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Sonnabend, d«t 18. Mai. zum säcMcheu Erzähler. 1878. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Elairetontaine. Historische Novelle von LlsroeUin Ls 6»räe. Au« dem FranMschen übersetzt von R. Müldener. (Fortsetzung). 13. Die Halbbrigade der republikanischen Armee sah sich in ihrem Marsche sehr oft durch den schlechten Zlkstand der Seitenwege aufgehalten, auf denen sie sich, zur größeren Sicherheit, bewegte. Auch langten der österreichische General und seine Offiziere wenig stens eine Stunde vor Ankunft der Franzosen in Arlon an. Schröder hatte seine Truppen unmittelbar unter die Waffen gerufen und alle Maßregeln ergriffen, welche die Klugheit ihm befahl. Als er durch die in aller Eile zur Recognoscirung des Feindes ausge schickten Eclaireurs erfuhr, daß die Streitkräfte des selben sich ungefähr nur auf tausend Mann beliefen, so entschloß er sich, einen raschen Ausfall zu machen und ihnen entgegen zu gehen. In diesem Augenblicke stellten die Republikaner sich in eine Ebene auf, die von der Straße nach Luxemburg durchschnitten, gewöhnlich wegen des hier wachsenden Ginsters, der zur Zeit der Blüthe einen hellgelben Teppich bildet, das goldene Feld ge nannt wird. .Seht Ihr nichts? Hört Ihr nichts?" — wandte der Oberst sich an Domergue, indem er den Arm nach der Richtung der Stadt auSstreckte. , „Alles ist 'still und dunkel;" — versetzte der Commissar- „Es wird noch eine halbe Stunde bis zum Anbruch des Tages vergehen: wir können unsere Truppen dreist eine halbe Stunde ruhen lassen. Die Sache wird nur ein Spiel sein; man erwartet uns nicht, und die Garnison ist ihrer Chefs beraubt. Alle diese kleinen deutschen Balthasars werden curiose Gesichter schneiden, so bald sie erfahren, daß wir eingedrungen sind, während sie in der Abtei von Clairefontaine so lustig bankettiren." .Ich bin über den Erfolg nicht ganz so beruhigt," — antwortete der '.Chef der Brigade — „Albert'S Verschwinden ist für mich ein sehr übles Vorzeichen, und, trotz meiner guten Meinung in Betreff des jungen Mannes, kann ich jetzt nicht umhin, in ihm einen Agenten der Oesterreicher zu erblicken." Kaum hatte er diese Worte vollendet, so rief eine Stimme hinter ihm: .Commandant, stellt Eure Leute in Schlachtord nung! Die Oesterreicher attaquiren Euch." Der Oberst und Domergue wandten sich hastig um, Albert stand vor ihnen. „Wenn die Oesterreicher uns attaquiren," — ver setzte der Oberst, den jungen Mann an der Kehle fassend, — .so hast Du sie benachrichtigt, Elender .... aber Du sollst Deinen Verrath theuer be zahlen !" Und damit riß er eine Pistole aus dem Gürtel, spannte sie und setzte den Lauf Albert auf die Brust. „Ein Wort;" — sagte dieser in entschlossenem Tone — „bei der Freundschaft, welche Ihr für mich empfunden, beschwöre ich Euch, mich zuerst gegen den Feind marschiren zu lassen, und dann werdet Ihr sehen, ob ich mein Blut für die Republik zu ver gießen weiß." „Colonel! Colonel!" — unterbrach ihn Domergue, auf die Oesterreicher zeigend, die man in der ersten Morgenhelle in geringer Entfernung heranmarschiren sah, — „wir haben keine Secunde Zeit zu verlieren!" „Geh denn ," versetzte der Oberst, Albert los- lassend, — „Dein Betragen wird mir lehren, ob ich Dich zu verfluchen habe oder nicht." Der Kampf begann. Die Franzosen, geringer an Zahl, ohne Cavallerie oder Artillerie, benutzten gewandt die Vortheile ihrer günstigen Stellung. Die Oesterrcicher, in die Tiefe zurückgeworfen, wurden in zwei Abtheilungen getrennt, von denen die eine sich in die Stadt zurückwarf, während die Andere, nachdem sie vergebliche An strengungen gemacht, sich mit der Ersteren wieder zu vereinigen, lebhaft verfolgt, den Rückzug nach Luxemburg einschlug. „Freunde!" — wandte der Ob-^st sich an seine Soldaten — „wir waren gekow- 'leberrum- pelung zu versuchen; wir wer »k krönen durch einen Sturm mit bewo^ o" Die durch den Sieg eleclrisir.eu -r-otoateu griffen die Stadt auf verschiedenen Punkten an, um einmal die Kräfte der Garnison zu theilen und sie über den eigentlichen Punkt in Ungewißheit zu lassen, von dem aus man sich der Stadt bemächtigen wollte. Das französische Musketenfeuer hatte einen Theil der Brustwehr von den Feinden gereinigt, als man einen mit einer Leiter versehenen Soldaten allein gegen den Wall vorrücken sah, dessen Gipfel er im Nu er stiegen. Bereits setzte er den Fuß in die Stadt, seine Freunde mit der Hand auffordernd, ihm zu folgen, als mehrere Oesterreicher, Radetzky an ihrer Spitze, sich auf den kühnen Stürmer stürzten, der, von der Zahl überwältigt, von mehreren Stichen durchbohrt, in den Wallgraben stürzte. Beim Anblick der Sci- nigcn raffte er sich noch einmal zusammen und rief: Vive Is repudlique! Der Oberst hatte Albert erkannt.