Volltext Seite (XML)
Note verzeihen. Niemals, so lange ich Sie kenne, habe ich be merkt, das; Ihre Finger die Tasten berührt hätten!" „Ich fürchte selber, etwas aus der Übung gekommen zu sein," entgegnete Mary lächelnd. „Meine liebe Lady Walford," flüsterte der alte Herr ihr angstvoll zu, „denken Sie an die mokanten jungen Damen!" Aber sie hatte raum die ersten Akkorde angeschlagen, als der Graf sich beruhigte und der Herzog bemerkte, daß sie Talent habe. Das Violoncello setzte ein und wurde gut ge spielt. Dann hörte man das Piano mit wundervollem Aus druck hindurch. Bei einer markanten Stelle brachte Mary dieselben Triller an, die die Regina bella auf der Bühne ausgeführt hatte und die auf der Partitur nicht angegeben waren. Als das Duett beendet war, spendeten die Anwesen den reichlichen Beifall. Edward näherte sich lebhaft der jungen Lady und sagte: „Welch brillantes und sicheres Spiel! Welche vollendete Technik! Sie haben also die Oper „Madeleine" gehört, Cousine? Ihr Vortrag erinnert mich lebhaft an die berühmte Sängerin, welche die Hauptrolle darin übernommen hatte!" „Sie sprechen von der Regina bella, nicht wahr, Vetter?" antwortete Mary, gesenkten Blickes. „Sie hatten mir versichert," sagte der Graf, scherzhaft mit dem Finger drohend, „daß Sie von den Noten nicht viel ver ständen. Aber Sie spielen ja wie ein Engel! Was hat das zu bedeuten?" „Ich wußte, daß das Klavierspielen Sie langweilt, lieber Graf, darum lieh ich mich nicht hören," versetzte sic. „Bei Ihrem Spiel könnte ich wahrhaftig noch Geschmack daran gewinnen," entgegnete der galante Franzose. Dann sich an Edward wendend, fuhr er fort: „Nun, was meinen Sie denn nun zu dem Talent unserer schönen Italienerin?" Aber der Herzog beachtete die Frage nicht, sein Geist war in Florenz. Er wurde erst durch Mary wieder an die Gegen wart erinnert. „Was halten Sie von der letzten Oper V—'s?" richtete sie die Frage an ihn. „Sie ist sein bestes Werk!" erklärte er. „Ein guter Teil des Erfolges ist freilich der großartigen Wiedergabe zu ver danken. Es kann wohl kaum eine Musik schlecht wirken, die von der Regina bella gesungen wird. Ihr Spiel hat mich ungemein an die Art ihres Gesanges erinnert. Sie ken nen sie?" „Ich?" antwortete sie errötend und verlegen. „Woher sollte ich sie kennen?" Edward glaubte, daß ihrer Verlegenheit Geringschätzung zugrunde liege, eine halbbeleidigte Verwunderung darüber, wie er denken könne, daß Lady Walford eine Dame vom Theater kenne. „Verzeihung," sagte er, „sie ist eine Künstlerin ersten Ranges, und ich glaubte, das; die italienische Aristokratie nicht so exklusiv den großen Künstlerinnen gegenüberstehe!" Mary wollte zustimmend antworten, aber immer mehr in Unruhe geratend, stotterte sie nur wenige Worte über — O ihre Stellung, die ihr nicht erlaube, jemand zu emp fangen, der Der Herzog, von diesem Hochmut, wie er es auffaßte, un angenehm berührt, fiel ihr ins Wort: „Ich verstehe vollständig, Mylady. Eine Dame Ihres Standes tut der Sängerin wohl die Ehre an, ihr zuzuhören; aber sonst existiert sie nicht für sie!" „Ich habe solche Gedanken wirklich nicht gehabt!" rief Mary. „Sie verkennen mich, Mylord!" „Nun, dann wollen wir von anderen Dingen sprechen," sagte der Herzog mit ironischem Lächeln. „Finden Eie nicht, daß Miß Dorkey eine hübsche Erscheinung ist und ihre Toilette einen vortrefflichen Geschmack verrät?" Auf diese absichtlich pointierten Phrasen folgte ein kurzes Schweigen. Als Edward den Blick erhob, war er nicht wenig überrascht, Tränen in den Augen seiner jungen Cousine zu erblicken, über sein Benehmen beschämt, aber für ihre Be wegung keine Erklärung findend, war er sehr zufrieden, als Lady Bowsley kam, um Mary zu bitten, ihr in Nebenzimmer zu folgen. 