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§8« 6 5) ^2 rr LVLs-^cr V es»S'.^r77»^Lr »^i L»s s Unruhe in Weidbrunn Ein Heimatroman von Oskar Schwör (8. Fortsetzung.) lNachdruckr verboten.) Wie der Wirt wiederkam, bvachte er die Zeitung mit. »Haben Sie schm gelesen von dem Grubenunglück in Ober schlesien?' Leiber hatten sie es schon gelesen, sogar mckhr, als Mur- uer ihnen in dem vor drck Tagen erschienenen Blatte bieten konnte. Immerhin-wurden einig« Worte darüber gewech selt. Die Herren b^ahlten. Wie sie aussianden, sagte Herr Leippe zur größten Be stürzung des WirteS: »Lieber Herr Sauer, gehen Sie vor aus! Ich muß doch mal den Weber Israel aufsuchen.' „Mel Vergnügen!' meinte der Baumeister und stieg los. Der Wirt vergaß die Gläser mitzunehmen, eilte in die Küche »ns Fenster. Neugierig folgten ihm Frau und EkS- beih. „Was ist denn draußen los?' »Ach, die Selma, baS dumme Mädel! Babelt sie natürlich von der albernen Geschichte mit Jsraeten! — Dort!' Sie sahen Herrn Leiv-re aus des Webers Haus zugehen. „O Gott! Der wird-och nicht! Ach, was wirb da nur noch draus werden!' jammerte Macke Murner. Aber Elsbeth sagte: „Ganz recht so! Warum hält der seinen Mund nicht und mengt sich in Dinge hinein, die ihn nichts «»gehen, und beleidigt Herrn Leippe noch! Der mag ihn nur ordentlich zurechstveisen!' Aber gab es nicht früher «MnehrNche Leute", nur deshaw so „Weiß Gott! Der macht Ernst! - Jetzt! - «ha, dir Tür ist verschlossen.' „Er pocht an die Tür.' - „Na? — Der läßt ihn lange warten!' „Er weiß sich zu helfen: Er geht unter die Fenster.' „Die scheinen sich versteckt zu haben! Wenn er nur «mS Haus ginge, zur Hintertür hinein!' „Mer. ElSbeth, es gibt ja nur Spektakel!" „Rein, Ruhe wird dann endlich werden!' „Um Gottes willen, er macht's wirklich! Er geht umS Haus!" „Na?" „Miso! Alles verriegelt! Da seht ihr, wie feige er ist!' „Er gibt's auf. Er geht." „Gott sei Dank!« „Nein, Mutter! Schade! Er halt' ihn tüchtig aus den Lunchen schütteln müssen! Ich glaub überhaupt, bei Isra- elen isks nicht mehr richtig!" Murner ging in die Gaststube. Er war auch froh, daß Leippe nichts ausgvrichtet hatte. Er triumphierte. Da sah man doch, was von dem Gerede des Alten zu-alten war. ElSbeth hatte ganz recht. Das wollte er Leippe sagen. Aber der schritt vorüber und die Walbstraße hinauf. Die neue Beeidigung Lurch den Weber mochte ihn arg. kränken. „Mso, Selma, beruhige dich! Mach dir nichts draus! Sogar Herrn Leippe geht's nicht bester. Wenn er dem auch die Borwürfe nicht ins Gesicht schreit —." Das Mädchen weinte schon wieder. „Wenn waS Wahres dran wäre! Aber erlogen ist's! Ganz und gar! Ihr könnt ja zu Mittage alle Fremden ausfragen, joden einzelnen könnt ihr fragen ." „Mer Selma, wir glauben's ja gar nicht! Kein Mensch traut dir so was zu! Na also! Und wenn der alte Gisthahn noch ein einziges Mal so was hören läßt. Selma — verlaß dich draus! — er kricgt's mit mir zu tun! Wer anders als vorhin! Kann sein, Herr Leippe stopft ihm noch daS Maul! Er darf sich das nicht gefallen lassen. — So, jetzt mach im Garten zurecht!" «Zwanzig?« „Und für die Fuhrknechte — Und hier drin für drei." In der Küche wurde emsig hantiert ES klirrte, zischte, klapperte. Dampf und Speisendunst drangen auS Tür und Fenstern. In einer Stunde stellten sich die G-iü- ein Mur- „Zum Schure.. Am 11. Avril 17SS spielte der Bauer Johann Böhme in Marienthal bei Zwickau seiner Frau «inen tollen Possen. Während sie, nicht» Böses ahnend, wusch, band er sich erst ver» schieden- Kisten auf den Leib, zog sich dann ihre sämtlichen neun Röcke an, schnürte sich kunstgerecht in ihr schwarze» Wams, zupfte die Spitzen an den „Weibs-Ermeln" schön ordentlich zurecht, band sich ihre süns Schürzen vor und zwei andere auf den Rücken, legt« sich ihr rot und «riß gestreifte« halbseidene» Halstuch um, setzte ihre drei Hauben übereinander aus den Kopf, band sie mit drei Halstüchern fest und — hängte sich aus. . . Dadurch verleidete er ihr nicht nur ihren ganzen Putz, sondern er beraubte sie damit ihrer gesamten Habe, an der sie vielleicht mehr als an dem schlechten Kerl hing. Denn alles, was rin Selbst. Mörder anhatte, war