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und Anzeiger Mr das Erzgebirge verantwortlicher Redakteur: rrit, llr»k»I<>. Für di« Inserate verantwortlich: Ärmer ftr»u§. Reibe in Aue i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Lonntagsblatt- Sprechstunde der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag, von <—5 Uhr. — Telegramm-Adreffe: Tageblatt Au«. — Fernsprecher t». Für unverlangt «ingesandte Manuskripi« kann Gewähr nicht geleistet werden. Druck und Verlag lkaer vrech- n. verl«««--er«n»»»d m. ö. in Aue i. Lrzgeb. U,zug,preis: Durch unser» Boten frei in, ksaur monatlich so Pfg. Bet der Geschäftsstelle abgeholt monatlich Ht» pfg. und wöchentlich 10 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.sv Mk. — Durch den Briefträger frei ins Sau, vierteljährlich <.-r Mk. — Einzeln« Nummer io pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens ?'/, Uhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an beftnnnueu Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Jnsertionspreis: Die fiedengespaltene Aorxuszeile «der deren Raum lv Pfg., Reklamen 2S Pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese Nummer umfaßt l2 Seiten. Außerdem liegt das achtseitige Illustrierte Sonntagsblatt bei. Das Wichtigste vom Tage. Der Bund der Landwirte hat seit dem Abschluß der Reichsfinanz reform 32 vvü Mitglieder verloren. Prinzregent Luitpold von Bayern hat die Aufhellung * ter Büste des G e n e r a l f ei d m a rs ch a l l s von Moltke in derWalhalla bei Regensburg angeordnet. * Fürst Bülow erklärte er werde auch im preußischen Herrenhause nicht erscheinen. » Neuerlich taucht die Meldung von der Abdankung des Köngs von Griechenland wieder auf. Es heißt, das sich die Parteien geeinigt halten, den Prinzen Georg, Sohn des Tronfolgers Konstantin, zum König auszurufen und eine aus führenden Parlamentariern be stehende Regentschaft einzusctzen. * Wie die Londoner Times aasführen, wird es nunmehr als i o gut wie sicher angesehen, daß, an Falle das britische HauS der Lords das Budget zurückweisen sollte, die Regierung so schnell wie möglich die Auflösung des Parlaments hcrbeiführen werde. In B r ü s s e l tritt am 2 8. September eine interna tionale Seercchtskonferenz zusammen. Mutmaßliche Witterung am 17. September: Wechselnde Winde, veränderlich, warm, Gewitterneigung. 'M*! Politische Wochenschau. Die große militäris che Heerschau in Süd deutschland benutzt derKaiser, wie schon neulich erwähnt, auch zu politischen Zwecken, indem er einerseits bestrebt ist, das Band zwischen Nord und Süd weiter zu festigen, andererseits aber auch trotz des Zweckes seines Aufenthaltes dieFriedens - liebeder deutschen Polit k zu betonen Diese Friedensreden wir ken um so markiger, als aus ihnen ein stolzes Selbstbewußtsein spricht, ohne daß ihnen eine aggressive Tendenz innewohnte, nie mand braucht sich getroffen zu fühlen, aber auch niemand wird umschmeichelt. Namentlich die Rede, die der Kaiser in Karls ruhe gehalten hat, atmete erfreuliche Kraft und Frische und es ist nicht zu verstehen, wie der offiziöse Telegraph eine so präch tige Rede verstümmeln und gerade ihre schönsten Stellen weg lassen konnte, obwohl in ihr nichts lag, was das Ausland irgend wie hätte verletzen können. Wer diese andere Lesart der Kaiser rede verfaßt hat, ist nicht genau bekannt, jedenfalls ist ein der artiges Verhalten überaus kleinlich und steht im schroffen Gegen satz zu dem Sinne der kaiserlichen Worte. Der Karlsruher Besuch hat überdies Gelegenheit gegeben, alte, wenn auch min der ins Gewicht fallende Differenzen zwischen Berlin und dem grcßherzoalichen Hause auszugleichen, deren wahre Ursache man nicht