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.... ^--.- . Vriblall zu Nr. 12 des „Sächsischen Erzähler»- L«ä» Avllu»E««ss / sehr wohl, wie scheu er an ihrem Arm sich Mühe gab, jede engere Berührung mit ihrem Körper zu vermeiden. Sie waren an den grell erleuchteten Fenstern der Kantine mit den Hun derten singender Männer dahinter vorübergegangen und liegen nun langsam die Böschung empor. Dann kamen sie auf dem Damm an die Brücke. Die Nacht war hell. Gemächlich wie auf einem harmlosen Spaziergang schlenderten sie dahin mitten in dem dunklen Gestänge der Träger und hoch ge- chweiften Bogen. Nur ab und zu funkelte matt eine Laterne darin. Keiner von den beiden sprach ein Wort. Was ist das für ein Mensch neben dir? fragte sich Jenssen. Er wußte von Leni nur, daß ihr Vater Meister einer Nietkolonne gewesen und vor einigen Monaten, als sie mit dem Bau begonnen hat ten, von der Brücke abgestürzt und ertrunken war. Da sie keine Angehörigen mehr und keinen Beruf erlernt hatte, sorg ten damals die Beamten dafür, das; sie Anstellung in der Kan tine erhielt. Er fühlte sich zu ihr hingczogen wie zu dem Ur grund der Beruhigung und völligen Erschließung seines Le bens, aber sic war ein Fremdling für ihn. Er liebte sie. Aber was ist daS — Liebe? Eine Wallung des Blutes, eine Er regung der Sinne, die vorübcrgeht? Oder ein Schicksal, das auf uns gewartet hat, das uns zuwächst, zu dem wir hinstrc- ben, um vollkommener zu sein? Plötzlich waren sie am Mittelpfcilcr angekommcn, und vor ihnen klaffte der Abgrund. Sic blieben stehen und schauten haushoch hinunter auf den Strom, der sich gefräßig hinwälztc. Nur der schmale, schwindelnde Pfad des Laufstegs führte dar über. Er war nicht breit genug, daß sic noch Arm in Arm nebeneinander ans ihm wcitcrgchcn konnten. Einen Augcn- . blick zögerten sic. Leni hatte gehofft, das; Jenssen das Acn- ßerste nicht wagen würde. Aber sie sah jetzt, das; er in seinem . Trotz beharrte, das Schicksal frevelhaft hcransznfordern, sei l cs auch, das; cs ihm den Tod brächte. Würde sie ihn sich , selbst überlasten, so war sein Unglück gewiß. Stand sie ihm i auch jetzt noch bei, so war immerhin noch eine Möglichkeit der k Rettung. Sic fragte nicht, sie tat, was sic in der Gewalt der Liebe tun mußte. Sic standen in dem unendlichen Raum und waren füreinander bestimmt, was auch geschehen möge. Als er ihr schon zuvorkommcn wollte, betrat sie entschlossen die chwankcn Bretter und faßte seine Hand. Vorsichtig setzten sie Fuß vor Fuß und glitten gleichsam durch die Luft. Jenssen sah nicht die gleißende Wasserfläche unter sich und den wcitgewölbtcn Sternenhimmel, nicht die Schatten risse der vor Anker liegenden Schleppkähne und Bagger und nicht die fernen Lichterkreise der Städte stromauf und strom ab. Er sah nur immer auf das Helle Haar deS Mädchens vor sich, ans die Weiße Halskrause in ihrem Nacken und den hinter ihrem schwarzen Kleid hervorflattcrndcn Zipfel ihres Tän- delschürzchens, er spürte die Herzwärmc in der Weichen Hand, die. er umschlossen hielt, und die unbändige Willenskraft, die durch sie hindurchströmte. Jetzt erst schlug wie ein Blitz die Bewußtheit in ihm, was für ein grausamer Wahnwitz cS war, der aus der trunkenen Verwirrung entsprang, und wie mächtig, allcLebcnSangst durchbrechend, dieLicbe dieses Mäd chens sein mußte, das sich ihm schenkte, nicht nm glücklich zu sein, sondern weil cs sich ihm angehörig fühlte, selbst wenn eZ seinem Dämon zum Opfer fallen mußte. Mit einem ein zigen strauchelnden Tritt konnten sie hinabstnrzcn. Die Be glückung, das Wesen zu besitzen, das sein Leben strahlend er füllte, und die Angst, mit ihm diesem jetzt