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qjvIx un urynviT 82 Marga velaligl sich joziol. ü!) „Ihr Streußelkuchen ist noch genau so ideal wie in meiner Knabenzeit, Frau Pastor, ich erkenne ihn wieder," sagte er heiter. „Wieviel alte Erinnerungen doch eine solche Kleinig keit weckt. Darin liegt für mich mehr Heimatsduft, als in allen Kunstprodukten des Kochs zu Hause, der mir jetzt auf seine Weise auch absolut einen guten Tag machen will." „Heimatsduft?" wiederholte der Pastor. „Sie hängen also doch an dem alten Lande?" „Aber gewiß. Das sind so subtile Bande, daß nach meiner Meinung die vollendete Gesinnungslosigkeit dazu gehört, um sie abzuschütteln. Trotzdem kann freilich die Fremde einen unwiderstehlichen Reiz haben. Man sagt ja, unser Stamm habe gleichzeitig das Fernweh und das Heimweh." „Sie bereuen also Ihre Berufswahl nicht?" „O bewahre. Sagen Sie selbst, was hätte ich hier wer den sollen? „Kamerad von der Garde", wie Bruder Hans? Bei meinem Temperament? Das wäre etwas Schönes ge worden. Nein, ich brauche freiere Luft zum Atmen." „So ein bißchen Urwaldatmosphäre, was?" nickte der Pastor. „So ungefähr. All das konventionelle Wesen mag recht gut sein für Leute, deren Natur darauf angelegt ist, ich passe nicht hinein." Der East hatte den Hut abgenommen; durch das Blätter dach der Laube fielen Sonnenlichter auf das glänzende, tief schwarze Haar. Im Nacken kurz verschnitten, kräuselte es sich in eigensinnigen Ringeln auf die Stirn, die mit ihrer Hellen Farbe einen drolligen Kontrast zu dem Bronzeton des übri gen Gesichtes bildete. Ohne schön zu sein, wirkten die Züge ungemein anziehend, durch den Ausdruck von Fröhlichkeit und gesunder, selbstbewußter Kraft. „Herr Doktor ist Stabsarzt bei der Schutztruppe," sagte die Pastorin, erklärend zu Rose gewandt. „Und unsere, nur an die allerfriedlichsten Dinge gewöhn ten Ohren brennen vor Verlangen nach Berichten von Löwenritten, Tigerjagden und ähnlichen imposanten Eruse- ligkciten," lachte Magda. „Du scheinst deine Kenntnis afrikanischen Lebens vor wiegend aus dem Frciligrath bezogen zu haben," neckte der Pastor. „Selbstverständlich. Also bitte, bitte, Herr Doktor, etwas „vom fernen, fernen Niger, und wo Sic gejagt den Löwen, den Tiger." Zum Dank haben wir uns schon im voraus mit einem edlen Produkt heimischer Kultur versorgt und präsentieren Ihnen das Veste, was unsere Gegend bietet — Fräulein Marholt," lachte Magda, die, wenn der Geist der Neckerei über sie kam, gelegentlich etwas taktlos sein konnte. „Magda," rief Rose unwillig. Des Doktors Augen gingen etwas verständnislos von einer zur andern. „Ich will nicht hoffen, daß Sie nicht orientiert sind," fuhr Magda ausgelassen fort, „Fräulein Marholt ist unsere literarische Berühmtheit. Lasen Sie nie etwas von ihr? Im T-Zournal ist jetzt gerade ein Roman, der mir schon sei Wochen jede erdenkliche Gemütsbewegung verursacht hat, und " Der Doktor sah das unmutige Zucken in dem feinen, klugen Gesicht seines Gegenübers, und verbeugte sich mit der ernsthaftesten Miene. „Ich bedauere unendlich. Bei dem etwas unruhigen Leben, wie ich es drüben geführt habe, entwöhnt man sich leider von der schönen Literatur; ich werde aber versuchen, das Versäumte nachzuholen." Rose biß sich auf die Lippen. War das etwa Spott? Wie taktlos von Magda, sie hier so gewissermaßen ins Schau fenster zu stellen. Sie fühlte, daß sie errötete, ärgerte sich darüber, und errötete nun erst recht. „Sie haben ganz und gar nichts versäumt, ich messe meinen