Ueber das Entwickelungsgesetz der Erde. 215 immer vollständigere Entwickelung des Nervensystems und seiner geistigen Functionen. Durch diese letzteren, welche bei den Thieren höchst unscheinbar beginnen, unmerklich sich vermehren, und im Men schen ihr Maximum erreichen, begann sogar eine ganz neue Phase der organischen Entwickelungsreihe. Das Wesen dieser Functionen, welche wir geistige zu nennen pflegen, ist noch durchaus unergründet. Es handelt sich für unsere Zwecke auch gar nicht um eine Lösung solcher lläthsel,. oder um eine Entscheidung Uber die Selbständigkeit des Geistes, sondern lediglich um die thatsächlichen Erscheinungen des geisti gen Lebens. Für diese tritt uns aber zuerst im Menschen eine freie Entwickelung innerhalb einer Formenspecies deut lich entgegen. Bei den Thieren erkennen wir eine wesentliche Zunahme der geistigen Functionen nur von Art zu Art; die gleichzeitigen und die auf einander folgenden Individuen der selben Art unterscheiden sich nur sehr wenig von einander. Beim Menschen dagegen finden wir nicht nur grosse indivi duelle Verschiedenheiten neben einander, sondern auch einen unverkennbaren Fortschritt des Wissens und Könnens mit der Zeit, d. h. in den auf einander folgenden Generationen der selben formalen Species — einen Fortschritt, den wir als Ge schichte der Menschheit zu bezeichnen pflegen, der auf die sem Gebiet dem der Formenentwickelung der übrigen Organismen entspricht, und ebenfalls ein Resultat der Summirung ist. Bei einigen Thierspecies, besonders bei Hausthieren, sind zwar schon kleine geistige Fortschritte durch Züchtung bemerk bar, gegen die des Menschengeschlechtes erscheinen sie aber nur äusserst gering. Insofern wird durch das Auftreten des Menschen auf der Erde ein siebentes Stadium der geolo gischen Entwickelungsreihe charakterisirt. Der Mensch ist der Ausgangspunkt eines besonderen organischen Reiches geworden, welches sich ähnlich Uber dem Thierreich erhebt, wie dieses über dem Pflanzenreich. Die Fähigkeiten des Körpers werden beim Menschen ergänzt und theilweise ersetzt durch die des Geistes, als einer deutlich her-