erst für ihn voll- wcrtigcn Leben entrissen zu werden, strafften ihn wunder bar. Sie gaben ihm eine hellsichtige Klarheit und seinem Fuß Sicherheit, und cs bedurfte nicht mehr der Ermahnun gen der zagen Mädchcnstimme, achtsam zu sein. Endlich hatten sie den Pfeiler drüben erreicht und stan den wieder auf festem Boden. Leni tat noch zwei, drei Schritte, dann aber wandte sie sich nm und fiel Jenssen i» die Arme. Sie umklammerte seine Schultern, weil sic sonst zusammcngcbrochcn wäre. Nachdem die Todesgefahr tiber wunden war, fiel sie über das Mädchen mit ganzer Wucht. Völlig erschöpft lag cs an seiner Brust. Er-nahm ihre Wan gen in seine Hände und flüsterte: „Nie wieder, Leni. . ." Weinend wehrte sic jede Entschuldigung ab. In einer ge heimnisvollen Uebereinstimmung wußten sic ja voneinander, als ob sie von Urbeginn vereint gewesen wären. Dann saßen sie aneinandcrgeschmiegt aus einem Bretterstapel, fühlten sich nur und hörten die Tröstungen und Beteuerungen ihrer gedämpften Stimmen, aber hell bahnte sich die Zukunft Var ihnen, zweckbestimmt in einer Zwcicinhcit, die ihre schwerste Probe schon bestanden hatte durch den opferwilligen Lebens einsatz einer selbstlosen Liebe, die jeder Bedrohung die Stirne bietet. Eines war zum anderen gekommen aus sei ner Verlassenheit ans diesem Gang über den Steg der noch unfertigen Brücke. Kraft und Widerstandszähigkcit strömten auS ihrer Verbundenheit, die schon eine Geburt war, denn sic verschmolz sie zu der WescnSgcmeinschaft, die einst in ihren Kindern die sichtbare Gestalt annchmcn würde. Das Ver trauen des Mädchens hatte den Mann wieder in eine Pflicht gesetzt, in der er sich bewähren mußte, und ihm die Festigkeit des Glaubens an einen Menschen und einen bleibenden Traum geschenkt. Als sic schließlich nnfbrachen, bemerkten sic daS Werts boot, daS unten die Brücke nach ihnen absnchte. Sic winkten .mit den Taschentüchern hinab, und freudiges Hallo antwor tete ihnen. In einem munteren Laufschritt rannten sic über den letzten Teil der Brücke und kamen so am jenseitigen User an. Während sic das Boot betraten, verkündete Jens- sc» beiläufig, indem er sich eine Zigarette anzündetc: „Wir haben uns verlobt." Die Kameraden schrien .LSravol" und kamen heran, ihnen die Hände zu schütteln. Der Bauleiter nahm sie beide gerührt in seine Arme. Er war erleichtert, weil alles gut abgclaufcn war, und froh, weil er wußte, das; diese Stunde für die beiden so etwas wie ein Gottesurteil bedeutete. Auch die Wirtin kam herzu, wischte sich mit der Schürze die Tränen aus den Augen und verhätschelte Leni, als sei dies ihr eigenes Kind. Sie erbot sich, einen Fcstkaffcc zu spenden, bei dem die Verlobung sogleich gefeiert werden müsse. Dann huschte das kleine Motorboot an dem riesigen schwarzen Skelett der Brücke flink und licht vorbei, ein rechtes Glücksschiff, und als sie in einer stilleren Heiterkeit als vor diesen Erlebnissen nachher tatsächlich bei dem VcrlobungS- kasfce saßen, taten sic alle, als sei die Sache niit dem Laufsteg nichts weiter gewesen als ein Scherz JenssenS. ! ein Tuch um die Schultern und schlich sich durch die Hinter« I tiire heimlich in die Nacht hinaus. Ohne sich umzusehen, lief , sie durch die Gärten hinter der Stadt, zur Flußbrücke und , quer über die taunassen Wiesen ins Lager der Franzosen. Sterben kann ich, dachte sie, aber nicht weiterleben in den; Bewußtsein, daß um meinetwillen fast tausend Menschen elend werden. — ! Im Lager wurde Marieluis mit viel Geschrei empfangen. Ein ganzer Zug johlender Soldaten geleitete sie zum Zelt des Kommandanten. Er saß mit etlichen Offizieren an einem Tisch, auf den; etliche Kerzen