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/luer Tageblatt Ich 1» ps^ »«I t«r p»st »«stillt««» f«/ "> »I»t«I1,»,Uch 1.»» V , » '»natllch »» Pf«, vukch »«« »r<«st>ua«r st«I lo» hau» N^Üch t.« ««., »«»«tllch 74 Pf«. »-v, < -«»»ahm« »»» S»aa- un» ! .>« ««n. Unf«k« z«Itua-»au»« !<««». uo» stu,,a»«st«ll,n, f»a!« nll ^»st«ostalt«a un» Prl«str»,„ n'»««a V«st«llon»»u ,at,,g«a. Anzeiger für öas Erzgebirge mtt -er wöchentlichen Unterhaltnngsbellase: /iuer Sonntagsblatt. Sprechgua», -»r Ne-aktten mtt ftumahme »er Sonntag» nachmittag» 4—S Uhr. — <r»>»gramm-ftSrrss», Lag»dlatt fiurrrzgibirg». -m«ß>r»chm K. It>» nav»r1a»g1 «tng»stm»t» MaanstUpt» kann steuSH» nicht gelttjk« wer-»». Nr. 152. Sonnabena» 4. Juli 1S14. s. Jahrgang. Diese Nummer umsaht 14 Seiten. Außerdem liegt da« achtseitige illustrierte Sonntagrbl itt bei. Das Wichtigste vom Tage. Der Bundesrat ist in die Sommerferien gegan gen; Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollweg . siedelt am Montag nach Hohenfinow Über. » Das Reichsgericht verurteilte den Luxemburger The- miker Hausse wegen versuchten Verrats mi litärischer Geheimnisse zu drei Jahren Gefängnis.*) « Der Prozeß gegen Rosa Luxemburg wurde auf Gerichtsbeschluß vertagt. Das Tatsachenma terial über die Soldatenmißhandlungen wird der Staatsanwaltschaft von der Vertei digung übergeben werden.*) * In wien kam es im Anschluß an die serbenfeind- lichen Demonstrationen zu deutschfreund lichen Kundgebungen vor der deutschen Botschaft. » Die Fürstin von Alb anten wir infolge der verzwei felten Lage mit ihren Kindern zur Köni gin von Rumänien reisen. * In London starb im Alter von 78 Jahren Josef Chamberlain, der frühere Staatssekretär für die Kolonien.*) -t NLH«r«1 st«;« L» anderer HI«»«. Mutmaßliche Witterung am S. Juli: Wechselnd« Winde, heiter, Temperatur wenj g geändert schwach« Gewit terneigung, sonst vorwiegend trocken. -MU Politische Wochenschau. Die Tragödie von Sarajewo wird sobald nicht aus der Menschenertnnerung schwinden. Wie ein Soldat auf dem Felde so ist Erzherzog Franz Ferdi- nand in Erftillung seiner Pflicht geblieben. Der Sorge um die Verteidigung der österreichischen Balkanlande war seine letzte Reise geweiht, von der er nicht mehr le bend zurückkehren sollte. Der Thronfolger fiel für den österreichischen Staatsgedanken und di«, die ihn zu Fall gebracht haben, waren Vertreter jener Nation, die nun schon seit Jahren in dem Ermordeten den kräftigsten Widersacher ihrer Machtträume sah. Darin liegt aber die > wahre politisch« Bedeutung dieser Mordtat. Nicht der Person de- Opfer- galt st«, sondern der Idee, die er vertrat. Und nicht wahnwitzige Zerstörernaturen waren ihre Vollstrecker, sondern 1t« war nur die logische Fol gerung einer planmäßigen Verhetzung des Serbenvolles, die alles, was von den SchwobSkt kommt, verdächtigt. Und darum beschäftigt sich die öffentlich« Meinung auch sehr eifrig mit den Rückwirkungen der Schreckenstat arkf die österreichisch-serbischen Beziehun gen. Daß die Fäden der Verschwörung, der Franz Ferdinand erlag, bi» nach dem Königreich Serbien hin gehen, da- scheint außer Zweifel zu stehen. Will danach die serbische Regierung ihre Nachbarpflicht erfüllen, so muß sie auch ihrerseits den österreichisch-ungarischen Be hörden bet der Enthüllung des Dunkels behilflich sein, das auch heute noch über dem Verbrechen liegt. Frei lich wjrd ihr da- nicht leicht werden, denn di« heutige serbische Regierung muß sich Wohl vor einem Bruch mit der nationalistischen Mflitärpartei hüten. Die Gerücht« von einer bevorstehenden Vereinigung Serbiens und Montenegros zeigen zur Genüge, daß