kennt; anscheinend haben am Karlsruher Hofe gefällte frei mütige Urteile in Berlin verstimmt, und wenig erquickliche Ver hältnisse geschaffen, wie sie zwischen Vundesfiirsten, und noch da zu verwandtschaftlich so nahestehenden, sich nicht zutragen sollten. Nunmehr ist aber die Brücke zwischen den Hohenzollern und den Zähringern wieder geschlagen. Der Kaiser hat dem Groß herzog in jeder Weise geehrt und in einem Trinkspruch im Schlosse überaus herzliche Worte gefunden, die allenthalben im Rechner Lande ein freudiges Echo weckten. Eine Heerschau, die sogenannte Tote, hat es in dieser Woche auch in Leipzig gegeben. Dem sozialdemokrati schen Parteitage hatte man diesmal mit ziemlichen Inte resse entgegengesehen, weil man glaubte, Laß nach verschiedenen Vorkommnissen der alte Streit zwischen den Anhängern der alten Doktrin und den Revisionisten wieder in Hellen Flammen ent brennen werde, und daß sich Köpfe auch über einige andere Vor- kon nisse, wie zum Beispiel die Hofgängerei der sieben Schwaben erhitzen würden. Die letzte Affäre ist anschei nend hinter den Kulissen erledigt worden, denn im Plenum ging man kurzer Hand über die Angelegenheit hinweg, nachdem von den Schuldigen eine Erklärung verlesen worden war, wonach sie den bekannten Msflug nicht mitgemacht hätten, wenn sie vor her gewußt hätten, daß er zu einer monarchischen Demonstration ausgenuht werden würde. Auch der Streit zwischen den Alten und den Jungen führte nicht zu derartigen tumultuarischen Szenen, wo man sie auf dem Dresdener Parteitage seiner zeit erlebt hatte. Es fehlte zwar nicht an scharfen Auseinander setzungen, aber die Debatte wurde nach verhältnismäßig kurzer Dauer abgebrochen. Diese Kontroverse war ziemlich unerwartet bei den Verhandlungen über die Tätigkeit der Reichstagsfrak- t-ion ausgebrochen, indem man sich heiß darum stritt, welche Haltung wohl die Fraktion bei der dritten Lesung der Erb schaftssteuer, zu der es bekanntlich überhaupt nicht kam, hätte einnehmen müßen. Man stritt sich also — wenn man das bei den Sozialisten sagen kann — um des Kaisers Bart und die ganze rednerische Kannonade war im Grunde genommen über flüssig. Sie trug höchstens, wie von verschiedenen Parteimit gliedern mit Recht bemerkt wurde, nur dazu bei, die Gemüter noch mehr zu verbittern. All diese inneren Zwistigkeiten, die ja nichts neues sind, werden es nicht verhindern, daß die Partei nach Außen Hin im Kampfe einig und geschloffen auftritt, und diese Erfahrung wird man Lei den schwebenden Ersatzwah len machen, wo kräftige Vorstöße der Sozialdemokraten zu er warten sind. Wer weiß, ob es ihnen nicht gelingen wird, eine Reihe weiterer neuer Mandate zu erwerben, im Hinblick auf die vielfach herrschende Zersplitterungderbürg erlichen Parteien. Durch die Affäre des Abgeordneten Schack ist auch inEisenach eine Ersatzwahl notwendig geworden und gerade hier sind Ueberraschungen nicht ausgeschlossen. Zwecks Einigung der bürgerlichen Parteien daselbst hatte ein Leipziger Blatt Len Vorschlag gemacht, den Fürsten Bülow aufzustellen, dieser hat aber sofort abgewinkt und mit Recht. Ganz ab gesehen davon, daß es bei uns im allgemeinen nicht üblich ist, daß ein leitender Staatsmann ein Reichstagsmandat ausübt, um eventuell seinem Nachfolger entgegenzutreten, dürfte Fürst Bülow unter den augenblicklichen Verhältnissen wenig Lust be zeigen in die parlamentarische Arena hinabzusteigen, und über dies wäre es fraglich gewesen, ob die rechts st ehenden Par teien mit seiner Aufstellung einverstanden gewesen wären. So endete die Kandidatur noch, bevor sie begonnen hatte. Schwierige innerpolitische Verhältnisse scheinen über die Donaumonarchie wieder