Geologie und Poesie. 353 der Erscheinungen ersparte, reicht noch weit in die Neuzeit hinein, nur vielfach die Namen und die besonderen Vorstellungen wechselnd. Zauberer und Hexen, Berg- und Luftgeister, Feen und Kobolde traten an die Stelle der früheren Götter und Halbgötter. Vor der nüchternen Forschung sind alle diese Wesen der Phantasie dahingeschwunden; an ihre Stelle sind berechenbare Kräfte, Wirkungen oder Eigenschaften getreten, die nicht in demselben kindlichen Sinne poetisch erscheinen, dafür aber dem denkenden Forscher immer noch eine Poesie der Natur in anderer Form darbieten. Aber nicht nur die geistige Personification der Natur ist vor der unbefangenen Forschung geschwunden, auch im Uebrigen ist die Auffassung und Deutung der Erscheinungen und Vor gänge eine minder phantasiereiche, und in so fern weniger poetische geworden, je mehr sie sich der Wahrheit näherte. Im Anfang dieses Jahrhunderts hatten die Geologen noch ihre besondere Vorwelt, in der sie die Phantasie frei walten Hessen, beinahe ungebunden durch die Gesetze der Natur, am wenigsten durch die tägliche Erfahrung. Nichts hinderte sie, in dieser Vorwelt eine besondere Jugendkraft der Erde und gewaltige allgemeine Katastrophen anzunehmen, durch welche fast alles Vorhandene plötzlich zerstört, und dafür überall Neues geschaffen wurde; — das war der Ursprung der sogenannten Schöpfungsperioden, deren jede eine Welt für sich darstellte. — Sie bevölkerten die Erde nach Belieben mit einer riesenhaften Thierwelt unter der üppigsten tropischen Vegetation; sie Hessen plötzlich unermessliche Flutheu hereinbrechen, welche gewaltige Felsmassen entführten und ganze Länder überschwemmten; über Nacht entstanden vor ihrem Seherauge grosse Vulkane, umgeben von sogenannten Erhebungskratern; höbe Gebirgs ketten wurden fast mit einem Buck emporgescboben; durch vulkanische Kräfte Hess man grosse Felsblöcke Hunderte von Meilen weit schleudern; im Erdinnern wüthete ein gewaltiges Centralfeuer, stets bereit, die starre Kruste zu sprengen; oder man löste die ganze Erde in Wasser auf, und Hess sie schichten- Cotta, Geologie der Gegenwart. 5. Aull. 23