brannten, und lächelte boshaft, als MarieluiS das Zelt betrat: „Na also! Wären Sie gleich etwa? vernünftiger und weniger spröde gewesen, mein schönes Kind, hätten wir die Sache beide einfacher haben können!" Er reichte Marieluis ein gefülltes Weinglas über den Tisch: ,Hier, trinken Sic, erholen Sie sich von dem Gang durch die kalte Nacht!" Marieluis nahm das Glas und blickte dem Franzosen ge rade in die Augen: „Ich habe die Bedingung erfüllt! Ich bin gekommen, damit unsere Stadt vor der Zerstörung bewahrt bleibt. Nun trinke ich auf das Wohl meiner Heimatstadt und aller, die in ihr leben!" Sie setzte den Becher an die Lippen. Dann ließ sie ihn fallen, Scherben klirrten auf dem Boden. Das Mädchen aber lief blitzschnell aus dem Zelt. Es wand sich zwischen den ver blüfften Soldaten hindurch, so flink, so gewandt, daß keiner es zu halten vermochte. Hastige leichte Schritte verhallten in der Nacht. Vom Flusse drüben tönte ein leises Anfklatschcn herüber . . . Am anderen Tage fand man den Körper der schönen Marieluis Reinbeck eine Stunde flußabwärts am Wehr. Die Stadt blieb unversehrt. Der Kommandant der französischen Truppen äußerte, als die Geister des Weines bei ihm verflo gen waren, er bedauere den Vorfall sehr. Denn er habe dem Mädchen kein Haar krümmen und es nicht in den Tod Hetzen, , sondern nur den Bürgern der Stadt gründlich Angst cinjagcn ! wollen. Diese Worte machten die schöne Marieluis Reinbeck freilich nicht wieder lebendig . . . Doch ihr tragisches Schicksal erregte im ganzen Lande > heftigste Empörung. Ueberall sprach man davon. Viele, die - bisher gleichgültig, stumpf waren gegen das Leid, das ihr > Land unter dem Joch Napoleons erduldete, wurden nun auf gerüttelt. Der Haß gegen die fremden Bedrücker wuchs immer mehr, glimmte wie heimlicher Brand von Haus zu Haus, von Ort zn Ort, bis er endlich im Frühling 1813 aufloderte znm großen Fanal des deutschen Befreiungskrieges. So starb die blutjunge schöne Marieluis Reinbeck nicht umsonst. Sie ge hörte zu den Opfern, die fallen müssen, um anderen den rich tigen Weg zu weisen. Der Gang ins Lager Historische Skizze von S. Droste - Hülshoff Diese Geschichte wurde mir in meiner Kinderzcit einmal erzählt. Wahrscheinlich hat sich der Vorfall in jenen schweren Tagen wirklich zugetragen, da das Hessenland unter der Ge waltherrschaft Napoleons seufzte. Marieluis, die einzige Tochter des Stadtapothckers Rein beck, war 18 Jahre alt, blond und schlank, hatte ein frisches feines Gesichtchen und galt als schönstes Mädchen der kleinen Landstadt. In guten Zeiten wären die Eltern Wohl sehr stolz auf die hübsche Tochter gewesen. Damals aber herrschten Krieg und Unruhe. Es^war kurz nach dem mißglückten Aufstands versuch des Freiherrn vyn Dörnberg und seiner Bauern. Napoleons Truppen zogen häufig durch das Städtchen, es gab Bedrückung und Einquartierung. Fremdes Soldaten volk stellte den Mädchen nach. Da bereitete Marieluisens Schönheit den Eltern manche Sorgen. So oft Einquartie rung im Hause lag, durfte Marieluis ihre Stube im rück wärtigen Giebelstock des Apothckerhauses nicht verlassen. Sie schloß sich dort ein, Vertrieb sich die Zeit mit Lesen und Hand arbeiten und lebte wie eine Gefangene zwischen ihren vier Wänden, bis die Truppen wieder abzogen. Es schien besser, wenn die französischen Offiziere und Soldaten überhaupt nicht merkten, daß es im Apotyekerhause eine junge Tochter gab. — Wieder einmal hauste ein Dutzend französischer Offiziere im Apothekeranwesen. Sie tranken und lärmten in der Gartenstube zu ebener Erde. Marieluis saß in ihrem Stüb- schen am offenen Fenster, wohlgedeckt hinter dem Weißen Mull vorhang, nützte