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Der sächsische Erzähler : 25.02.1939
- Erscheinungsdatum
- 1939-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193902259
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19390225
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19390225
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Der sächsische Erzähler
-
Jahr
1939
-
Monat
1939-02
- Tag 1939-02-25
-
Monat
1939-02
-
Jahr
1939
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 25.02.1939
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unter der Ausrichtung auf die nationalsozialistische Idee von Blut und Boden aufgegvben, eS mutz nun aber auch dafür gesorgt werden, datz nicht wirtschaftlich« Umstände, die in der Unterbewertung der Landarbeit und den Belastungen der Mehrarbeit begründet liegen, den eigentlichen Ginn der Bauerngesetzgobung unwirksam machen. Als BlutSquell der Nation und als Ernährer beS Volkes mutz der Bauer ent lastet werden. Vor allem ist dazu nötig, datz Landarbeit nicht mehr unterbewertet wird, denn diese Unterbewertung ist eine der Hauptursachen der Landflucht. Die Insel -er Hunde Geheimnisvolles Leben auf Juan de Nova Bon Earleton BealS Begeht nicht der Mensch, der von „hündischem" Verrat spricht, wenn er den tückischsten Menschenverrat meint, selbst Verrat an jenem Geschöpf, das er sich seit Jahrtausenden in treuer Gefolgschaft verbunden wähnt, am Hunde? Ober hat die Sprache irgendwie recht? Verloren in der Unendlichkeit des Indischen Ozeans liegt in sandiger Flachheit ein kleines hufeisenförmiges Atoll, daS nur auf Karten größeren Matz stabs als die Insel Juan d« Nova eingezeichnet ist. Kaum legt jemals an dieser Küste ein Schiff an; denn hier gibt es keine Bevölkerung, mit der man Handel treiben könnte, keine Bodenschätze, um oeretwillen sich eine Landung lohnte. Die Wettmeervögel nisten hier, und Riesenschildkrötcn bevölkern das Eiland; aber Juan do Nova ist vor allem die Insel der Hunde. Jahrhunderte hindurch war sie völlig unbewohnt. Pira ten aller seefahrenden Nationen füllten hier ihre Wasser behälter und versorgten sich mit Kokosnüssen und Schild krötenfleisch. Dann beeilten sie sich, das unheimliche Eiland wieder zu verlassen. Bastarde, die wie Wölfe sagen ... Nur auf Hunde Übte die Insel eine geheimnisvolle An ziehungskraft auS. Hunde aller Rassen, aus Europa, China, Ostindien, entliefen hier ihren Eigentümern und mutzten zu- . rückgelassen werden. Immer mehr schwoll die Hundebevötke« rung von Juan de Nova an. Es wären gewiß nicht die Ver treter der edelsten Rassen des Hundegeschlechts, die auf Pira tenschiffen die Meere durchkreuzten. In wahlloser Vermi- schung vermehrten sie sich hier, und ein Bastardgeschlecht wuchs heran, das nichts von der Stimme und Witterung des Menschen wußte, das wie Wölfe in Rudeln jagte, Seevögel würgte und Schildkröten aus ihren Panzern schalte — mn mächtiges Heer von Hunden, das wenig mit der überkomme nen menschlichen Vorstellung vom Hunoegeschlecht zu schaffen hatte. — Festgerammt in den Korallenriffen von Juan de Nova fault das Wrack des Schoners „Tottenham". In Tulear auf Madagaskar stach damit eines Morgens der alte Kapitän Collin, abgetakelt wie die stolzen Dreimaster, deren Gebieter er einst geweseii, in Begleitung seinK einzigen Freundes Cäsar, eines Schäferhundes, in Tee. Vielleicht gab eS an der Küste von