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s. Jahrgang. Donnerstag, 30. Juli 1914. Nr. 174 Dies« Rümmer umfaßt 8 Sette«. n Ungarn, nachdem es Serbien den Krieg «Märt hat, die militärische Aktion unter keinen Umständen mehr ausge halten wissen will, und wenn das große Süaoenrüich kriegerisch« Vorbereitungen IvMen wollte, dann ist es un ausbleiblich daß ihm Deutschland, durch fein« Bfindwis. pflicht gezwungen, und in weiterer Linie unter demselben Zwang Frankreich folgen. So unerwünscht «ine solche Entwicklung wäre, so bäirohlich das Antlitz Europas da durch würde, so müßte man auch dann noch lange nicht alle Hoffnung aUf eine Verhinderung de» großen euro päischen /Kriege» ausgeben. Die Großmächte würden da durch nur ihre Entschlossenheit kundgwen, sich für «Lle Fäll« gerüstet zu zeigen, aber die Vermittlung müßte darum noch nicht schweigen. Im Gegenteil, ins Ungeheure würde dann das Bewußtsein der Verantwortung steigen, das jeder auf sich nimmt, der die Grenze der bewaffneten Zurückhaltung überschreitet. Rußland aber könnte nach den ersten österreichischen Siegen die ihm im Interesse seines Ansehen» Lei den slawischen Völkern unentbehrlich er. scheinende Schützerrolle in dem Sinne spielen, daß es feier, lich erklärte, e» werde die Vernichtung de» serbischen Staates und österreichische Gelbietsvevmchvunyen nicht dulden. Ma» tut es, wenn es damit nur offene Türen ein. rennte. Oesterreich-Ungarn hat von vornherein erklärt, daß es nur sein« Grenzen vor der groUetbischen Propaganda schütze» und die Protektoren der Mörder seines Thron- folgere, züchtigen wolle, daß es aber keinerlei Eroberung». Politik zu treiben gedenke. So könnte es Rußland den pathetischen Scheinerfolg gönnen, der mit seinen Absichten in vollen! Einklang ist. Vielleicht ist da» der Wieg, der über Millionen von Bajonettsipttzen zum Frieden führt. Daß er nicht ungefährlich ist, kann leider niemand leugnen. Das Wichtigste vom Tage. Die Oesterreicher haben gestern Belgrad bom bardiert, worin Rußland den Kriegsfall erblicken soll.*) * Im Süden und Südwesten Rußlands wurde eine teilweise Mobilisierung angeovdnet.*) * Sämtliche holländischen Offiziere in Du. razzo haben ihre Rücktrittsgefuche etnge- reicht; die Entscheidung darüber hat sich der Fürst noch Vorbehalten. Politische Tagesschau. «ne, 30. Juli. Einberufung des Reichstage-. O Schleunige Einberufung des Reichstages wird von einem Teil der sozialdemokratischen Presse und hier und da auch von demokratischer Seite gefordert für den Fall, daß die internationale politische Lage sich mach Wetter zuspitze. Es ist kennzeichnend, daß in eins» Mo ment, wo die leitenden Stellen der ReichSregterung im vollen Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit alle» zur ruhigen, wenn auch entschiedenen Erledigung der schwe benden Fragen tun, sich schon di« Hhperparlamentarter melden und keinen Augenblick versäumen wollen, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Für den Kaiser besteht nach der Verfassung, selbst im Fall« einer Kriegserklä rung nicht die Notwendigkeit, vorher den Reichstag zu befragen. Warum sollte man jetzt, wo in den Kabinet. ten mit fieberhaftem Eifer gearbeitet wird, das Parla ment befragen, wo doch eine eindeutige Frage nicht zu stellen ist und die Entfesselung kleinlicher Parteilei denschaften das Bild nur verwirren müßte. Man scheint obendrein zu vergessen, daß die Einberufung des Parla ments nur eine neue Beunruhigung darstellen würde, weil man dann die Zeit für den letzten entschei denden Schritt gekommen glauben würde. Wir hegten die feste Zuversicht, daß