das letzte Tageslicht und stichelte emsig an einer Stickerei. Plötzlich blähte ein Windstoß Len Vorhang und streifte damit ein buntes Garnröllchen, das auf dem Fensterbrett lag, in den Garten hinab. Aergerlich sah Maric- luis dem Ausreißer nach. Sie brauchte gerade dieses Garn notwendig zu ihrer Arbeit. Ob sie rasch in den Garten ging? Die fremden Offiziere würden sie schon nicht gleich entdecken! Sie riegelte ihre Kammertür auf und spähte die Treppe hin- , ab. Die Franzosen lärmten im Gartensaab, auf der anderen Seite des Hauses. Leichtfüßig huschte die Schöne durch die f Gänge, lief in den Garten hinter dem Hause und hob ihren ! Garnwickel auf. Niemand begegnete ihr. Doch als sie eben ! zurückkam und die Treppe zum Oberstock emporsteigen wollte, öffnete sich eine Zimmertür. Ein Hoher französischer Offizier trat auf den Gang heraus. Er schmunzelte, als er das Mäd chen erblickte: ,L>c? Mademoiselle? Wie kommt so ein schönes Kind in dieses Haus?" rief er übermütig und haschte nach Marie luisens Kleid. Erschrocken floh sie den Flur hinab. Der Franzose verfolgte sie. Auf halber Höhe der Treppe holte er sie ein, riß sie in seine Arme und versuchte sie zu küssen. Sein Atem roch nach Wein, seine dunklen, flackernden Augen ver rieten den Angetrunkenen. Marieluis schrie auf, suchte sich dem Manne zu entwinden und stieß ihm schließlich ihre kleine Stickschere, die sie noch zwischen den Fingern hielt, tief in die rechte Hand. Der Apotheker hatte den Schrei gehört und eilte nut sei nen Angestellten entsetzt herbei. Auch die Offiziere im Gar tensaal ließen ihre Weinflaschen im Stich und kamen gelaufen. Der gestochene Offizier war unglücklicherweise der Komman dant der Truppe. Er wickelte seine blutende Hand fluchend in ein Tuch und rief: „Das sollen Sie mir büßen, Mademoiselle, Sie und mit Ihnen die ganze Stadt!" Dann ging er mit seinen Kameraden in den Gartensaal zurück und zechte weiter. Eine Stunde später wurde dem Apotheker und dem Bürgermeister ein Ultimatum des fran zösischen Besatzungskommandanten zugestellt: Die Soldaten würden sich sogleich nach ihrem Zeltlager vor der Stadt jen seits der Flusses zurückziehen. Dorthin müsse Marieluis Rein beck noch diesen Abend kommen und sich allein und freiwillig — das Wort „freiwillig" stand wie zum Hohne dick unterstri chen auf dem gelblichen Papier! — in das Zelt des Komman danten begeben. Andernfalls werd« die Stadt anderntags in Brand geschossen . . . Bald . darauf rückte die französische Besatzung ab. Im ! Zeltlager jenseits des Flusses richtete man die Läufe der Ka nonen gegen die wehrlose Stadt. Sie befand sich in Heller- Aufregung. Die Männer ballten die Fäuste vor Empörung darüber, daß sie machtlos waren und zusehen sollten, wie das schönste Mädchen der Stadt den Franzosen anSgelicfcrt wurde. Die Frauen weinten und bangten um ihr Hab' und Gut. Marieluis saß verzweifelt in ihrer Stube. Ihr graute vor dem Gang inS französische Lager. Konnte sie aber verant worten, daß man die Heimatstadt ihretwegen vernichtete und unsägliches Leid über alle Bewohner brachte? Unten in den Wohnräumen des ApothekcrhauseS berieten die Räte der Stadt, ob man nicht Marieluis zur Flucht verhelfen und das Unheil dennoch irgendwie abwcnden könne. Men erschien es grausam, daS Mädchen preiszugeben. Da nahm Marieluis Schicksal am Brückensteg Erzählung von OttoDoderer An d,em.Abend des Tages, an dem das Schlußstück der neuen Brücke eingepaßt und der an ihr beschäftigten Beleg schaft von den Baüfirmen Freibier gespendet..worden war, das Ereignis in der aus rohen Brettern am Ufer Les Stromes errichteten Kantine zu feiern, hatte der jüngste der