Juan de Nova doch einige- wertvolle Strandgut zu bergen. . „ .... Der Trau« des Kapitäns Laiin Die Nacht brach herein, als der Alte landete. Er schlug nahe am Strande sein Zelt auf, bereitete sein Abendessen und erlegte für Cäsar einen jener Springtaucher, die durch die Dämmerung ihrem Nest zuflogen. Unheimlich tönte der Schutz durch die unendliche Stille. Kaum war der Kapitän eingeschlafen, als ihn CäsarS gereizt^ Bellen weckte. Er hielt Umschau, konnte aber nichts Gefahrdrohendes entdecken. Wie von einer unwiderstehlichen Macht angezogen, raste plötzlich der Hund davon und verschwand hinter einem Felsen. Kein Rufen hielt ihn zurück. Wohl wußte Collin von den Hunden auf Juan de Nova, aber eS war ihm nicht bekannt, datz-die seit Generationen in Freiheit lebenden Tiere nicht mehr bellen. Die Hunde von Juan de Nova hatten diese Sprache verlernt oder, bester ge. sagt, sie hatten sie nie erlernt. Sie riefen einander durch ein unheimlich-vibrierendes Heulen, das mit keinem anderen Tierlaut zu vergleichen ist. ... Collin war Wohl ein wenig besorgt, al- sich Cäsar nicht wieder zeigte. Er hüllte sich aber, von Müdigkeit übermannt, in seine Decke und schlief ein. Er träumte, datz sich CäsarS Kopf seltsam schnuppernd und mit glühenden Äugen über ihn beugte. Oder war es Wirklichkeit? Furchtbare Wirklichkeit AlS der Tag anbrach, aesch^IurHbareS. ,Dies war kein Traum, sondern entsetzliche Wirklichkeit. Plötzlich knurrte Cäsar geifernd über ihm, mit wolfsgleichen Lichtern in den Augen, seine mächtigen Vorderpfoten auf Collins Brust stem mend und sein grimmiges Gebiß der Kehle des Liegenden nähernd. Es gelang Collin, aufzuspringen und seinen Re volver zu rieben. Sein Schuß verfehlte das Ziel. Meder sprang, ihn Cäsar mit tückischem Knurren an. Aber ein mäch tiger Tritt der schweren Seemannnsstiefel machte ihn für den Augenblick kampfunfähig. Collin sprang in sein Boot und stieß ab. Gerade rechtzeitig; denn ein unheimliches Rudel struppiger Köter, geführt von einer riesigen Dogge, wähte sich mit fletschenden Zahnen an das Zelt heran. Und Collin gewahrte, wie sich die Tiere mit wolf-ähnlichem Urlaut über Cäsar vermachten und ihn zerfleischten ... Seit jenem Tage ging mit Collin eine völlige Wandlung vor. Er endete im Irrenhaus. Denn er hatte allerlei sonder bare Gewohnheiten angenommen, zu denen vor allem die ge hörte, daß er, wo er einen Hund an einer Leine gewahrte, diese zerschnitt und sich in Häuser und Gehöfte schlich, um dort die Wachhunde von ihren Ketten zu befreien. (Deutsch von Han, B. Wagenseil) Stadt, vor allem aber die Großstadt, die Fruchtbarkeit zer stört. Die Parole „Blut und Boden", die der Reichsnähr stand-Politik Zielrichtung gibt, bringt ja »um Ausdruck, daß bet der Erhaltung de- Bauerntums mehr als materielle Werte zu bewahren und zu hüten sind. Dies« Parole, das mutz immer wieder mit größtem Nachdruck betont werden, ist nicht auS irgendeiner „Bauernromantik" heraus geprägt wor den, sondern sie ist die knapveste Formel für ein Problem, von dem der Bestand von Volk und Reich abhängig ist. Alle wahrhaft großen Staatsmänner haben diese fundamentale Weisheit erkannt. In den Zeiten, da man sie freventlich außer acht ließ, war auch daS Reich schwach und dem Nieder gang geweiht. Ueber diese historische Entwicklung darf nicht da- Wohlergehen irgendwelcher Wirtschaftgruppen Hinweg täuschen. Jede» Volk ist stets