unser« Regierung in dieser ge wiß sehr schweren Zeit keinen Augenblick von dem Po sten Weichen wird, den Verfassung und Volk-Vertrauen ihr geschaffen hat. Daß sie in Fragen der auswärtigen Politik beim Parlament sehr ost nicht die gewünschte Stütze erhält, hat sich mehr als einmal erwiesen. Dem Kaiser steht e- zu, im Einverständnis mit dem Bun desrat, selbst über Krieg oder Frieden zu entscheiden. Wird man de» Rückhalts des Parlaments bedürfen, dem ja nach der Verfassung di« Bewilligung der Kriegskosten Vorbehalten ist, dann wird die Regierung die geeignete Stund« wahrnehmen, getzt aber find wir glücklicher, weise noch nicht so wett. - Der Freispruch der Fra« EatUaux. O Frau Taillaux, di« bekanntlich des mit Vorbedacht verübten Totschlags an dem Letter de» Pariser Figaro, Calmette, beschuldigt war, ist, wie wir gestern schon tele graphisch kurz meldeten, nach achttägigen, zum Teil sehr sensationellen und politisch interessanten Verhandlungen nun doch freigesprochen worden. Di« Enthüllungen freilich, die man sich von dem Prozeß versprochen hatte, waren nicht derart, daß man von ihnen viel Aufsehen machen könnte, viele von ihnen haben sich im Laufe de» ProzesseS ab» haltlose Verdächtigungen «Wiesen. Um den Urteilsspruch zu Würdigen, mutz man sich vergegen wärtigen, daß in Frankreich vielfach Mord und Körper- Sir Cäwarä Greys Mißerfolg. ' Jetzt, wo der österreichisch-serbische Krieg das mäch- tige Gebäude der europäischen Machtverteilung in Men Fugen krachen macht, wo der Weltkrieg in greifbare Näh« rückt, ertönte aus England der Friedensruf: Bot- schafterkonferonz! Der Weg märe von Awetsel« hvfftem Wert, wie die Forderungen, die man erfüllt sehen will. Die Kubinettspolitik arbeitet Heute rasch und inten, sw. Warum dann dem Apparat einer Konferenz, die nur allzu leicht auf die Gleise des bürokratischen, langsamen, formalen Arbeitens gerät? Mus solchen berechtigten Be denken heraus macht Deutschland die Konferenz nicht mit, ohne deshalb aber von seiner zum Frieden geneigten Politik auch nur um WngerLreite abzurücken. In seinem löblichen Eifer, Rußland» Interesse an einem GW» greife,- in den serbisch-österreichischen 'Konflikt zu entkräf ten, wollte Sir Edward Grey Oesterreich veranlassen und dies durch die vier Mächte: England, Italien^,»Frankreich und Deutschland — alle aktiven militärischen Operationen bis zur Beendigung der Konferenz» «inzustellen. Die Zu sammenarbeit «der vier Staaten sollte dahin führen, daß auch die österveich.serbische Frage, nicht nur die , eines Weltkrieges, einer vereinenden Lösung zugsführt wird. Wie aber? — so fragt man. — Kann man Oesterreich zumuten, ohne eine moralische Genugtuung erreicht zu haben, die Feindseligkeiten einzustellen? Mn und nim mer! Dann wäre der Konfikt nicht gelöst, er bestünde unter der Oberfläche weiter fort und der Brand, den man heute zugedeckt hat, lodert in wenigen Monaten in vielleicht er« heblich größerem Umfange als man es heute absehen kann, wieder auf. Der mühsam aufrecht erhaltene, vielleicht Oesterreich aufgenötigt« Friede wäre der «Krieg für lange Zeit. Man könnte also der Friedensaktion nur be dingtes Vertrauen «ntgegenbringen. Würde man sich dazu verstehen, durch die Arbeit der Großmächte Oeste'» retchs Forderungen zu erfüllen, oder dazu, den 'Krieg zu lokalisieren, dann ist es gut. Aber daß sich Oesterreich bedingungslos den anderen Mächten anvertvaue, kann nie mand verlangen. Auch der geringste Abstrich von den For derungen, die unser Nachbarstaat aufgestellt hat, bedeutet die Spitze van Serbien ab und «egen Oesterreich wenpeN. Die