hinter den Kulis, sen Kräfte am Werke sind, die auf «in Zusammenwir ken des gesamten Serbentum» hinarbeiten, da» Natür lich seine Front nur gegen Desterreich nehmen könnte. Deshalb hat Europa und haben vor allem wir Deut sche als Bundesgenossen Oesterreichs allen Anlaß, den Vorgängen in der nordwestlichen Eck« de» Balkan» mtt Achtung zu folgen. Und da» natürlich umsomehr, weil die albanischen wirren ihr« Lösung um keinen Schritt näher gerückt sind. Noch immer ist kein« Aussicht Vorhan den, Fürst Wilhelm werde sich seiner Dränger au» eige ner Kraft erwchren können. Uber di« Väter Albanien», die Großmächte, zeigen immer noch gar kein« Lust, dem armen Kinde in seiner Not beizustehen. So bleibt denn die Ungewißheit, die nun schop so manch« Woche hindurch die europäisch« Politik belastet. Unter dem Eindruck der Schreckenstat in der bosni schen Hauptstadt hat der «nglische Flottenbesuch in der Osts«« nur wenig Interesse erweckt, obwohl auch « Politisch recht interessant war. Daß ein Geschwader nach Kiel und Sine» nach Kronstadt ging, entspricht nur der gegenwärtigen Politik England», da» sich immer mehr von ein« ganz einseitigen Festlegung auf den Dreiverband freizumachen strebt. Nicht aus Liebe zum Dreibund oder gar zu Deutschland, sondern allein, um seine Interessen ungestört verfolgen zu können. Daß diese Interessen nicht immer denen der Dreiverbandsge nossen entsprechen, da» zeigt da» russische Unbehagen über die englische Politik in Borderasien. Die Pachtung der Oelfelder in Güdpersien und Mesopotamien wird, mag st« auch nur Flottenzwecken dienen, an der Newa nicht ohne Mißtrauen betrachtet werden, da» erste Vorzeichen einer dauernden Festsetzung John Bull» am Persergolf«. John Bull selbst hat nun zu Hause mancher lei Sorgen, die ihn da» Leben» nicht recht froh werden lassen. Zwar die wilden Wohlwetber waren ja in letzter Zeit etwas ruhiger. Dergleichen Kunstpausen gShvren aber bei ihnen zum"Handwerk, und der Lanz wird schon bald wieder ßo-gehen. Aber damit Old England nicht zum Behagen kommt, erhitzen di« Gemüter sich immer mehr, je näher die Entscheidung über Homerule rückt. Die Ablehnung des Oberbaus«» kann diese Entscheidung nicht mehr aufhalten; auch de» König» Zustimumng ist so gut wie gewiß. Trotzdem wird Mit der gesetzlichen Er- ledigung der Homerulebtll di« wichtig« Frage noch nicht entschieden sein. Denn di« Ulsterleut« denken gar nicht daran, ihren Widerstand aufzugeben. Schon ist «» zur ersten Schlacht zwischen Ulsterleuwn und irischen Natio nalisten gekommen. Und es wird ein wahre» Meisterstück für Asquith werden, die KampMhne auSetnanderzubrin- gen, ohne «S mit seinen'irischen Freunden zu verderben und ohne auch die UMerleute allzu scharf anzufassen. Ein Meisterstück, da» dem gleichkommt, die Mexikaner zur Ruhe und zur Eintracht zu bringen. Nachdem man rn Niagarafall» schon so weit war, sich provisorisch zu einigen, sah man sich genötigt, sich zu Vertageck. Und vielleicht nicht nur provisorisch. Ml die Nachrichten aber au» Mexiko selbst lassen in ihren Widersprüchen und Unklarheiten nur da» wirre Durcheinander erken nen, das auch heute noch im Aztekenlande herrscht. Josef Chamberlain *s* London, S. In». Der seither« Staatssekretär für die Kolonien. Joses Chamberlain, ist gestern abend 10 Uhr im Alter von 78 Jahre« hi.