nur so stark und gesund, wie eS sein Bauerntum ist. Deshalb ist in Goslar, wo die Dring lichkeit dieser Frag« von maßgeblicher Seite unterstrichen wurde, auch mit voller Berechtigung auf daS Wort Moltkes hingewivsen worden, daß ein Krieg schon mit dem ersten Ka nonenschuß verloren sein kann, wenn keine gesicherte Ernäh- rungSgrundlage vorhanden ist. Aber auch die Frage der Wehrkraft w,lrd stets nur auf dem Lande letztlich entschieden, denn daS Land ist es mit seiner Geburtenfreudigkeit, das die Soldaten zur Verfügung stellt. Alle diese Dinge sind mit nüchternen Zahlen zn bewei sen: Die Geburtenziffern des Jahres 1933 lassen erkennen, datz in den ländlichen Gemeinden mit unter 2000 Einwoh nern 18 Geburten auf 1000 Einw. kamen. Mit der Größe der Orte nimmt die Geburtenzahl ab. So kamen in den städti schen Gemeinden mit 2000 bis 100 000 Einwohnern nur noch 14^> auf Tausend, und in den Großstädten mit über 100 000 Einwohnern sank die Geburtenziffer auf 11,2 hinab. Die Entblößung des Landes von Arbeitskräften hat aber nicht nut die bedenkliche Folge, daß in den Städten weniger Kin der geboren werden und so der Geburtenrückgang verstärkt wird. Di« Mehrarbeit, die besonders auf der Bäuerin lastet, führt ferner dazu, daß es ihr infolge der Ueberlastung un möglich wird, Mutter zahlreicher Kinder zu werden. Die führende Rolle deS Landes und des Bauerntums als Mehrer der Nation wird also durch diese Entwicklung in Frage ge stellt. Noch bis zum Jahre 1914 sind die selbständigen Land wirte und Bauern mit die kinderreichste Schicht der deutschen Bevölkerung gewesen. Der wirtschaftliche Niedergang und der Einfluß der geburtsfeindlichen Einstellung als Folge der geistigen Verstädterung haben dann dazu geführt, daß sich der Geburtenrückgang auch in diesen Kreisen bemerkbar machte. Die geistige Verstädterung hat das deutsche Landvolk zwar aS Leben ist eine Gabe, di« Immer so viel Schönes für einen selbst und, wenn man es nur will, so viel Nützliches für ander« enthält, daß man sich wohl in der Stimmung erhalten kann, es nicht nur In Heiterkeit und innerer Genugtuung fortzuspinnen, sondern, datz man auch aus wahrer Pflicht alles tun mutz, was von einem selbst abhängt, es sich zu verschönern und es sich und anderen nützlich zu machen. , W. v. Humboldt Vop^riglit r>5 Karl Köhler L To., Berlin-Schmargendorf iSL Fortsetzung.! (Nachdruck verboten.! Landjäger Schubert hatte von Assessor Laukien die Wei sung. sich unaufdringlich immer wieder über Günther Krie gers Verbleib zu unterrichten. Daß Krieger bei diesem Wet ter von Birkenhof fortgehen würde, damit hatte Schubert allerdings nicht gerechnet. So hatte er seine anderen Amts wege gemacht und glaubte Günther sicher in Birkenhof. „Wir werden ja ohnehin nicht drumrumkommen, ihn füstzusetzen", meinte Assessor Laukien erizst, „aber ich will wenigstens warten, bis der Chef vom Urlaub zurück ist. In den »Wei Tagen kann ja nicht viel passieren." „Ganz meine Meinung, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen", meinte Landjäger Schubert, „ich kann's sozusagen immer noch nicht kapieren, Herr Assessor —" „Ich auch nicht, Schubert. Für den Mann hätte ich alle Eid« geschworen. Gerade jetzt mutz daS kommen, wo ich allein entscheiden soll. Na, mag der Chef sich damit befassen. Wir beobachten jedenfalls vorsichtig weiter. Beim geringsten Fluchtverdacht fassen Sie zu! Haftbefehl