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Sonnabend, de« IS. Januar. Aettelrißische Anlage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Die Ervin von Wallersvrnnn. Originalroman von Marie Romany. (Fortsetzung.) „Ich danke es einem Zufall, daß ich hier stehe," schloß er; „wenn daher das gnädige Fräulein irgend einen Dienst von Wichtigkeit von mir zu verlangen hat, so würde baldige Erledigung rathsam sein." „Seid ihr der Vertraute des Director Rimoli?" forschte Alice, den Anderen fixirend. „Das nicht eben, aber ich weiß, was in der Anstalt Passirt," versetzte der Lakai. „So wird unsere Angelegenheit sehr kurz beendet sein können," warf Alice hin. „Ich will Euch nicht für eine Bagatelle herbemüht. haben; ich gebe Euch den Inhalt dieser Börse, wenn Ihr mir auf die Fragen, die ich an Euch stelle, zur Genüge ausweisende Antwort ertheilt!" Giacomos Blick ruhte begierig auf dem schimmernden Golde, womit das kleine Beutelchen, welches Fräulein v. Waldheim ihm osferirte, an gefüllt war. „Wenn das gnädige Fräulein zu fragen be liebt, wird meine Antwort nicht fehlen," erwiderte er geschwind. „Ihr werdet das Geld mit leichter Mühe verdient haben," sagte Alice; „aber ich verlange von Euch nur solche Aussage, die Ihr vertreten könnt." Giacomo nickte. „Wenn das gnädige Fräulein zu fragen beliebte. —" Alice, nachdem sie selbst Platz genommen hatte, deutete auf einen Stuhl, der ihr zur Seite stand. „Wohlan," sagte sie schlichtweg, „wir werden mit der Angelegenheit kurz sein. — Ihr über führtet Herrn von Eilenburg in die Anstalt St. Salvatore." „So ist es." „War Herr von Erlenburg irrsinnig? — Bedenkt, was Ihr sprecht, Giacomo," wurde sie erregter; ich sagte Euch schon einmal, daß es eine Aussage ist, über die Ihr einstmals dem Himmel Rechenschaft ablegen werdet!" Giacomo, dessen Blick mit Behagen auf der Börse mit ihrem schimmernden Inhalt ruhte, lächelte ironisch, verständnißvoll. „Herr von Erlenburg litt seit Wochen an einer Gehirnentzündung, die ihn der Besinnung beraubte," erwiderte er glattweg. „Würde dies nicht der Fall gewesen sein, so hätte er sich wohl schwerlich in die Anstalt bringen lassen. Als die Gehirnentzündung geheilt war, war er Gefangener." Alice, die mit wahrhaft begieriger Spannung in die Miene des Burschen gesehen hatte, hielt einen Schrei nicht zurück, der sich ihren Lippen entrang. Dieses Zeugniß, obgleich sie in ihrem Innern längst von dessen Wahrheit überzeugt gewesen war, hielt ihr die ganze Ruchlosigkeit des Verbrechens vor Augen, es drückte ja der That, die zu sühnen sie gekommen war, ein Siegel der erbärmlichsten, verlorensten Niedrig keit auf. „Ich danke Euch, Giacomo," stammelte sie bebend; „Ihr gebt mir durch Eure Aussage die Bestätigung, die ich ersehnte." „Ich bin nicht Arzt, —" Alice stierte ihn an. „Ich will die Wahrheit," rief sie wie be fehlend, indem ihre Hand sich unwillkürlich auf die blinkenden Goldstücke legte. „Habt Ihr jemals eine Spur von Wahnsinn an Herrn von Erlenburg gesehen?" „Nein," sagte Giacomo bestimmt. „Und weiter?" „Ich bin Diener, —" „Und wenn Ihr seht, daß ein Unrecht ge schieht?" „Was die Beurtheilung der Patienten aube- trifft, so ist das mein Amt nicht." Alice schwieg. „Aber es giebt andere Aerztein St. Salva tore, die ein Urtheil haben," warf sie wieder hin. Giacomo sah sich vor. „Seid kurz," drängte Alice. „Nun," erwiderte der Diener, wie im Ver trauen den Blick zu Fräulein von Waldheim erhebend, „es gab einmal, aber baß sind mehr als fünfzehn Jahre vorüber, einen Hilfsarzt in der Anstalt, der sich für das Geschick der Nr. 40 mehr, als für seine Stellung wünschenswerth gewesen ist, interessirte. Ich glaube, daß die Streitigkeiten, die er in Bezug dieses Patienten mit dem Director hatte, Ursache gewesen sind, daß er St. Salvatore verließ. In späteren Zeiten hat Director Rimoli die Behandlung der Nr. 40 selbst in den Händen gehabt." „Und dieser Arzt?" fragte Alice begierig. „Er hieß Francesco." „Und wo ist er heute?" „Ich weiß es nicht," versicherte Giacomo