hereinzubrecheni. In Oesterreich flammt die Nationalitäten-Hader wieder schärfer auf, uüa der Zwist zwischen beiden Reichshälften tritt erneut auf das schärfste in Erscheinung, und all dies in einem Augenblicke, wo gerade die größte Einigkeit erforderlich wäre. In der Erkenntnis, daß Heer und Marine an sich zwar trefflich seien, aber den heutigen Zeitansprüchen doch nicht im vollen Umfange genügen, kommt die Heeresverwaltung mit enormen Forderungen, die zum größten Der tragische Konflikt. Humoreske von Lothar Brenkendorff. Nachdruck verdaten. Sie saßen um die Abendzeit auf einer der letzten Bänke der Strandpromenade und freuten sich der Wiedervereinigung nach beinahe zweijähriger Trennung. Sie hießen Paul und Hugo Burckholdt und waren das einträchtigste Brüderpaar, das man sich denken konnte. Aber das Leben hatte sie weit auseinander geführt: sie bekamen einander nur in langen Zwischenräumen zu Gesicht und schrieben sich selten. Ihre brüderliche Liebe war dadurch nicht beeinträchtigt worden; ja, der etwas romantisch ver anlagte Hugo, der Jüngere der beiden, hatte in der ersten Stunde dieses längst geplanten Wiedersehens mehr als einmal aus ehr lichster Ueberzeugung versichert, daß ihm erst jetzt recht zum Be wußtsein gekommen wäre, wste innig und unauflöslich ihre Her zen miteinander verbunden seien. Nichts in der Welt wird uns jemals entfremden können, hatte er emphatisch erklärt, nie wird der Dämon der Zwietracht Vie schöne Harmonie unserer Seelen zerstören. § Daß er sich zu so poetisch gehobener Ausdrucksweise gestimmt fühlte, schien übrigens durch Umstände ganz «besonderer Art ver anlaßt zu sein; denn eine Neigung zu rosenroten Ueberschweng- lichteiten machte sich auch in dem Gespräch bemerklich, das er jetzt aus der Bank am Strande mit dem Bruder führte. , Du solltest dich endlich entschließen, das freudlose Junggesellenleben aufzu geben, liebster Paul," sagte er unter anderem. „Es ist doch beinahe undenkbar, daß du noch immer von Gott Amors Pfeilen verschont geblieben seist." Paul Burckholdt machte ein ernstes Gesicht und seufzte tief. „Du wirst mich einen Narren heißen, wenn ich dir erwidere, daß ich in ein Phantom verliebt bin — in ein Wesen, das nur ein einziges Mal für eine kurze Stunde meinen Lebensweg gekreuzt hat, und dem ich aller menschlichen Voraussicht nach nie wieder begegnen werde." Hugo, der sogleich voll lebhaftester Teilnahme war, wollte durchaus Näheres hören. Und Paul erzählte: „Es war im verflossenen Sommer, wo ich me ne Ferien zu Längenseld im Oetztal verbrachte. Ich hatte einen Aufstieg zum Roten Wandl unternommen und hörte auf dein Rückweg, den ich erst bei einbrechender Dunkelheit antrat, den Hilferuf einer weiblichen Stimme Ich ging ihm nach, um auf eine junge Dame zu stoßen, die sich verstiegen und sich über dies eine leichte Verletzung am Fuße zugezogen hatte. Ich will nicht versuchen, ihr Aeußeres zu beschleichen — genug, Laß ich auf den ersten Blick bis über beide Ohren in sie verschossen war, und daß die Stunde unseres gemeinsamen Abstiegs, bei dem ich sie zuweilen mehr tragen als führen mußte, für mich den In begriff aller Glückseligkeit bedeutete. Zuletzt, als das Dorf wie der vor uns lag, konnte ich in einen passenden Augenblick der Versuchung nicht länger widerstehen. Ich küßte sie — und sie — sie erwiderte meine Küsse" „All zu groß scheint also glücklicherweise Leine Verlegenheit nicht gewesen zu sein. Aber dann, was geschah dann weiter?" „Durch besorgte Angehörige, die sich aufgemacht hatten, sie zu suchen und die in allen Tonarten der Herzensangst nach ihr riesen, wurden wir leider allzu schnell aus unserem süßen Liebes rausch aufgeschreckt. Sie bat