haben Sie ja." Assessor Laukien kam über diese Anzeige gegen Günther Krieger nicht hinweg. Scheußlich, wie man sich in Menschen irren konnte. Hätte er sich wenigstens zu irgend jemand aussprechen und die Sache bereden können Aber der einzige, mit dem er bereits näher stand, war der Jugendfreund Ma- rikke von Rhonas. Gerade die von Birkenhof und Dornitten aber sollten möglichst lange unbehelligt bleiben. Die Verneh mungen und der ganze Kram kamen noch zeitig genug. Günther Krieger hatte nur kurz die Hauptfahrstraße be nutzt. Dann ging er quer durch die Felder. Der Regen schlik- kerte bereits in seinen Schuhen. Vom Hut hernieder rann daS Wasser in den Mantel, er fühlte die feuchte Kühle all mählich feinen ganzen Körper durchdringen. Er ging wie in einem Halbschlaf. Seine Füße setzten sich mechanisch, gleich sam okm« von feinem Willen dirigiert zu werden, vorwärts. So war er schon einmal gegangen — endlose Wege, durch Steppen und über moorige Aecker, so hatte der Himmel grau herniedevgehangen. So lichtlos und ausweglos war das Da sein schon einmal gewesen. Wieder einmal auf der Flucht. Aber damals hatte er ja noch ein Ziel gehabt: Die Heimat. Wohin trieb eS ihn heute? ES war gleichgültig. Vielleicht kam seine Unschuld auS Tageslicht. Doch Marikke hielt ihn für schuldig! Der einzige Mensch, vor dem er sauber dastehen wollte. Wie es auch kommen mochte, Marikke war ihm ver loren. Datz sie ihm dies zutrauen konnte! Sie war die Braut eines anderen. Aber ihm war sie in diesen Monaten Kame radin, Freundin »im höchsten und edelsten Sinne des so oft schmählich mißbrauchten Worte- geworden. Jetzt hatte sie ihn aufgegvben, hatte ihm nicht einmal das Recht zur Ver teidigung zugebivigt. Wie wenig mußte er ihr bedeuten, wenn sie, die stets Gerechte, so ungerecht wurde! — Aber er durste mit ihr nicht rechten. Für oll ihre Güte nun dies, da» war wohl zuviel gewesen. — Er stapfte vorwärts — ja, wohin eigentlich? Er wußte eS nicht und braucht« sich auch darum nicht zu forgen. Bald, vielleicht schon jetzt würde man auf der Polizei erfahren, datz er nicht mehr auf Birkenhof war. Nur einen Abend, eine Nacht wollte er noch frei sein. Noch einmal wissen, man gehörte sich selbst. Allmählich beruhigte sich das Wetter. Günther Krieger mochte wohl eine Stunde marschiert sein, da hörte der Regen guß auf, die Donner grollten nur noch ferne, der Regen ging in ein zartes Tröpfeln über — und während es noch vom Himmel rann, spann sich zwischen grauen und helleren Wol ken der Friedensbogen am Horizont. Wald und See dampf ten von Feuchtigkeit, ein schmaler Lichtstreif säumte eine Wolke. Und schon Huben die Vögel an zu stiegen und ihre Stimmen sanft erklingen zu lassen. — Bald war er in einem Dorfe, er kannte es noch nicht. Ueber den Umkreis von Birkenhof, Dornitten, die Kreisstadt und die benachbarten Orte war er noch nicht herausgekom men. Doch hatte er diefen Weg mit Bedacht gewählt. Hier durfte er hoffen, wenigstens bis morgen früh unerkannt bleiben zu können. — Gleich das zweite HauS im Dorfe war ein Wirtshaus, sauber und still. Man wunderte sich nicht über den verreg neten Menschen mit seinem Köfferchen in der Hand. Biele Touristen kamen hier vorbei. Die freundliche Wirtin wieS ihm ein kleines, blitzsauberes Zimmer an. Güncher Krieger fühlt« eine lähmende Müdigkeit. Nur schlafen, nichts als fchlafen und für ein paar barmherzige Stunden