8. Obwohl sie unter den gegebenen Umständen einen großen Teil ihrer Zeit miteinander verbrachten, verflossen doch einige Tage, ohne daß der Herzog Neigung zeigte, mit Lady Walford zu plaudern. Indessen ihre sanfte, liebenswürdige Art bezwang ihn allmählich. Er fand schließlich sogar Ge schmack an ihrer Unterhaltung, und seine Augen weilten wie aus einem schönen Gemälde gern auf ihrer Erscheinung. Die junge Frau gewann nach und nach Terrain bei ihm. Seine Blicke folgten ihr, wenn sie den Salon durchschritt, und er achtete auf die Eleganz ihrer Taille, die Vornehmheit ihrer Haltung, die schwebende Grazie ihres Ganges. Vielleicht wurde er bei ihrem Anblick an eine -andere geschmeidige Taille erinnert, und wenn gleich das schöne, wie von der Sonne gebräunte Gesicht der Regina bella mit dem zarten Teint der Lady Walford keine Ähnlichkeit aufwies, fand er trotz aller Verschiedenheit der beiden doch heraus, daß sie, was Grazie, Distinktion und Schönheit anbetraf, miteinan der wetteifern konnten. Aber die eine von ihnen besaß den' großen Vorzug, der ihr den Preis sicherte: das Talent, die herrliche Stimme, die alles auszudrücken verstand, was Gott an erhabenen Gefühlen in das Menschenherz hineingelegt hat. Eines Morgens hatte Mary, sich allein glaubend, sich an das Klavier gesetzt; aber anstatt zu spielen, stützte sie die Stirn in die Hand und träumte. Trotz ihrer Fortschritte in der Zuneigung Edwards fühlte sie sich entmutigt, wenn sie an die Bewunderung dachte, die sie ihm in dem großen Saal der Skala eingeflößt hatte. Dort, wo sie nur für ihn gesungen, hatte er ihr mit leidenschaftlichen Blicken gedankt, als ob sie beide allein in der Welt gewesen wären. Was war aus dieser Übereinstimmung ihrer Seelen geworden? Eie erhob den Kopf,,wie um die peinlichen Gedanken zu verscheuchen, und ihre Finger fuhren prüfend über die Tasten. Dann be gann sie die schöne Arie der „Madeleine" mit warmem Ge fühl zu intonieren. (Fortsetzung folgt.) Die geretteten Diamanten. Skizze nach dem Englischen des Morton Lewis. err Löwenstein saß in seinem Privatkonto! und trom melte nervös mit den Fingern auf der Platte seines Schreibtisches. Solway ließ lange auf sich warten, direkt un gebührlich lange! Trotzdem konnte Herr Löwenstein ihm nicht zürnen, denn Solway war ein Beamter, wie es keinen zweiten gab. Zehn Jahre war er bei der Firma Löwenstein L Co., und in dieser Zeit hatte er Juwelen im Werte von Millionen expediert, ohne daß auch nur das kleinste Stück abhanden gekommen war. Zn die Falle ge lockt und überfallen war er unzählige Male; aber die ihm anoertrauten Edelsteine hatte er sich nie nehmen lassen. Die internationalen Gauner und die berühmtesten Detektivs kannten ihn und nannten seine» Namen mit Respekt. Ein- Deutsch von Louis K u k o l - Berlin. mal hatte er von dem Anführer einer der berüchtigsten Diebesbanden eine Aufforderung bekomme», mit ihm in Geschäftsverbindung zu treten. Diesen Brief hob Solway sorgfältig auf. Herr Löwenstein empfing seinen Angestellten daher eher leutselig als verstimmt, als dieser ohne anzuklopfen eintrat. „Herr Solway," sagte er, „wie Sic wissen, hat unsere Firma den ehrenvollen Auftrag erhalten, die Diamanten für den Halsschmuck zu besorgen, den der Herzog von Albraye seiner Braut zur Hochzeit schenken will." Solway verbeugte sich schweigend. Er wußte genau, was jetzt folgen würde, jedes Wort.