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278 Der Lvaanrr. ans Tor gab ihm ein anderer das Geleit, um ihm dort zu- zurauncn: „Also — gengan's nur allweil am Zaun längs, na kcmman's scho hi. Und ziahg'n S d' Kapuz'n übern Kopf — so; na kennt Eahna koans net. — Pfüat Gott also!" Knarrend und ächzend schloß sich das Tor, und langsam wandelte der Nachtwächter am Zaun entlang. Aber er kam nicht übermäßig weit. Von irgendwoher näherte sich der Klang eiliger Schritte und dann rief ihm jemand zu: „Flori — bist du's?" Er konnte den Fragenden nicht sehen, denn ihn trennte ein dichtes Gebüsch von ihm. Mit möglichst tiefer Stimme erwiderte er: „Jawoh-i. — Aber wer is denn da?" Die Antwort ließ auf sich warten, und als sie kam, klang es, als hätte der Sprechende einen Hustenansall zu unter drücken. „I bin's do — d'r Simmer. Muaßt heunt net Wächtern?" „Jawoh-i. Also fühat denn Kott derweil." „Na, na — du muaßt mitkemma. Bei mir ham's g'stohl'n — die ganz'n Würscht, wo i g'macht hab', und zwo« Schink'n und E'selchts — a ganz'r Pack'n, dös glaabst! — Ab'r i woaß scho, wer's toan hat — d'r Modinger is g'wen. 2 bitt' di — geng mit zum Modinger." Jetzt hatte der Mann sich endlich durch das Gebüsch ge arbeitet und zog den Nachtwächter mit sich fort, ohne lange auf eine Antwort zu warten. Durch Gärten und über Wiesen ging's, weglos und stcglos, und die Laterne flog hin und her wie ein riesiger Glühwurm. Endlich machte der unbequeme» Führer vor einem in völliger Dunkelheit liegenden Hause Halt: „Da san ma!" meinte er. „Paß auf — d'r Modinger macht ins net aaf." Er pochte kräftig gegen die Haustür, aber drinnen blieb alles still. „Modinger, mach' aaf! — Mir san's --- i und d'r Flori! Balst net aaf machst, geng i zum Kommandanten!" Aber es rührte sich nichts. Da sagte der Simmer heftig: „Siehgst, daß 'r 's tan hat! — Aba i woaß eh, wo daß 'r mei Sach' hat. Da drin is — dös is g'wlß. Geh — gib amal 'n Spieß her." Er nahm ihm den Spieß aus der Hand und ging aus die Tür eines Nebengebäudes zu. Der Nacktwächter hörte ein Krachen und Splittern und dann den triumphierenden Ausruf: „Siehgst — da Ham ma's. — Geh' her — schaug, was d'r Lump z'sammtrag'n hat!" Beim Scheine der Laterne sahen sie da drinnen all die Würste, Schinken und anderen Herrlichkeiten, die der Modin ger dem Simmer gestohlen hatte, auf einem Tisch ausgcbrei tet. Der Simmer aber machte kurzen Prozeß. Er lud dem Nachtwächter, der zu all dem noch nicht ein einziges Wört chen gesagt hatte, einen Teil der Würste auf den Arm, band einen Schinken vorn und einen zweiten hinten an den Spieß, belud sich dann selbst mit dem übrig gebliebenen und kom mandierte: „So — dös trag' i glei wieder hoam! Sonst schafft's der Modinger no beiseit'. Morg'n geng i nacha zum Kommandanten." Und wieder ging es über Wiesen und durch Gärten da hin, bis der Simmer vor seinem eigenen Anwesen halt machte. Hier nahm er dem „Flori" die Sachen wieder ab und schüttelte ihm kräftig die Hand. „Also gute Nacht, Flori! — Und i dank' recht schön." Damit verschwand er im Hause. Der Nachtwächter aber suchte so schleunig als möglich den Kloibcr-Hof wieder zu erreichen. Aber wie sollte er sich in diesem Gewirr von Gürten, Zäunen und Häusern zurecht finden? — Wohl eine Viertel