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Das Steinbrechergrab im Elbtal. Eine Erinnerung an den großen Ang«- und Ireudealag unserer Heimat vor 75 Jahren, am 25. Januar IS«. Von Siegfried Störzner, Dresden. Em Menschenalter ist es her. daß in den oberhalb Schandau gelegenen Postelwitzer Neinvrüchen 24 wackere Männer durch eine vorzeitig und unverhofft niedergehende Riesenwand von 260 000 Zentnern verschüttet wurden. Erst nach 52stündiger, heldenmütiger Rettungsarbeit ihrer Ka merad«, konnten sie unversehrt, wenn auch auf den Tob er schöpft, wieder ans Tageslicht gebracht werden. Der Schauplatz dieses Ereignisses war der eine kleine Wegstrecke oberhalb des Zahnsgrundes über der Straße nach Schmilka gelegene Neinbruch „Zum guten Bier". Sein seltsamer Name führt zurück auf ein altes Schandauer Bor- recht, daß nämlich die Bewohner der umliegenden Dörfer bei hoher Strafe gezwungen waren, all ihren Bedarf an Bier Mdtgtzh^ inr-Schmrdauer Brauhause zu decken, an dessen gu tem Geschäftsgänge die bvauberechtigte Bürgerschaft lebhaft interessiert war. Da damals noch rein Weg am Flußufer entlangführte, waren die Schmilkaer genötigt, die Fässer auf einem durch die Steinbrüche sich hinschlängelnden Steige bzw. weiter durch den langen Grund zu transportieren. Bei gutem Wasserstand benutzten sie zwar dazu die Elbe, doch war der Strom in früheren Jahrhunderten, wo es noch keine Flußregulierung, rein« Baggerarbeiten, keine Beseitigung der vielen Sandbänke, kein Wegsprengen der von den Nein brüchen hinab ins Flußbett gerollten Felsblöcke gab, nur zu einem Teile des Jahres schiffbar. So blieb denn, besonders bei Eisgang oder wenn die Elbe fast zuaeforen war, für die Biertransport« nach der „Schmilkschen Mühle" nur der be schwerliche „Weg" durch die Steinbrüche übrig, und so sollen Vie Felsen zu der Bezeichnung „Gute Bier-Wände" gekom men sein. Nach anderer Lesart — und sie wird wohl das Richtige darstellen — geht der Name auf das in der Steinbrecher sprache übliche Wort „Bierschlag" zurück, so daß man wohl nicht fehlgeht, den Bruchnamen damit zu erklären. Ferner will man wissen, das Gute Wer bezeichne eine Quelle zwi schen den Felsschluchten. „Das gute Bier" ist einer der ältesten Steinbrüche zwi schen Postelwitz und Schmilka. Benachbart ist ihm di« Gute- Ader-Wand. Anfangs in Flor stehend, blieb der Gute-Bier- Bruch jahrzehntelang unbenutzt liegen, bis man ihn 1842 wieder in Betrieb nahm. Seit 1856 arbeitete man hier am Hohlmachen einer Riesemvand von 150 Ellen Länge und 40 Ellen Höhe. Nach sechs Jahren hatte man sie 25 Ellen tief unterhöhlt, ohne daß sich irgendwelche Anzeichen eines baldi gen Niederganges bemerkbar gemacht hätten. Urplötzlich und völlig unerwartet ereignete sich hier, just während der Frühstückszeit, das folgensckMere Unglück: Die mächtige, einen Ueberhang bis zu 36 Ellen zeigende Wand kam plötzlich unter erdbebenartigem Donnern herabgeshür-t und verschüttet« unter chrem Trümmerdeuge 24 Steinbrecher, von denen 16 Familienväter waren. Ein großes Nück, eine wundersame Fügung war es, daß der Sturz nicht während der Arbeitszeit beim Hohlmachen geschah, sondern in de» Minuten, wo die Steinbrecher unter emer schützenden, schräg an die Felswand gelehnten Platte zum Frühsaick sich einge bunden hatten. In dem von Platte und Felswand gebildet» Winkel hatten sie sich einen kleinen Aufenthalts raum geschaf fen, der kn den kurzen Arbeitspausen- sie aufnahm. — Es war damals um die Wende der Jahre 1861 und 18« eine bewegte Zeit. Allerhand Raturrveimttsse brachten die Welt in Aufregung. Erdbeben überall: Lissabon war van einem solchen wieder einmal zerstört, der Lesuv und der Aetna in erhöhter Tätigkeit, unausgesetzt Lava, Schwefel und Ranch ausstoßend, die Bevölkerung ringsum flüchtend. Selbst in unserem so ruhigen Sachfenlande hatte man Erdstöße ver spürt. Möglich, daß eine der Erschütterungen im Erd inner» auch den Anstoß gegeben hatte, die Wand zum Fallen zu bringen. Der alt« Linke, der Nestor der Postelwitzer Steinbre cher, der sonntags droben in „Oster" die Zeitung im Wirts haus las, hatte während der Frühstückszeit seär« Arbeits kameraden mit dem Erzählen von diesen Naturereignissen unterhalten, und der Signalist wollte nun eben da» Zeichen zum Wiederbeginn der Arbeit geben, als plötzlich unter einem ohrenbetäubenden Donnern und Krachen, dar weithin im Elbtal zu vernehmen war, di« Wand henckftürzte und mit Aufwirbeln einer himmelhohen Naubdecke unter hausgrohen Felstrümmern alles Lebende wie in einem Riesenfarge ein schloß. Und doch war keiner der Bierundzwanzig im Guten Wer von der Riefenwand zerschmettert worden. Die schon ge nannte 13 Ellen stark«, aus festestem Gestein bestehend« Platte, hinter der die Männer ihr Frühstück gehalten, hatte schützend das herabdonnernde Gestein über sie wegsausen las sen, ohne dabei selbst in Trümmer zu gehen. Und doch! war der Tod auch nicht von draußen gekom men, er war jetzt mit ihnen hier eingeschloffen. Rur noch zwei Brote, etwas Wurst, Speck und Fett, ein Krug Wasser, ein wenig Schnaps — wie sollte das für so viele langen? Dazu, Mitte Januar war es, die bittere Kält«. Zwischen den Felsspalten kam sie zu ihnen hingetrochen. Durch kein wär mendes Feuer konnten sich die Eingeschloffenen vor ihr schüt zen, wenn sie nicht in beißendem Qualme ersticken wollten. — Aus den Brüchen des Elbtales und aus den nahen Dör fern waren sofort nach dem Felssturz hilfsbereite, starke, im Kampf mit dem tückischen Gestein erfahrene Männer herbei geeilt. Trotz bitterer Kalte und eisigem Regen, der di« zu wahren Bergen aufgetürmten Felstrümmer fast unersteigbar machte, umrde von ihnen unter Hintansetzung des eigene« Lebens alles Menschenmögliche getan zur Retttmg der Ber- lchütteten. Unter Fuhymg des Bruchmeisters Richter ver suchte man, eine Art Schacht auszuhauen und vom Geröll