vergessen! — Er bestellte sich zu essen, und in der Erinnerung an GrüllS Mrhnung einen tüchtigen Grog. Schließlich wollte er ja seine Haft nicht mit einer Grippe antreten. Er mußte gesund sein, körperlich wie seelisch sich ganz in der Gewalt haben. Nur er allein konnte für sich eintreten, dazu aber bedurfte es aller Kräfte. — Die Abendsonne lag klar über dem beruhigten Lande. Die Geräusche des Dorfes drangen durch das angelehnte Fenster. Wenn sich der Weiße Fenstervorhang bewegte, sah man in di« samtige Dämmerung hinein, langsam wurde sie von Sternen erhellt — der Abendstern stand gerade über dem Wirtshausgarten. Etwas wie Frieden kam in Günther Kriegers Herz, und in diesem Frieden schlief er ein. Fedor und Marikke hatten sich zeitig getrennt. Fedor sah, Marikke war am Zusammensinken. Sie hatten nicht mehr über Günther Krieger gesprochen. Marikke war dazu nicht imstande, und Fedor hielt es für am besten, seinen Namen nicht mehr zu erwähnen. Krieger war fort. Marikke hatte sich ganz zu ihm zurückgeflüchtet. Er würde dafür sorgen, sie nicht mehr zu verlieren. Als sie sich trennten, sagte Marikke beiläufig: „Wie wirst du es jetzt mit Rucknitten halten? Du mußt dich doch schleu nigst nach einem neuen Verwalter umsehen? Soll ich Grüll bitten, sich mit umzutun? Ich", sie sprach gehetzt weiter, „ich muß ja auch für Grüll wieder jemanden suchen." Da hatte er ihr gesagt, daß Plavschkis gerne wiederkom- mcn wollte. Marikke sah ihn fassungslos an. „Diesen Menschen wirst du doch nicht wiedernehmen?" Fedor war es etwa» unbehaglich zumute. Marikke hatte ja recht. Eigentlich durfte er eS ja nicht. Aber nun hatte er es Anja so halb und halb zugesagt. — „Weißt du, Marikke, ich bin nicht so streng wie du. Schön, er hat gestaut, der gute PlauschkiS, man mutz ihm auf die Finger sehen, vielleicht werde ich ihm einen anderen Inspek tor vor die Nase sehen, da werden ihm seine Diebereien ver gehen. Mer ganz entlassen, daS bringe ich nicht überS Herz." Marikke hatte Fedor auSreden lassen. Dann sagte sie hart: „Dein Mitleid mit PlauschkiS ist unangebracht. Der Mann ist nicht nur ein Dieb, er ist auch ein Trinker und brutaler Kerl. Ich hab' eS dir bisher nicht gesagt, aber nun muß ich's wohl: Dieser Plauschst» hat bei meiner Ausein andersetzung mit ihm sich nicht gescheut, mich tätlich anzu greifen." „Marikke, ist daS wahr?" Entsetzt sah Fedor Marikke an. PlauschkiS hatte gewagt, Marikke anzurühren? ES war ge radezu unvorstellbar für ihn. In ihm schlummerte unter sei ner lässig liebenswürdigen Art ein starkes Herrenbewußt» sein. Plauschst» und Marikke — sie waren durch Welten ge schieden. Marikke seine Braut, dis zukünftige Herrin auf Rucknitten — PlauschkiS der Untergebene — er sollte eS ge wagt haben, sich unverschämt zu benehmen? „Nicht nur das, er hat mich ernstlich bedroht. Beinahe wäre ..." Marikke schauderte noch in der Erinnerung zusam men. Wäre damals Günther nicht gewesen! — Er hatte sie gerettet — das hatte sie in ihrem maßlosen Schmerz vorhin ganz vergessen. Was sie ihm gegeben, hatte er wettgemacht. Und sie war so unvorstellbar hart gegen ihn gewesen! — Sie seufzte zitternd auf. ES war nun vorbei. Sie konnte nichts ungeschehen machen. Selbst wenn sie noch einmal eine Aussprache mit ihm hevbeiführen würde — sie kam über diese Tatsache seiner Untreue gegenüber einer Frau, der Mutter seines Kindes, nicht hinweg. — Es mußte