Geologie und Chemie. 395 Naturwissenschaften als eine Art Grundlage zu dienen. Die Chemie ist jetzt am meisten die Wissenschaft der Zukunft, d. h. sie greift am gewaltigsten in das Studium der ganzen Natur und des praktischen Lebens ein, sie fördert am sicher sten alle anderen materiellen Wissenszweige, und sieht selbst noch weit einflussreicheren, umgestaltenden Entdeckungen ent gegen, als das bei den übrigen der Fall ist. Sie ist in einer Gährung begriffen, die fast täglich Neues producirt, wodurch sie den übrigen Naturwissenschaften und der ganzen Mensch heit nützlich wird. Wir dürfen aber überhaupt kaum noch die Naturforschung in selbständige Wissenschaften trennen; alle greifen innig in einander, alle sind nur Zweige desselben Stam mes. Nur die Unmöglichkeit für den Einzelnen, Alles gleich- massig zu umfassen, erheischt mit Nothwendigkeit eine immer grössere Theilung der Arbeit. Jeder Forscher muss sich einen Zweig auswählen, den er besonders pflegt, der aber, wie jeder andere, zum ganzen Baum gehört und diesen ziert. Die entschiedenste Anregung zur Verfolgung und Deutung chemischer Vorgänge in der Erdentwickelungsgeschichte gab Gustav Bischof in seinem „Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologie“. Die strenge Kritik, die er darin gegen bestehende Ansichten vom chemischen und physikali schen Standpunkte anwendete, die zahlreichen Experimente und genauen Untersuchungen, welche er selbst zu diesem Zweck ausführte, mussten nothwendig Vieles berichtigen und über Anderes aufklären. Aber Bischof ging viel weiter; er glaubte mit einem Schlage die gesammte alte Geologie beseitigen, und eine ganz neue dafür einsetzen zu können. Diese Ueberhebung beruhte offenbar auf Unkenntniss des wahren Standpunktes der damaligen Geologie und ihrer Vertreter, so wie auf grosser Ueberschätzung der universellen Bedeutung seiner eigenen, für die Aufklärung einzelner Fälle allerdings oft sehr wichtigen Untersuchungen, und der von ihm selbst darauf begründeten Hypothesen, die z. Th. noch einseitiger, gewagter oder geradezu fehlerhafter sind, als diejenigen, welche bis dahin selbst von den phantasiereichsten Geologen aufgestellt worden waren.