Gefahr darf man nicht heraufbeWoören. Aber darum ist der Plan der Frtedensaktton, wenn er in veränderter Form durchgeDhrt wird, noch Angst nicht gescheitert. Im.Gegenteil, den Krieg zu lokalisieren «st der Wunsch all«, namentlich Deutschland». Da man hier darüber eingehend« unterrichtet ist, als in London, so wird man es an der Themse, wo man die Aufrichtigkeit des deutschen Friedenswillens würdigt, nicht als eine Un freundlichkeit deuten können, wenn wir «inen andern Weg als den der Botschafterkoiffereng für zweckmäßiger und er- folgverheißender halten. Die Botschafterkonfevenz hat wäh nend des Balkankrioge» eine viel zu umständliche Arbeit ge leistet, al» daß sie den viel natürlicheren Weg, der auch jetzt noch offen bleibt, ersetzen konnte: die unmittel bare Verständigung von Kabinett -u IKahi- nett. Diese direkten Verhandlungen sind in vollem Zuge, und in sein« hier dankbar anerkannten Absicht, sie zu einem guten Ende zu führen, wird uns England an seiner Seite finden. Freilich, wenn Nußland sich mit der unab wendbaren Tatsache nicht befreunden Ann, daß Oesterreich. zum Herrscherhaus« und zum Vaterland« wankend zu machen, di, htzranwachstnde Jugend irre,«leiten und zu frevelhaften Taten des Wahnwitze» und de» Hochverrates aufzureizen. Eine Reihe von Mordanschlägen, «ine plan, mäßig vorbereitete und durchgeführte Verschwörung, deren furchtbares Gelinge« mich und mein« treuen Völker in» -er, getroffen hat, bildet die weithin fichtb«« blutig« Spur «jener geheimen Machenschaften, die von Serbien au» in» Werk gesetzt und geleitet wurden. Die. sem unerträglichen Treib«» muß Einhalt geboten, den un aufhörlichen Herausforderungen Serbien, «i« End, bereitet wettien, soll di« Ehr« und Würde meiner Monarchie «n. verletzt erhalten und ihve staatliche, wirtschaftlich« und mili, tärische Entwicklung vor beständigen Erschütterungen be. wahrt bleiben, vergeben» hat müine Regierung nicht einen letzten Versuch unternommen, diese» Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen, Serbien durch eiue ernste Mahnung zur Umkch» zu bewegen. Serbien hat die maßvollen und gerechten Forderungen meiner Regierung zurückgewiesen und e, abgelehnt, jenen Pflichte« nachzukommen, deren Er. füllung im Lebe» der Völker und Staaten die natürliche und notwendig« Grundlag« de, Frieden, bildet. Sv muß ich denn daran schrotten, mit Waffengewalt die «n. verläßlichen Bürgschaften zu schaffen, die meine» Staaten die Ruhe im Innern und den dauern. d«n Frieden nach außen sichern sollen. In dieser ernsten Stund« bin ich mir der ganzen Tragweite meines Entschlüsse, und mein«, Verantwortung vo, dem Allmäch. tigen voll bewußt. Ich habe alles geprüft und erwogen. Mit ruhigem Gewissen betrete ich den Weg, den dk« Pflicht mir weist. Ich vertrau« aus meine Völker, die sich in alle« Stürmen stet, in Einigkeit und Treue um meinen Thron geschart haben und für Ehre, Größe und Macht de, Vater- lande» zu schwersten Opfern immo, bereit waren. Ich vertrau« auf Oesterreich-Ungarn, tapfere und mit hin gebungsvoller vegeifterung erfüllte Wehrmacht, und ich ver, traue auf den Allmächtigen, daß er meinen Waffen de« Siegverlethen wird. Fria«» Josef. Stürgkh. «-»so»-«», vu »eq— WS«««.'«« »IN viKhaik» 4«r -»«I» »«. Um, V«»eh, nicht wnm »I» Nofaav» »«. Snf,n>t« »urch r»i»fp«ch«, H-lp-t« da. ManufNtpt nicht -«itUch leevae ist. Wie halbamtlich bekannt wird, hat Zar Nikolaus an den deutschen Kaiser ein Telegramm gerichtet, das sich mit einer Depesche Kaiser Wilhelms an den Zaren gekreuzt hat.