Arbeiten keinerlei Bedeutung bei," sagte sie kühl. „Überhaupt glaube ich, daß es viel mehr im Sinne der Ge sellschaft wäre, wenn Sie bei dem anfänglich angeschlagenen Thema bleiben würden." Er sah, daß sie peinlich berührt war, und konnte ihr das unter den gegebenen Umständen nachfühlen. Gewandt lenkte er das Gespräch auf seine persönlichen Erlebnisse zurück. Der Pastor kam ihm dabei zu Hilfe; er war ein begeisterter An hänger der Kolonialpolitik und wußte durch geschickt gestellte Fragen das Gespräch in die Breite und Tiefe zu ziehen. Der Doktor kannte die meisten der Vorkämpfer des Deutschtums im schwarzen Erdteil persönlich, zu mehr als einem stand er in freundschaftlichen Beziehungen. Er kannte alle die im Vaterlande lange nicht genug gewürdigten Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hatten. Aber auch sonst hatte er genug zu erzählen. Er hatte sich einem Strafzuge angeschlossen, gegen einen Stamm, der eine deutsche Expedition heimtückisch überfallen hatte, und war nur wie durch ein Wunder dem Tode entgangen. Sehr an schaulich wußte er zu schildern. Rose meinte, das Rauschen des Urwaldes zu hören, all die unheimlichen Töne afrikanischer Wildnis, sah die schwar zen Krieger heranschleichen, in der ganzen Gefährlichkeit menschlicher Bestien. Man las ja über diese Dinge in allen Blättern und Zeitschriften, aber ein anderes war es doch, jemand aus eigener Anschauung darüber reden zu hören. Keine noch so gute gedruckte Beschreibung konnte den Reiz des persönlich erlebten und mündlich Geschilderten ersetzen. Und von all. jenem Aufregenden sprach dieser Mann in demselben fröhlich-sorglosen Ton, in dem er ein Abenteuer mit einem bissigen Hunde erwähnt haben würde — ohne eine Spur von Ruhmredigkeit. Es lag etwas Fascinieren- des darin, wie es Desdemona bei den Erzählungen des Mohren empfunden haben mochte. Rose hatte ja ihre Lebensaufgabe, war durch sie in den kleinen Kreis von Tannhagen gebannt, und hatte, vollauf beschäftigt, wie sie war, noch nie darüber hinausgestrebt. Aber doch hatte sie sich volle Sympathie bewahrt für die Mutigen und Freien, die keine Pflicht band, die in die große Welt da draußen hinauseilten, um die Seele zu sät tigen an all den unerschöpflich reichen Eindrücken, womög lich gar Streiche zu tun für die Sache des Vaterlandes und der Wissenschaft. Sie sah den Doktor an, wie er so dasaß, die geschmeidige Gestalt ein Bild frischer Kraft, und unver merkt gesellte sich zu dem sachlichen ein leises persönliches Interesse. Was mochte gerade diesen Mann aus den be quemen Verhältnissen der vornehmen Gesellschaft in ein Leben voll Gefahren hinausgetrieben haben? Tatenlust — Wissensdrang — eine so ausgeprägte Eigenart, daß sie sich in die engen Grenzen der Herkömmlichkeit nicht fügen konnte? Irgend so etwas mußte es wohl sein, er sah nicht aus, als ob er sonst in irgendwelchem Sinne eine „Geschichte" haben könne. (Fortsetzung folgt.) Narga betätigt sich sozial. Lüning- Hannover. Skizze von M. und was macht Marga?" „Die betätigt sich sozial," entgegnete die stolze Mutter, nickte mit dem Riesenhut und sah mit überlegenem Lächeln auf ihre beiden Neffen herab. „Famoses Mädchen!" sagte der kleine Kadett keck, indem er seine zu große» weißen Handschuhe recht fest anzustreifen versuchte. Der Unterprimaner aber bewährte wieder, wie leider so oft schon, seine er schreckende Unfähigkeit, sich durch Tante Leonie imponieren zu lassen, und fragte ganz impertinent sachlich: „Was ver- stehsOdu unter „betätigt sich sozial"?"