stunde lang irrte er vergebens umher. Da hörte er sich abermals angerufen — von einer zornig erregten Stimme: „Flori, bist du da? — I bin's — d'r Modinger. I bin eb n hoam kemma. Mei ganz' Würst ham's g'stohl'n — und zwoa Schink'n und G'selchts! — D' Tür ham's aafbrocha!" «Das ist der Simmer gewesen!" entfuhr es dem unglück lichen Nachtwächter, der seine Knie wanken fühlte. „Er hat gesagt. Sie — du hättest ihm die Sachen gestohlen — und da wollte er siL wiederholen —" Der Modinger schien in seiner Aufregung gar nicht zu bemerken, einen wie merkwürdigen Dialekt der Flori mit einem Male sprach. Heftig schrie er: „D'r Lugenschippel — mi hat r b'stohl'n! — Glei müass'n ma hin zu eahm!" Dem Nachtwächter flimmerte es vor den Augen, aber er mußte folgen, mochte er wollen oder nicht. Der Hof des Simmer zwar, auf den ihn der Modinger führte, kam ihm gleich merkwürdig verändert vor; noch merkwürdiger ver ändert aber war der Simmer selbst, der ihnen auf ihr Pochen öffnete. „Aber das ist ja der Simmer gar nicht!" stotterte der Nachtwächter erstaunt. Da fuhr der Modinger, der den Simmet eben hatte anreden wollen, herum. „So—o?!" schrie'er. „Wer bist denn nacha du?" Und mit einem raschen Griff riß er ihm die Kapuze vom Kopfe. Da kam ein käseblciches Gesicht zum Vorschein, das dem Flori entschieden nicht angehörte; und wütend schrie der Modinger: „Wart', du Lackl — dir werd' i's b'sorg'n! — Dös soll di net g'freu'n, du!" Nein — cs „g'freute" ihn gewiß nicht. Denn er wurde ganz gehörig durchgeprügelt, der Pseudo-Nachtwächter von Sindelsau. Es gelang ihm zwar endlich, zu entwischen, aber den Spieß und die Laterne mußte er auf dem Schau platz des Ereignisses zurücklassen. Eine halbe Stunde später hatte er sich endlich zum Kloiber-Hof zurückgefunden. Seltsamerweise war der Flori noch auf; so konnte ihm der Fremde denn sogleich berichten, was sich zugetragen hatte. Der Flori aber schüttelte ein über das andere Mal den Kopf. „Was reden's da?" fragte er schließlich. „Hier gibt's koan Modinger und koan Simmer net. I ver steh' nix'n." „Ka — keinen Modinger?" stotterte der Andere und starrte ihn fassungslos an. Zm gleichen Augenblick aber wurde heftig an der Tür gepocht. „Flori — bist da?" fragte eine weibliche Stimme. „Glei sollst' 'nüber kemma — d'r Lautenbach'r is fuchsteifsiwild. Bei ins san's ein'broch'n — die ganz'n Würscht ham's g'stohl'n — und zwoa Schink'n — und ein Geselchtes!" stöhnte der unglückliche Ex- Nachtwächter. „Flori — um Eotteswillen, gehen Sie hin über und sagen Sie, daß ich alles bezahle — der Lauten bacher soll nur ruhig sein! — Ich habe ja geholfen, bei ihm einzubrechen." Der Nachtwächterspieß wurde am nächsten Tage durch den Flori ordnungsmäßig an den Bürgermeister abgeliefert; wo ihn der Flori gefunden, verriet er niemals. Tatsache ist nur, daß der Mostbrenner-Wastl und zwei andere Erzlumpen van Sindelsau sich die nächsten Wochen hindurch lediglich von Würsten, Schinken und Geselchtem nährten. Der Fremde aber verließ das gastliche Sindelsau, nachdem er dem Lautenbacher eine ansehnliche Rechnung bezahlt hatte. Und er empfand es als eine besondere Freundlichkeit des Schicksals, daß er im letzten Augenblick dazukommen mußte, wie der Flori die Lautenbacher- Marie „abbusselte". — — - —