondere Maß nahmen, und zwar Stützstationen im Verlauf der Leitung mit Phasenschiebern oder Reihen kondensatoren, vorgesehen werden. Es wird jetzt versucht, die Spannung für Drehstrom weiter zu erhöhen; es werden Anlagen geplant mit Spannungen von 650 kV. Weiter ist eine Versuchsanlage für eine Spannung von 750 kV in Bau. Diese Anlage ist so ausgelegt worden, daß für die Versuche die Spannung sogar weiter auf 1000 kV erhöht werden kann. Man hofft, durch diese hohen Spannungen mit Drehstrom Entfernungen bis 1500 km und gegebenenfalls noch mehr überbrücken zu können. Herr Engelmann hat schon darauf hingewiesen, daß für jede elektrische Leitung eine bestimmte Höhe der Übertragungsleistung festzustellen ist, bei der die Übertragungskosten pro kWh ein Minimum erreichen. Wenn man also auf Leitungen mit höheren Spannungen über geht, dann setzt dies voraus, daß auch Leistungen in etwa dieser Höhe zu übertragen sind. Sowohl geringere als auch größere Leistungen würden höhere Kosten ergeben. Vom Kosten minimum aus steigen die Übertragungskosten mit geringer oder größer werdender Über tragungsleistung zunächst nur langsam an, so daß sich für die wirtschaftlich übertragbare Leistung ein entsprechender Bereich ergibt. Wenn wesentlich höhere Leistungen zu übertragen sind, so hat man jetzt noch die Möglichkeit, auf eine entsprechend höhere Spannung überzu gehen (z. B. auf 500 kV oder 650 kV). Eür Leitungen mit hochgespanntem Gleichstrom liegen die Verhältnisse bezüglich der möglichen Spannungshöhe, der Übertragungslänge und der Größe der zu übertragenden Lei stung noch etwas günstiger als bei Drehstrom. Es können heute schon für hochgespannten Gleichstrom Spannungen von 800 kV verwendet werden. Damit können Entfernungen von 1200 km mit Leistungen von 1200 MW überbrückt werden. Es wird erörtert, die Spannungen bei hochgespanntem Gleichstrom noch weiter zu erhöhen. Das liegt auch durchaus schon im Bereich der Möglichkeit. Man kann jetzt schon Spannungen bis 1200 kV in Betracht ziehen. Damit wären Leistungen von ca. 2000 MW zu übertragen und nach den heutigen Feststellungen Ent fernungen bis 2500 km zu überbrücken. Dies ist die Leistung für einen Stromkreis. Da man für hochgespannten Gleichstrom ebenfalls Doppelleitungen errichten kann, können also mit einer solchen Leitung Leistungen von 4000 bis 5000 MW übertragen werden. Es können da durch z.B. von den größten Wasserkraftwerken, die auf der Erde errichtet werden können, die Leistungen, die bei Vollausbau Werte bis 4000 MW erreichen, durch eine Doppelleitung mit hochgespanntem Gleichstrom ohne weiteres weit entfernten Gebieten zugeführt werden, wo solche hohe Leistungen verwendet werden können. Die größten Wasserkraftwerke liegen meist in Gebieten, wo eine Verwendung von Leistungen in dieser Höhe nicht möglich ist. Die Aus nutzung der größten Wasserkräfte wird also durch die hohe Leistungsfähigkeit der elektrischen Energieübertragung überhaupt erst möglich. Nun zu den Kosten. Hier muß man sich natürlich vorher darüber klar werden, welche Über tragungskosten wirtschaftlich noch vertretbar sind. Die Leitungen können dann durch Wahl der Spannung entsprechend ausgelegt werden. So können z.B. dieÜbertragungsverluste dadurch ver mindert und in tragbaren Grenzen gehalten werden, daß die Querschnitte der Leiter entsprechend groß gewählt werden. Hierdurch steigen natürlich die Baukosten. Man muß nun beide Faktoren entsprechend den gegebenen Verhältnissen gut abstimmen. Im allgemeinen rechnet man z. B. bei 110 kV, daß bei 100 km Übertragungslänge die Kosten nicht höher werden dürfen als 0,02 DM/ kWh. Sind größere Entfernungen zu überbrücken, so ist es meist so, daß die Kilowattstunde an der Erzeugungsstelle mit geringeren Kosten anfällt, so daß diese Kilowattstunde auch bei höheren Übertragungskosten am Verbrauchsort noch konkurrenzfähig sein wird. Die Wirtschaftlich keitsberechnung für die Übertragungskosten muß also sehr sorgfältig durchgeführt werden. Es läßt sich aber schon sagen, daß die Übertragung über die in Betracht kommenden Längen bis zu 2000 bis 2500 km mit den elektrischen Leitungen wirtschaftlich durchführbar sein wird.