-r gestorben. Cr litt"seit langem an Ar eriicnverkallung. An seinem Sterbelager w. Iten Austin Chamberlain und säst alle Familienmitglieder. v Joscff Chamberlains politisches Loben bewegt« sich in Kurven, in denen stolzer Aufstieg und jäher Absturz hart beieinander liegen. Es gab Zeiten, da der Name Chamber- lain setnrn Landsleuten als die Verkörperung.des britischen Reiches erschien, während er außerhalb Englands als das leibhaftige Abbild britischer Brutalität ebenso ^verabscheut wurde, wie er dort vergöttert war. Und wenige Jahre spä- ter schrieen die, welche oben Hosianna gerufen, dem Gestürz. ten ein Kreuzige zu, nannten ihn «inen Drotvertouver und Vorkämpfer aristokratischer Kliguenwirtschaft. Draußen aber im Auslande, wo man des britischen Kvlontalmiinister» P^an, Mutterland und Kolonien mtt einer Zollmauer zu umgeben, mit sehr gemischten, aber keineswegs freudigen De- fühlen ausgenommen hatte, urteilte man wesentlich anders über den einst bitter Gehaßten. Er schien doch nicht nur der Vertreter "einer brutalen Machtpolitik zu fein, die-mehr zor- stört als ausbaut, fein Streben war offenbar, «r wollte dem britischen Weltreiche eine neue Bafis geben. Mochte auch das Mittel nicht richtig .gewählt fein, großzügig war es, und mit dem Vorwurf, daß Chamberlain nur Mr. «ine kleine Im Bummelzug. Fahrtbilder von Julins Knopf. (Nachdruck »erbaten > Pcrfonenzug Lübeck-Mol Dieser >?ug macht seinem Namen keine Ehre: os ist kein Zug in dem Zug. E be wegt sich mit der Schnelligkeit einer altersschwachen Schild kröte: und pedantisch, wie der gewissenhaft ste Bureau krat überschlägt er nicht ein« einzige Station. Die Fahrt von Lübeck nach Miel kostet itt der dritte K'ass« nur zwei Ma k und sechzig Pfennig. Wer ste dauert lo lang., daß man meint, ein« Strecke« für zehn Mark durchfahrm ?u haben. Da schelte einer noch aui den Tisenbahnfisku». Er befolgt das menschenfreundlich, Prinzip! billig und lang.. Gegen die geschlossenen Fenster trommelt der Rogen. Tin melan cholisches Naß! In einem winzige, Statiönchen steigt ein blonder Zeitgenosse in schwarzem Anzug und gelb.m Stiefeln ein. Kaum daß er sich gesetzt, zieht «r au» seine Rocktasche ein mit Bindfaden verschnürtes, kurzes Paketchen. Tr wickelt es auf: drei Paar unförmig dicke Stullen quellen hervor. Ich schauder«. Er grinst mich an. Ja, Reisen macht Hunger, meint er und beißt mächtige Breschen in das Brot. Tin schrecklicher Geruch erfüllt den Raum. Richt nach M'« — o nein! Demgegenüber hat Käse da, Odnrr von Roftn- öl. Es sind Eierstullen, die der blonde Herr ißt. Rach- dem er sein Frühstück vertilgt hat, putzt sich d,i blonde Mann im schwarzen Anzug die Fingernägel. Aber ihre Trauer ist zu echt, trotz allem 'Bemühen bleibm sie fchwarz Di« Sonn« blinzelt durch dm Molkensch^ier, der Regen hat aufgehört, ich öffne ein Fenster, dem ich lechze nach frischer Lust. Ach schließen «, doch da» F*O«r wieder, ,e zieht, brummt «r Hin mtt den verttiigtm Giefftullen. Ich protestiere: Aber es kann ja gar nicht ztchm, denn es steht doch nur «in einzig« Finster offen, feder GM« zug fehlt. Ich habe Rheumatismus, ruft der blmwe Rkse, und er reckt sein« zarten Llefantenglieder, angesichts deren s '>«r Mdeispruch im KeiM erstickt wird. Var der schyft'chen '5«-alt kapitulieren Logik und Recht, Md seufzend sch ießr ich das Fenster. Ein schwüler Rest von Eiergeruch verpestet den Raum. In Eutin steigt der Blonde aus. Dafür erhalte ich einen neuen Reisegsnossen. Einen bartlaf-m Mensch?n von etwa fün'undzwanzig Jabren, mit unruhigen Jlacke arg n und einem au-geprägten Verbuchergesicht. So stell, ich mi das Antlitz eines wahnwitzigen Messerstechers vo*. Ich lasse ihn n'cht au» de>n Augen, spinne mich in An^t elvnk ein. Es regnet wieder und flascht gegen lie Scheiben: tripp — trapp trapp trippI Unaufhö'lich — ermüdend Schl chte, Tlktter! leitet der Mann mit dem Messe siecher- gesicht die Unterhaltung ein. Höflich und ängstlich bestätb e ich ihm tv» schlecht.