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Sonnabend, den SS. Januar 1876 Aettetristische Anlage zum sächsische« Eezähtee. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Kesondere Kennzeichen. Erzählung von Ludwig Habicht. (Fortsetzung.) Bis hierher hatte sich der Lauf der Banknote leicht verfolgen lassen, weil sie bis dahin nur durch die Hände von Geschäftsleuten gewandert war, die jede Nummer eines solchen Papieres sorgfältig notiren; aber würde der Fleischer in Klagenfurt sich auch noch auf diese Banknote besinnen und angeben können, von wem er sie erhalten? Und wenn er es vermochte? War damit wirklich etwas erreicht? Der Vorbesitzer hatte sie gewiß wieder von einem Anderen und zuletzt verlor sich ihr Weg ganz im Dunkeln, denn es war kaum zu erwarten, daß auch alle Privatleute auf die Rümmer der betreffenden Banknote geachtet, sie nach Monaten noch im Kopf haben, und jedesmal genau wissen sollten, wer sie ihnen damals in Zahlung gegeben hatte. Trotzdem wenig Hoffnung vorhanden war, den Lauf des verhängnißvollcn Papiers so weit zu ver folgen, bis es auf die Spur des Räubers führte, beschloß Hartenberg doch, sein Möglichstes zu ver suchen. Das Eintreffen der Banknote hatte in ihm zu lebhaft die Vorgänge jenes Abends in Erinnerung gebracht und was er sich damals gelobt alles ein zusetzen, um den kecken Räuber zu ermitteln, wollte er halten. — Der feine Herr hatte sich gar so sicher gewähnt; er sollte erfahren, daß Banquier Harten berg Scharfsinn und Energie genug besaß, um nun seinerseits den Jäger zu spielen, dem das Wild in's Netz laufen mußte ... Es war ohnehin mitten im Sommer und die Geschäfte drängten nicht all' zu sehr; er hatte deshalb Zeit, die weitere Verfolgung der Sache selbst in die Hand zu nehmen und schon mit dem Nachtzuge reiste er nach Klagenfurt ab. Was der Banquier kaum zu hoffen gewagt hatte, erfüllte sich dennoch. — Der ehrliche Fleischer wußte sich noch ganz gut auf die Banknote zu besinnen und gab sogleich bereitwilligst Auskunft. „Ja, die habe ich vor etwa sechs Wochen von einem' Pferdehändler erhalten, det mir meinen braunen Wallach abgekauft. Es war ein prächtiges Thier und wir haben lange darum gehandelt. Er wollte mir durchaus nicht so viel geben, wie ich forderte und endlich warf er mir ärgerlich den 500-Guldenschein, den Sie da in der Hand haben, auf ineine Fleischbank und davon hat er den großen Fettfleck, den Sie da oben sehen. Ich kenne den Pferdehändler ganz genau und deshalb konnte ich das Papier schon annehmen, aber hier im Orte wurde ich die Banknote doch nicht los und so schickte ich sie endlich nach Wien. Sollte sie falsch sein, muß sie nur der Mann ersetzen und er kann es auch, er ist reich genug." Hartenberg beruhigte den bereits ängstlich ge wordenen Fleischer über die Echtheit des Papiers und fragte nur nach dem Namen und Wohnort des Pferdehändlers. Der Mann heißt Leopold Weber und ist aus Graz; aber Sie werden ihn -schwerlich zu Hause treffen, denn er zieht fortwährend im Lande herum", antwortete der Fleischer. „Hm! das ist fatal!" murmelte der Banquier. „Liegt Ihnen wirklich so viel daran, den Mann zu sprechen?* fragte der ehrliche Meister verwundert, „Wenn das Papier echt ist, dann glaubt' ich —" „Es hat mit der Banknote eine eigene Bewandt- niß", unterbrach ihn Hartenberg ungeduldig; „und ich möchte allerdings um jeden Preis wissen, von wem sie Herr Weber erhalten hat." Der Fleischer sann einen Augenblick nach. „Warten Sie, das wird doch möglich sein. Ja, ja, so geht's! Morgen ist Pserdemarkt in Marbach, da treffen Sie meinen alten Freund gewiß. Der Mann ist groß und mager und Sie dürfen sich auf dem Markt nur umsehen, wer die schönsten Pferde zum Verkauf hat, das ist der alte Weber." Die verhängnißvolle Banknote trieb ihn ja von Ort zu Ort. — Aber je mehr sich die Schwierig keiten häuften, je mehr fühlte sich der Banqier auf gestachelt, sie zu überwinden. — Nun gewann die Sache einen immer höheren Reiz für ihn. Noch batte er glücklicherweise den Faden nicht aus der Hand verloren und von neuen Hoffnungen erfüllt, dem räthselhaften Räuber auf die Spur zu kommen, brach er ohne großen Aufenthalt nach Marbach auf, das ohnehin auf seinem Rückwege lag. Die Angaben des Fleischers bestätigten sich, denn der Pferdehändler Leopold Weber war auf dem Marburger Markt wirklich anwesend und leicht zu ermitteln. Der Alte war aber von Kauflustigen so umringt und von seinem Handel in Anspruch ge nommen, daß Hartenberg wohl einsah, er müsse eine gelegenerc Stunde abwarten, um den Mann für seine Angelegenheit geneigter zu finden. Endlich hatte sich der Markt ziemlich geleert, die Käufer waren nur noch sehr spärlich vorhanden und auch der alte Weber stand müßig da und gab eben seinen Knechten den Befehl, den kleinen Rest unverkaufter Pferde fortzuführen, als der Banquier mit der Frage an ihn herantrat: „Nicht wahr, Sie sind Herr Leopold Weber?"