dadurch entweiht; kein ehrlicher Christen mensch durfte es mehr tragen. „Jeder Stand hat seine Ehre .. ." genannt, uÄl sie ihr Gewerbe nicht «hinter Dach und Fach' sondern „unter blauem Himmel" betrieben? Die Seiltänzer, aber auch di« Seiler schärten dazu, und auch di« Scharfrichter. Und di« wenigstens wollten von einer so geringschätzigen Bezeichnung nicht» wissen. Nannte sie nicht der Bolksmund „Meister" und wurden sie nicht in den amtlichen Protokollen als „Nachrichter' verzeichnet, «eil sie nach dem Richter in Aktion traten? Ihre heikle Tä tigkeit brachte es mit sich, daß sich da» „Nachrichteramt" fast überall in denselben Familien forterbte. Infolgedessen enttvickette sich auch bei ihnen ein gewisses Standesgefühl, und daraus begrün deten sie, wie jeder Stand, auch einen Anspruch auf Ehrei Davon zeugten jahrhundertelang die Scharfrichter» gröber auf dem alten Dresdner Annenfriedhose, der erst in neuerer Zeit anderen Bedürfnissen weichen mußte. Dort lagen sie unter großen Steinen begraben, und einen derselben schmückte ein ansehnliches Wappen: Eine Justitia mit verbundenen Augen und hoch erhobenem Schwert im blauen Feld«, darüber rin geschlossener Helm. Unter dem ruhte Melchior Wahl von Dreyslgacker, der im Jahre 1647 im Aller von 41 Jahren .starb. Bon ihm wird erzählt, er habe im Beisein Johann Georgs I. einem Enthaupteten rasch ein Stück Rasen auf den Hals gelegt und ihn noch über dreißig Aecker geführt. Das hätte dem Kurfürsten so gefallen, daß er ihm den Adel „von Dreyßigackrr" verlieh. In Wahrheit stammte er aber wohl aus dem hennebergischen Dorje Dreisigacker, wo im Jahre 1638 ein Scharfrichter OttoHeinrich Wahl, vielleicht sein Vater, starb. Auf Melchior Wahl, der sein Amt von 1622 bis 1647 be neidete, folgte zunächst JohannGlöckner und dann sein Sohn Johann Benedikt Melchior Wahl von Dreyßig- acker, König!. Hof- und Cammer-Nachrichter, der am S. Mai 17VS starb, „nachdem er 47 Jahr allhier Scharff- und Nachrichter ge- wesen, mit seinem Weib« 23 Kinder erzeugt und bald 71 Jahr« alt worden". Wieviel er „vom Leben zum Tode gebracht", ist lei- der nicht gesagt. Jedenfalls war auch er ein Meister sein«» Fach«». Diesem folgte sein Eidam Christian Patsch. Vor diesem Scharfrichtergeschlecht hatte schon ein anderes das Rachrichteramt in Dresden inne. Von 1548 bis 1603 versahen «- die Peltz, Polz oder Pols, von denen der Letzte im Jahre 1601 den Kanzler D. Nikolaus Krell aus dem Jütenhof hin- richtete. Am Vormittag des S. Oktober 1601 empfing der durch zehnjährige Haft auf dem Königstein Geschwächte auf einem Stuhle sitzend, in einen Schafspelz gehüllt, den Todesstreich. Die verwit wete Kurfürstin Sibylle sah «m traurigen Schauspiel vrm einem Fenster des jetzigen „gohanneums" aus zu. Dort, im „Historischen Museum", hangt das Richtschwert mit der Inschrift: Öave Oaiviniane (Nimm dich in acht, du Kalvinist!) v. 8 X. Odristvkkel kvl» uni» Baudiknp«, «brr bann streikten vir Tarhsvorser, „roeit ihnen feine Witwe nicht einmal BrM und Käse reichte". Di« arme Wittib klagte das dem Landerherrn, und der gab tzr recht. Ms seinen Befehl steckte der Meißner Schösser all« Sachsdorfer Bauern „in «in arges Gefängnis" und ließ sie «ine ganz« Woche lang darin brummen. Richt» zu machen .. ck Im Smnmer 1708 «am August d«r Stork« auf «iner großen »Lander»«" nüt drm KammerpräsLenten Sraf«n von Löwenthal »ach Annab « rg. Zuerst sah «r sich dort überall um, dann ritt er auf den Pöhlberg. Dort stieg er «ine Weile herum und k«n dabei auf den Einfall, einmal «ineProb« mit Ler Wün - schelrute zu machen. Mit ziemlicher Mühe schaffte man ein Paar herbei. Der Graf zog „des darin gewesenen Silber» wegen" seinen Rock und seine Wckt« au», August zog seinen Ring vom Fin- ger und gab ihn seinem Leibpagen, „damit di« Ruten nicht trügen möchten", aber sie gaben die Sache bald wieder auf. „Sie fühlten -war eine Bewegung der Ruten, konnten aber damit nicht» Machen..." Unten tnr -eigt rnriner nvth etn be^n nnt etnem vre Stelle dieser arcmlläen Justiz. In der Zeit, ehe die Wahl» die Pol» ablösten, befördert« Hans Gngelk« — ein Engelchen! — di« .Firmen Sünd«r' in» bessere L»en.