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Tonnabend den IS. Oktober. Mettetrißische Aeitage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. (Wird jeder Sonnabends-Nummer ohne Preiserhöhung des Hauptblattes beigcgebcn.) 1887. Sei Freund von Allen: aber lange sichte, Und prüie scharf und faß in jedem Lichte, Und blicke tief bis auf den Grund Dem Manne, dem du in die Arme sinkest; Denn wisse, wenn du Gift statt Heilung trinkest, So bleibt dein Herz auf ewig wund. Sei immer Mann und groß durch eigne Kräfte, Und nie laß andern Händen die Geschäfte, Die dn noch selbst zu thun vermagst; Sei Harmonie in Wort und That und weiche Kein Haar breit; stark wie eine Königseiche, Und felsenfest sei, was du sagst. Stets handle fest nach männlichen Gesetzen, Die du dir schriebst, und eines zu verletzen, Sei Hochverrats an der Vernunft: Trägst du Zufriedenheit in deiner Seele, So hast du Glück für dich geckkig, so quäle Dich nicht um Beifall einer Zunft. I. G. Seume. Im Banne -er Verhältnisse. Roman von Theodor Mügge. (Fortsetzung.) Der Major hörte diese Ausrufungen schweigend an, aber sein Gesicht wurde dabei noch düsterer, und mit seiner Verlegenheit mischte sich eine gewisse Zustimmung zu dem, was Toni für Recht hielt. „Du bist ein Kind und mußt schweigen," sagte er. „Du willst es wohl nicht glauben?" versetzte sie. „Frage, wen Du willst und am besten frage Luisen selbst. Da kommt sie schon. Sie kann Dir auf der Stelle antworten. Wirklich erschien Fräulein Louise in der Nähe, und Toni lief ihr entgegen, während Herr v. Brand lang sam nachfolgte. „Sage gleich die Wahrheit," rief sie ihr zu. „Möchtest Du den Cousin Wilkens heirathen oder nicht?" Die Schwester hielt ihr mit der Hand den Mund zu. Der Vater stand mit ernster Miene vor Beiden. „Das sind Dinge," sagte Luise, „um welche Du Dich nicht zu kümmern hast. Geh' hinein und erwarte uns!" Toni war folgsam. „Wir wollen unsere Gäste rufen," fuhr Jene fort. Er streckte seine Hand nach ihr aus und sagte im väterlichen Tone: „Wenn ichToni's Frage wiederhole, Luise, was dann?" „Dann, Vater," antwortete sie, die klaren Augen auf ihn heftend, „muß ich Nein sagen." „Das ist Dein Wille?" „Mein fester Wille." Es entstand ein augenblickliches Schweigen. „Er ist reich," murmelte der Major, „und wir haben zu bedenken — es ist eine ernsthafte Sache — Du mußt bedenken —" „Ich habe nichts zu bedenken, theurer Vater," fiel sie ein. „Du wirst mich nicht zwingen wollen, einen Mann zu nehmen —" „Den Du nicht magst," sagte er so lebhaft, als erleichtere sich sein Herz dabei. „Nun, mein Kind, ich zwinge Dich nicht. Mir gefällt er eben so wenig, Gott weiß es! aber — der Teufel hat ihn hergeführt!" setzte er mit Heftigkeit hinzu, „und ich weiß nicht, wie wir ihn los werden sollen." „Ich hoffe, der Herr Cousin wird von selbst gehen," erwiderte Louise. „Heute Vormittag hatte ich mit dem Herrn von Rachau ein Gespräch, als ich mit ihm auf einem Spaziergange zusammentraf. Er suchte durch seine Aeußerungen über seinen Freund mich auszusorschcn; diese Gelegenheit nahm ich wahr, ihm unverhole» zu zeigen, daß ich keine Bewerbung annehmen könne." „Das war gut!" sagte Herr v. Brand, und indem er sie beifällig ansah, wiederholte er noch einmal: „Das war sehr gut! Er wird es ihm wiedersagc»." „Ich habe ihn sogar darum ersucht." „Hat er es übernommen?" „Er wird wahrscheinlich soeben dabei sein." „Dieser Rachau ist aus besserem Holz gemacht," sagte der Major erfreut. „Er hat versichert, mein ergebener Freund zu sein," erwiderte das Fräulein lächelnd. „Bei aller Höflichkeit und Freundlichkeit ist doch nicht zu vergessen, daß er in intimen Beziehungen zu Wilkens, man möchte sagen, in dessen Diensten steht." „Dankbar wollen wir ihm sein, Kind!" rief der Major, „wenn er uns beisteht; im Uebrigen mag er uns gewogen bleiben. Ich bin froh in meinem Herzen,