- Wetter. Es ist -unz De zwei'eln meint er. Es ist -um Verzweifeln! bekräftige ich. Da soll man was verkaufen! meint er. Was verkaufen Sie denn? frage ich. Ich reise in Herrengarderobe. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Wie mm sich doch in seinen Mitmenschen irren kann! In der Freude meiner Seel.> möchte ich ihn umarmest, aber ich begnüge mit damit, ihn über da» Ge schäft im allgemeinen und da» der HerrengardevoLe im besonderen zu befragen. Erfreut Über mein geheuchelte» Interesse, gibt er erschöpfende Auskunst. Es trippt weiter >— der Mißmut schleicht sich wieder ein. Da steigen zwei frische, duftige, jung« Mädel» in da» Abteil, zwei Achtzehnjährig«. Blicke hinüber Ei herüber, di«, Ragenstimnmng verschwindet im Nst, die Lebenslust marschiert mit Riesenschritten wieder an, da» Herz galop piert voe Freude. Der Hermmgardavoboreismde ist eiH oerfluchder Schwerenöter —> er nimm» mich in» Schlepptau. Au» den Blicken werden Wort» — au» den Morten — Mss» — Handküss« natürlich! Ach «aas doch «ost frisch» Vlorchfväulttn v»rm--»n! Di« Gönn» thr»r Micke trsibt di» Wolken aus der «seh». Zwei Stationen aast« ist der holde Traum »ntfchwundar. von innen nach «in letzter Handkuß nach außen — von außen noch «im» letzte Kuß hand nach innen — aus! Stumpfsinn. Dem Schornstein der Lokomotive entsteigen dicke, bog-m'ö-mige, schwärzlich- graue Rauckckladen. arHuschauen wie Düudel -'rsammenxe. ballten Ploureusm. Der Schaffner ruft Station Kühren aus. An der Haltestelle duckt sich eine niedrig« Scheuste recht bescheiden, aber ste trägt die stolze Inschrift: Die Warteräum« werden «tue halbe Stunde vor Abgang de» Zuges geöffnet. Mein Reisender in Herreugavdstrpbe, der hier aussteigt, macht beim Abschied seine Glossen Über die Holzfcheuuen als Warteräum«. Die Gegend wird rsitzvoll, wir .dmchsah'ei. ttie bildhübsche Holsteinische Schweiz. Di- Blicke w Iden sich an schimmerndem Seen, saftigen Rasen flächen, sanftem Hügeln, dichten Lauibwaldungen, deren be ruhigendes Grün das Mug« streichelt. Ich fange an, mich mit der: Bummelzug zu versöhnen. Auch «r hat seine Mm Sitten, wie stder Bummel. Beim Bierbummel lernt man die Bräue, beim Zugbummel die Geigend kennen. Gremsmühle, Plön, Dreetz — wie sind isie lieblich, dies« koketten Oeftchen der Holsteinischen Schweiz! In Plön strömt durch das ^öffnete Fenster Mmmmdust und Walde» rr»llrze — <4ne Mischung, die den Lungen, gar wohlschmeckt. Aber in Plön steigt auch ein Mann «in, d«r die liebliche Angewohnheit hat, mit dm Fingern zu knipsen. Munter- brachen — zähe — sportmäßig. Da» dauert «ine Mertel- stunde. Meine Nerven rasen. Da erhebe ich Mich: Meist Herr, wenn ich Sie ebenso höflich wie dringend Litten darf — lassen Sie das Knipsen mtt dm Fingern. Ich habe dar über schon «imnal «inen fldbfuchtsanfall bekommen und ei nm Menschen erwürgt — nicht -um zweitenmal« möchte ich das Leben eines Mitmenschen gefährden und noch einem Mord auf dem Gewissen haben. Ich finger« in d»r Lasch«, hole mein große» Messer mtt den setstztseltertm Stahlschalen -er- au» iuü> betrachte es andächtig» Der Knftsssr starrt Mch an—ich nmch»chtldflackMG»«u«m,soM» ich fk meines Psettdomchersteche, von vorhin ges«h»n habe — und aus der nächsten Station «rttißt m Wmchstst da- Kupee urch steigt um. Al« d«r Zug in Kiel einfährt, macht der Wetter gott ganz« «»Lett. Ein dicker Dauerregm läßt sich nieder und weicht die wasserdichtchdm Regenmäntel auf. Wenn sie Neigung zu LaVdexkurstonen verspürten. — auf dm Kieler Streßen wü.dm die Sprotten schwimmen können. ... - ...^