mich, sie allein weitergehen zu lassen. Und ich war Narr genug, ihrem vielleicht nicht einmal ernsthaft gemeinten Wunsche zu willfahren. Als ich am nächsten Morgen voll der seligsten Hoffnungen nach ihr forschte, wurde ich durch die Schreckenskunde niedergedonnert, Laß sie noch am verwichenen Abend mit ihrer Gesellschaft weitergereist sei. Und da sic sich nur vom Morgen bis zum Abend in Längenfeld auf gehalten Hatten, wußte mir auch niemand ihren Namen oder ihren Wohnort zu nennen. Ich habe Himmel und Erde in Be wegung gesetzt, beides in Erfahrung zu bringen. Aber es war alles umsonst." „Du wirst sie Wiedersehen!" rief Hugo in prophe tischem Ton, indem er ermutigend die Hand des Bruders drückte. , Eine innere Stimme sagt mir, daß du sie wiedersinden und daß du glücklich werden wirst." Paul schüttelte wehmütig den Kopf. Und dann, da es empfindlich kühl geworden war, gingen sie in ihr Hotel, um einen Grog zu trinken. Es war am frühen Nachmittag, und sie saßen an einer einsamen Stelle zwischen Len Dünen im hohen Gras. Hugo Burckholdt nämlich und Fräulein Mzzie Rohloff, von deren kirschroten Lippen er vor einer Stunde das erste gelispelte und geküßte Geständnis einer Gegenliebe empfangen, deren er freilich schon seit etlichen Tagen sicher zu sein glaubte. Vor ungefähr drei Wochen hatte er die Bekanntschaft der jungen Dame gemacht, die mit ihrer Mama, der Frau Geheimrätin Rohloff, und ihrer cwas älteren Cousine Magda Wallenberg zur sommerlichen Er holung hier im Seebade weilte, und ihre Herzen hatten sich rasch gefunden. Ein feindlicher Widerstand grausamer Eltern war bei der gesellschaftlichen Stellung und den Vermögensverhältnissen des Herrn Hugo Burckholdt kaum zu befürchten, und sie hätten im Bewußtsein ihres unbedrohten jungen Glückes ungetrübt selig sein können, wenn sie nicht durch ihre beiderseits in etwap zu reichen: Maße vorhandene romantische Veranlagung gestachelt worden wären .gleich in dieser ersten Stunde ein Tröpflein Wermuth in den Becher ihrer Freude zu träufeln. Mizzie hatte dem kaum gewonnenen Herzallerliebsten offenbart, daß sie ent setzlich eifersüchtig fein würde, und es war ihr ersichtlich keines wegs angenehm gewesen, dagegen von ihm zu hören, daß er für seine Person dieser gefährlichen Leidenschaft niemals Herrschaft über seine rückhaltlos vertrauende Seele «inräumen würde. Fräu lein Mizzie war der Meinung, eine Liebe ohne Eifersucht könne überhaupt gar keine rechte Liebe sein, und die Argumente, durch die Hugo seine gegenteilige Ansicht zu begründen suchte, fanden wenig Gnade vor ihren hübschen blauen Augen. Plötzlich blitzte es wie der Widerschein einer verwegenen Eingebung in diesem Auge» auf, und mit einem kecken Zurückwerfen des Köpfchens sagte sie: Wie würdest du es -um Beispiel aufnehmen, wenn ich dir erzählte, daß ich — daß ich mich schon einmal von einem jungen Manne Habe küssen Assen, und daß ich — daß ich ihn ftlgar wtedergeküßt habe?" Hugo machte ein sehr verdutztes Gesicht; aber er verlor seine Haltung nicht. „Ich würde ohne weiteres annehmen, daß es durch irgendwelche besonderen Umstände veranlaßt war. Und außerdem würde ich es auch gar nicht glauben." Mizzie sprang ans. »«eil sie in zwei längs Les Strandes näherkommenden weib lichen Gestalten ihre Mama und ihre Cousine erkannt hatte. „Ich muß jetzt fort," sagte sie, ,chenn Mama darf nicht wissen, daß wir uns heimlich getroffen haben." Mit einer angstvollen Bewegung hielt Hugo die Fluchtbereite zurück. „Was du mir. da von dem Küssen erzählt hast, liebste, einzige Mizzie — es war natürlich nur ein Scherz?" Unter trötzigem Aufwerfen Lev Oberlippe sah st« ihm ins Gesicht. „Nein, durchaus nicht. Und l„^».