sein, wie es nun einmal war. — „Ich werde nun, nachdem ich daS alles weiß, PlauschkiS natürlich nicht mehr auf Rucknitten dulden." Er streichelte sanft ihr Haar. „Wehe, wenn irgendein Mensch dir etwas tun will, und noch dazu so ein elender Kuli!" — In all ihrer leeren Verzweiflung empfand Marikke etwas wie eine Rührung. Fedor liebte sie doch mehr, als sie geglaubt — oder als sie hatte glauben wollen. Und sie? — Wie wenig stolz durfte man auf seine eigene Unfehlbarkeit und Sicherheit sein! — Da hatte sie die ganze Zeit geglaubt, ehrlich und wahrhaftig gegenüber sich selbst und gegenüber Fedor zu sein. Nun hatte sie erkennen müssen, wie sie in Wahrheit ihm gegenüber schuldig geworden. — Aus nichts im Leben konnte man sich wirklich verlassen, auf sich selbst am allerwenigsten! — Sie war völlig erschöpft, al» Fedor ge gangen. Und nun kam noch daS Bitterste: Sie mußte Grüll von Günther Krieger» Entlassung unterrichten. Den alten Mann würde eS doppelt treffen. Er hatte Krieger lieb ge wonnen. Er, sprach nicht viel darüber, aber man spürte es aus seiner ganzen Art heraus. Zum andern zögerte sich Grülls Fortgang hier wieder hinaus. Es hieß wieder einen Ersatz suchen, das konnte Wochen, Monate dauern. — Am liebsten hätte Marikke di« Aussprache mit Grüll noch hinausgeschoben. Sie war so entsetzlich müde, ihr Kopf schmerzte zum Zerspringen. Aber sie gab sich nicht nach, auch in dieser Stunde nicht. Was getan werden mußte, mußte gleich erledigt werden. — Sie ging zu Grüll herüber. Der alte Mann saß so recht behaglich in seinem geliebten Ohrensessel am Fenster. Bon hier au- konnte er den Hof übersehen. AlS Marikke hereinkam, erschrak Grüll. Wie sah sie aus? War sie etwa auch krank wie Krieger? Marikke schüttelte matt den Kopf. „Nein, Herr Grüll, ich bin nicht krank. Es ist nur etwa» sehr Böses geschehen." Grüll sprang auf. War etwas im Stall los? Ein Tier krank geworden? Marikke lächelte schmerzlich. Der gute Grüll, er konnte auch wirklich nichts Schlimmeres denken. „Nein, Herr Grüll, daS ist alles in Ordnung. Wer ich habe Krieger entlassen müssen." Grüll fiel tatsächlich di« Pfeife aus der Hand. „Machen Sie keinen Unsinn, Marikke. Krieger entlassen'? DaS ist doch nicht möglich! Warum denn?" Marikke konnte Grüll nicht ansehen. „Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr Grüll." „Da» können Sie mir nicht " ES verschlug Grüll geradezu di« Rede. „DaS können Sie mir nicht " wieder« holt« er noch einmal leise. Dann zuckte er hilflo» mit den Schultern. „Ja, wenn Sie es nicht können, Marikke, dann kann ich ja auch nichts dazu und dagegen sagen." Er schwieg. Marikke stand mit gesenktem Kopf. „Marikke, seit Sie auf der Welt sind, sind Sie mit so vie lem zu mir gekommen. MS Sie noch ein kleines Kind waren und irgend etwas war auszubaden, irgend etwa» wollte nicht klappen, da kamen Sie zu mir. Und dann durfte eS der alte Grüll wieder in Ordnung bringen. Sogar damal», al» die Geschichte mit Strock war, haben Sie zu mir gefunden, aber ich hatte doch geglaubt, ein wenig Vertrauen zu verdienen." Marikke schluchzte auf. Es war da» erstemal, daß sie weinte. Aber vor Grüll konnte sie es. „Ich kann doch nicht, Grüll, glauben Sie mir. Ich möchte doch so, gern, aber — ich bringe eS nicht fertig. Auch um GüntherS willen — um Günther KriegerS willen nicht." (Fortsetzung folgt.)
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