Ingeni eure in der Trunkenheit die törichte Absicht geäußert, zu ver suchen, ob er jetzt in der Nacht noch die Brücke überschreiten könne. Jeder der Ingenieure und Buchhalter, die rings nm die lange Tafel saßen, wußte, daß cs ein geradezu selbst mörderischer Gedanke war, daß der Laufsteg, der über den kahlen Eisenträgern des eben erst fertig montierten Mittel- bcgens lag, kaum einen halben Meter Breite hatte und der Weg darüber in der Dunkelheit selbst für einen nüchternen Mann ein lebensgefährliches, seiltänzerischcs Wagnis be deutete. Der junge Mann — Joachim Jenssen hieß er — war ein bescheidener, stiller Mensch, der aber an einer maßlosen Reiz barkeit und Verranntheit litt. Man wußte auch, das; er von der Eifersucht um das freundliche Mädchen, das sn der Bc- amtenkantine auftrug, gequält wurde, obwohl er sich ihr weder jemals offenbart hatte noch ihrerseits durch besonderes Entgegenkommen ausgezeichnet worden wäre, vielmehr mit einer fast ängstlichen Ehrerbietung ihr stets ausgcwichen war, während sich alle anderen Männer seiner Umgebung gelegent lich ein wenig mit ihr zn schäkern erlaubten. „Wetten wir, daß ich über die Brücke komme!" hatte er scholl zum zweiten Male gerufen. Dabei hatte er mit der Hand eine weite Bewegung gemacht, als ob er etwas aus wische, und sein Bierglas umgeworfcn. Er schien cs nicht be merkt zu haben. Es war, als ob der Alkohol den ganzen Bo densatz seines heimlichen Elends ans ihm hcrauskoche. Der Bauleiter, ein älterer Mann, der neben Jenssen saß und ver hindern wollte, daß der Eigensinn des Jungen noch weiter aufgestachelt würde, beschwor die Gesichter am Tisch mit hoch gezogenen Augenbrauen und mahnend erhobener Hand zn schweigen, und vielleicht hätte sich Jenssen noch einmal beson nen, wenn nicht Leni, jenes Mädchen, dagcstanden hätte in der plötzlichen Stille Und gebeten: „Nehmen Sie mich mit, Herr Jenssen!" Sie war völlig verwandelt, ihre Gestalt lauernd vorgcbeügt, der Milnd halb geöffnet, ein Bein vor das andere gestellt wie im Ansatz zu einem Sprung, ihre Brust ging erregt auf und ab. Jenssen hatte den Kopf sinken lassen. Dann hob sich sein schmales Gesicht mit der geraden Nase, dem kräftigen Kinn und den zusammengepreßten Lippen. „Wirklich, Leni?" fragte er und sah ihr prüfend in die Augen. Das Mädchen seufzte tief auf und nickte. „Also, abgemacht!" sagte Jenssen. Er hatte seinen Stuhl znrückgestoßcn und war zu ihr hin getreten, zunächst ein wenig schwankend, doch gleich sich zusam- wenreißcnd. Der Bauleiter redete auf ihn ein. Die Wirkin stellte sich dem Paar in den Weg und schrie Jenssen an: „Sie . Unhold! Das Kind bleibt hier!" Jenssen aber hielt den ihn - Umringenden seine Fünfte entgegen. „Zurück!" brüllte er. > Und als Leni hinter seine», Rücken eine Handbcwcgung mach- > te, die nnsdrnckcn sollte, das; sie die Sache schon in Ordnung l zu bringen hoffe, ließen sie wie gelähmt die beiden durch die : Tür hinaus. , Leni hatte Jenssen den Arm geboten. Er stutzte sich schwer ! auf sic. Draußen merkte sie jedoch schon bald, daß er sich in > der frischen Nachtluft wieder in Zucht hatte, und fühlte auch Tonntagsgedanken für Tonntag, oen ik. Januar 1980 „Gelobt fei, was hart macht!" Brechen die Welle« dein Tchiff, klage da» Schicksal nicht an! Bist du de» Gotte» nicht wert, der in den Wettern dich sucht? Sei dir nicht selber zu schab'! Greif' in die Dornen hinein! Ewige Kronen allein flicht man der Treue daraus. Keinem bleiben erspart HammerschlSge de» Schicksals. fährt unaufhaltsam hinein. Blutest du, Herz, dann frohlocke »er Gnade, die du empfangen! Siehe, in Leide« und Not klopft an die Türe dein Gott. Christoph Muller