*) » Präsident Potncare ist gestern mittag in Parts eingetroffen und wurde von den Ministern und dem russischen Botschafter empfangen. vrühere» steh« an andirer Etelle. ' ' - ' - ---- Mutmaßliche Witterung am 31. Juli: Nordwinde, wechselnde Bewölkung, Tempevil.urzu nähme, Gewitternei gung, sonst kein erheblicher Niederschlag. -Wcl Das Manifest äes Aaisers Franz Fofef. Kaiser Franz Joseph hat, wie wir in unserer Ausgabe vom Mittwoch schon auszugsweise Mitteilen konnten, nach, folgende» Handschreiben und Manifest erlassen: Lieber Graf Stürgkh! Ich habe mich bestimmt gefunden, dem Minister Meines Hauses und des' Aeußersn zu beauftragen, der königlich seMschsn Regierung den Eintritt des Kriegszustandes zwischen der Monarchie und Ser. bien zu notifizieren. In dieser schicksalsschweren Stunde ist es mir Bedürfnis, mich an meine geliebten Völker zu wenden. Ich beauftrage Sie daher, das anvev- traute Manifest zur allgemeinen Verlautbarung zu bringen. Bad Ischl 28. Juli 1914. Fran, Joseph, m. p. Stürgkh, w. p. An mein« Völker! Es war mein sehnlichster Wunsch, di« Jahr«, di« mi, durch Gotte» Gnade noch beschie. den find, Werken de» Frieden» zu weihen und mein« Völker vor den schweren Opfern und Lasten de» Kriege» zu be wahren. Im Rate der Vorsehung ward es ander» b«, schlossen. Di« Umtriebe eine» haßerifülllt^jn Gegner, zwingen mich zur Wahrung de. Ehr« meiner Monarchie, -um Schutz« ihr«, Ansehen, und ihrer Macht, tellung, zur Sicherung ihre» Besitzstand«» nach langen Jahren de, Mieden, ,um Schwert zu greifen. Mit rasch vergessendem Undank hat da» Königreich Geübten, da von seinen ersten Ansängen seine, staatlichen Selbständig, kett bi, in di, neueste Zeit von meine» vorfahren und mir gestützt und gefördert worden war, schon vor Jahren den Weg offener Feindseligkeit gegen OesterreicheUngarn betre, ten. Al, ich nach drei Jahrzehnten segensvoller Frieden», arbeit in Bosnien und der Herzegowina meine Herrscher, rechte auf diese Lände, erstreckte, hat diese meine Verfügung im Königreich Serbien, dessen Rechte in keiner Weis« ver. «tzt wurden, Ausbrüche zügelloser Leidenschaft und bitter, ten -aß hervorgerusen. Meine Regierung hat damals von »em schönen Vorrecht, de. Stärkeren Gebrauch ««macht und n äußerste, Nachsicht und Milde von Serbien nu, di« Her. absetzung sein,, Heere, auf den Frieden-statzd und da» ver. prechen verlangt, in Hinkunft die Bahn de» Frieden» und der Freundschaft zu gehen, von demselben Geist de, Mäßigung geleitot, hat sich mein« Regierung, al» Serbien vor Zwei Jahren im Kampf mit dem türkischen Reich« be griffen war, auf die Wahrung der wichtigsten Leben», bedingunge» der Monarchie beschränkt. Diese« -Mung hatte Serbien in erster Linie die Erreichung de, Kriegszwecke» zu verdanken. Di, Hoffnung, daß da» serbisch« Königreich di« Langmut und Friedensliebe melner Regierung wür dige» und sein Wort «inzulösen wierd«, hat sich nicht erfüllt. Immer höher lodert der Haß gegen mich und «otn Hau» empor, immer ««ver hüllter tritt da» Streben zutage, «ntrenttbare Gebiet« Oesterreichülngarn» gewalt am lvszureffeih. Ein ver brecherische» Treiben greift über die Grenze, um im Südosten der Monarchie di« Grundlagen staatlicher Ord- nun« zu untergrüben. Da» Volk, dem ich in landwoäter- kicher Liebe «eia« volle Fürsorge pnveadh i« seiner Treue Mer Tageblatt /lnzeiger für -as Erzgebirge mit -er wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Muer Sonntagsblatt. f»«?: Sprechttuu-e -er Nr-aktiou «ult ftuonahm» -er Sonutage nachmittag» 4—- Uhr. — Telegram m-ftör»ff» r Lageblatt ftueerzgebtrg». Irra sprech er -s. Um« kür unverlangt etngesaubte Manuskript, »au« SrwLhr nicht geleistet werSen.