Volltext Seite (XML)
282 Das letzte Wagnis. Skizze von Franz Wichmann. er Dampf von Pfeifen und Zigarren über dem runden Stammtisch im „Kronprinzen" verdichtete sich, ein Zeichen, daß die Unterhaltung eine erregte Wendung nahm. Und wie die bläulichen Rauchwolken, so wirrten auch die Stimmen durchein ander. — „Wenn's nicht «in bloßes Gerücht ist —" „Was Wahres wird schon daran sein." „Tatsache, meine Herren, Tatsache! Ich habe ja selbst das Telegramm an Vie Sektion gelesen." „Und die Ret- tungs - Expedition ist abgegangen?" „Gewiß. Heute mittag schon. Wird aber wohl zu spät kommen. Man soll den Verunglückten ja unbeweglich lie gen gesehen haben." „Wo denn? — Doch nicht unter der Ereifenwand?" „Darüber weiß ich nichts Näheres." „Ist auch gleich," meinte der Offizial Brummer, ein alter weißhaariger Herr, der, noch immer jugendlicher Begeisterung voll, es den jungen Alpinisten nicht ver zeihen konnte, daß sie das Sportliche über den Schön- heitsgenuß stellten. „Wir find's ja bald gewohnt, daß jeden Sonntag einer abstürzt." „Das Hallengebirge ist wohl sehr gefährlich?" er kundigte sich ein erst unlängst in die Stadt versetzter Postbeamter. „Freilich, wenn man alle leichten und guten Wege verschmäht und sich nur die gefährlichsten aussucht, um auf ein«n Gipfel zu kommen." „Von Wegen kann da überhaupt keine Rede sein. Geradezu senkrechte Wände klettert man hinauf." ,Za, wie der tolle Max Frühholz." „Mit dem nimmt's auch einmal kein gutes Ende." „Heute ist Max Frühholz wohl auch wieder fort?" „Sonst wäre er jeden falls hier —" „Frühholz ist allerdings gestern abend schon ins Hallengebirge gefahren," nahm der Apotheker das Wort. „Run, da wird er wieder was ganz Ver rücktes unternehmen." „Etwas ganz Außerge wöhnliches wenigstens, was noch keiner vor ihm fertig gebracht hat." „Was denn? — Sie müssen's ja wissen. Sie find ja verwandt mit ihm." „Na, so ein Onkel im sechsten Grad." Der Apo theker schnupfte erst, ehe er weiter sprach. „Er will nämlich die Ereifenwand von der Nordseite er steigen." „Aber das ist ja Wahnsinn —" „Bei jedem andern würde ich das auch sagen. Bei ihm nicht. Sie wissen ja, meine Herren, Frühholz ist unbedingt unser erster Felskletterer. Im Hallengebirge hat er schon Unglaubliches geleistet. Von unermüd licher Kürperkraft, flink und gewandt wie eine Gemse, ist ihm noch nie etwas Ernstliches zugestoßen." „Einmal wird es doch kommen." „Mich dauern nur seine alten Eltern." „Die Mutter lebt in der Tat in ewiger Todesangst um den einzigen Sohn. Aber er verlacht alle Warnungen." „Ja, selbst die seiner Braut!" „Ich furchte wirklich nichts für ihn," meinte der Apotheker. „Wer in jedem Sport so ausgebildet ist wie Frühholz, als Turner, Schwimmer, Radler und Ski läufer, darf wirklich Vertrauen zu sich haben. Dabei ist er besonnen und vorsichtig. Aus diesmal hat er sich wohl mit Mauerhaken versehen, um sich an den Wän den emporzuziehen." „Das nenne ich überhaupt kein Bergsteigen und Klettern mehr," grollte Brummer, „das ist beinahe schon Seiltänzerei. Wäre gescheiter, er kümmerte sich mehr um die väterliche Mühle. Der Alte ist krank und schwach und kann nicht mehr nach dem Rechten sehen." „Nun, das tut der Max die ganze Woche. In kurzem soll er ja das Geschäft selbst übernehmen. Da darf er sich Sonntags wohl eine Erholung gönnen." „Eine nette Erholung, in wahnsinniger Weise mit seinem Leben zu spielen. Ich meine —" Der Offizial wurde durch den Eintritt eines neuen Gastes unterbrochen, der in grauem Lodenanzug, mit Rucksack und Bergstock an den Tisch trat. „Ah, Thaller, grüß Gott! Kommst aus den Bergen?" „Direkt vom Bahnhof. War heut' nachmittag auf der Lerchenspitze." „Da wirst du ja schon von dem Unglück wissen." „Von dem Absturz an der Ereifenwand, allerdings." „An der Ereifenwand?" Der Apotheker erblaßte. „Mein Gott, — Sie sind doch nicht Frühholz begegnet?" „Begegnet? — nein —" Robert Thaller zögerte, weiter zu sprechen. Er legte seine alpine Ausrüstung ab, ehe er am Tische Platz nahm. Erst jetzt fiel den anderen seine verstörte Miene, der ernste Ausdruck seines Gesichts auf. „Sie wissen etwas Näheres — Herr Thaller?" Dl« Lrschtetz»», »er «1s SchMschr» Ossts»«e« Seiet Se»t«,»«e tlexr i- S 2S6.I Ish» D«isO» Rsckeseler. lTe;t s. S. 296.)