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Technische und wirtschaftliche Bedeutung der Phenole Von Dr. RUDOLF BEMMANN, Leunawerke Wenn ich Ihnen heute etwas über das Phenol vor trage, so tue ich das nicht nur wegen der immer größer werdenden Bedeutung dieses wichtigen Grund stoffes der organischen Chemie, sondern auch deshalb, weil wir im Leunawerk einige Male fördernd in die Entwicklung der Phenolgewinnung und -Verarbeitung eingegriffen haben, der größte Phenolverarbeiter und -Verbraucher in der DDR sind und uns intensiv mit der Phenol-Chemie beschäftigen. Ich muß mich in einem kurzen Vortrag auf das Grundsätzliche beschränken, möchte dabei aber nicht verfehlen, meine Meinung hin sichtlich der Aufgaben zu äußern, die uns Chemikern in der DDR, insbesondere auf dem Gebiet der Phenol gewinnung, gestellt sind. Anschließend werde ich kurz auf die derzeitige Verwendung des Phenols eingehen, dann einige statistische Zahlen bringen und schließ lich auf die Phenolerzeugung zu sprechen kommen. Zum besseren Verständnis werde ich dabei hin und wieder einige Bemerkungen über die historische Ent wicklung machen. Nachdem RUNGE im Jahre 1834 das Phenol im Steinkohlenteer entdeckt hatte, wurde es aus diesem auch bald technisch gewonnen und der sich allmählich entwickelnden chemischen Industrie zur Verfügung gestellt. Die Verwendung des Phenols beschränkte sich jedoch bis zum Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts auf die Desinfektion und Holzkonser vierung sowie auf einige Farbstoffsynthesen. Kurz vor der Jahrhundertwende kam die Kolbe-Schmittsche Salizylsäuresynthese als ständiger sowie die Pikrin säure für militärische Zwecke als zeitweiliger größerer Verbraucher hinzu. Im ersten Weltkrieg stieg die Pi krinsäure-Erzeugung dann sprunghaft für kurze Zeit sehr stark an und machte das Phenol zum ersten Male zu einem Schlüsselchemikal von Weltbedeutung. Nach dem ersten Weltkrieg ging das Interesse an Phenol zunächst wieder zurück, bis dann in den 20er Jahren die Kunststoff-Industrie auf den Plan trat und dem Phenol ein riesiges Absatzgebiet für die eigentlichen Phenoplaste vom Typ des Bakelits, später auch für hochwertigere Kunstharze und Weichmacher eröffnete. Die vollsynthetischen Fasern vom Typ der Polyamide, deren Entwicklung in Deutschland auf Phenolbasis er folgte, machte dann das Phenol endgültig zu einem der wichtigsten und interessantesten Grundstoffe der organischen Chemie. Heute kann man ebensogut von einer Phenol-Che mie sprechen, wie es z. B. hinsichtlich des Äthylens und des Acetylens schon längst der Fall ist. Ich habe dementsprechend versucht, analog zum Äthylen und Acetylen auch einen Phenolstammbaum aufzustellen. Bild 1 zeigt ganz rechts den Ast, der zunächst zum Benzol führt. Man kann durch katalytische Reduktion des Phenols zum Benzol kommen. Für das Phenol selbst hat diese Möglichkeit keine praktische Bedeu tung, da man ja umgekehrt in den USA Benzol in größtem Maßstabe in Phenol umwandelt. Bei den hö heren Homologen des Phenols dagegen, z. B. bei den Xylenolen, die im Überschuß vorhanden sind, würde die katalytische Reduktion eine Möglichkeit darbieten, um zu den Xylolen, insbesondere zu dem so begehr ten p-Xylol, zu kommen. Leider besteht diese Möglich keit nur sehr bedingt, wovon später noch kurz zu spre chen sein wird. Auf dem rechten Ast ist weiter das Anilin eingezeichnet. Das bedeutet, daß man durch katalyti sche Umsetzung des Phenols mit Ammoniak zum Ani lin kommen kann. Wir haben im Leunawerk aus Ortho- Kresol, das sich leicht rein herstellen läßt und eben falls im Überschuß vorhanden ist, auf diesem Wege einige Zeit lang o-Toluidin hergestellt. Weiter sind auf dem rechten Ast die Salizylsäure, die Pikrinsäure, Phenolphthalein und Farbstoffe eingetragen. Dazu ist nicht viel zu sagen. Es sind das die sozusagen klassi schen Phenolderivate. Als nächstes ist das Pentachlor phenol mit angeführt, weil es in der letzten Zeit für die Holzkonservierung erhöhte Bedeutung erlangt hat. Das Symbol 2,4-D, das darunter zu sehen ist, bedeutet Derivate der 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure, die aus Phenol und Chloressigsäure dargestellt wird und de ren Salze sich als selektive Unkrautbekämpfungsmittel bewährt haben. Diese Produkte haben seit 1945 eine rasche Entwicklung durchgemacht; z. Z. liegt ihre Er zeugungsmenge in den USA bei ungefähr 15000 jato. In der DDR werden ähnliche Präparate hergestellt. In Leuna gehen wir dabei nicht vom Phenol, sondern vom o-Kresol aus und stellen das Natriumsalz der 2-Methyl-4-Chlorphenoxyessigsäure her, das dem 2,4-D sogar überlegen zu sein scheint. Der rechte Ast endet mit dem Diphenyloxyd, das man zwar auch aus Phenol herstellen kann, in der Praxis jedoch gewöhnlich als Nebenprodukt bei der Phenolsynthese gewinnt. Es wird in Mischung mit Diphenyl in ziemlich großen Mengen als Heizbad-Flüssigkeit verwendet. Ganz links endet ein Ast des Phenolstammbaums mit den Phenopla sten. In den USA geht die Hauptmenge des Phenols, näm lich über 60%, in diesen Sektor. In Deutschland ist der Anteil der Phenoplaste am Phenolverbrauch nicht so groß; vielmehr werden hier in großem Maße auch Phenolhomologe, inbesondere m-kresolhaltige Kresol gemische, eingesetzt. Von dem gleichen Ast zweigen sich vorher die Alkylphenole ab, worunter hier insbe sondere mit Isobutylen und Isooctylen alkyliertes Phe nol sowie z. B. mittels Aceton hergestellte Polyphenole zu verstehen sind. Diese Alkylphenole dienen einerseits zur Herstellung hochwertiger Kunstharze, andererseits zur Gewinnung nichtionogener synthetischer Wasch mittel vom Typ der sog. Igepale. Das Phenol läßt sich verestern, und verschiedene Phenolester haben große technische Bedeutung erlangt. Sie sehen in dem Phenolstammbaum das Triphenylphosphat eingetra-