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Sonnabend, den 10. Mai. 1873. Aetketriflilche Aeil'age zum sächstscheu Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Freund und Feind. Novelle von Ludrvig Habicht. (Sortsetzung.) Beim Lesen dieser Blätter war es dem Grafen, als wühlten tausend Dolche in seiner Brust. Was er alles empfqnd, davon wußte er sich selbst keine Rechenschaft zu gebenzu viel stürmte auf ihn ein. Tiefes unsagbares Mitleid mit seiner angebeteten Gemahlin, die ihm so standhaft die Treue bewahrt, grenzenlose Wuth, unauslöschlichen Haß gegen den Schurken, der mit nichtswürdiger Berechnung ein solch' unerhörtes Bubenstück ausgeführt und zugleich -jr traurige Genugthuung, daß sich unerwartet der dynkle Schleier gelüftet und er endlich wußte, gegen wen er Vergeltung üben konnte. 3a, Rache, blutige, furchtbare Rache, das war der erste klare Gepanke, -er sich aus dem Chaos herausarbeitete, das sein Hirn durchrieselte. Es war kein Zweifel, der Schändliche hatte seine Drohung ausgeführt, obwohl von den sterblichen Ueberresten der Unglücklichen in dHr Mordhöhle nichts vorhanden war; diese unheim liche Stätte war groß genug, um Leichname unter- zubringen. D'Autour also hatte diesen höllischen Plan er sonnen und ausgeführt! Der Graf konnte An fangs diesen Gedanken kaum fassen, er mußte immer wieder einen Blick aus die Blätter werfen — die ihm ein Gemälde menschlicher Schlechtigkeit zeigten, vor dem er schauderte. Dieser Mensch, der ihm soviel Freundschaft geheuchelt, soviel Theilnahme er wiesen, war der einzige Urheber all' seines Elends, seiner namenlosen Qualen. Und wie hatte er sich an seinem Jammer, seiner düsteren Verzweiflung ge weidet, mit grausamem Raffinement in den Wunden herumgewühlt, die er ganz allein ihm geschlagen! — Es war zuviel für Gyula'S geraden und ehr lichen Charqcter! Ihm war eS, als starre er in einen Abgrund und als müsse er über dieser boden losen Schlechtigkeit den Verstand verlieren. — Nein, nein, er durfte sich nicht schwächlichen Empfindungen hingeben. Rache, Rache, blutige Ver geltung war es, wonach seine Seele lechzte. — Und jetzt kam ihm erst das Verzweifelte seiner eigenen Lage zum Bewußtsein! — Gr war in diesen unent wirrbaren Gewölben eingeschlofsen und selbst dem Tode geweiht! — Sterben, hier elend umkommen, während über ihm der nichtswürdige Schurke ruhig weiter lebte, und kein Arm sich erhob, um ihn für seine abscheulichen Verbrechen zu züchtigen! — das durste nicht geschehen, so grausam könne die Vor sehung nicht ihr Spiel'mit ihm treiben! All' seine Energie, seine geistige Spannkraft war mit einem Schlage geweckt. Er mußte die Freiheit wiedergewinnen und nun verdoppelte er seine An strengungen. Obwohl er schon seit Stunden in diesem Grabgewölbe herumgewandert, sein Herz die furchtbarsten Stürme durchgemacht hatte, fühlte er jetzt nicht die mindeste Ermattung. Er sann über seine Lage nach. Jedenfalls- hatten die Mörder einen besonderen heimlichen Eingang zu den Kata- kompen, der vielleicht ganz in der Nähe war. Er mußte ihn entdecken — damit die Freiheit gewinnen und dann — Er prüfte jetzt noch einmal die schmutzigen Wände des Gewölbes und hinter allerhand Gerümpel halb verborgen bemerkte er eine Thür, die ihm vor her entgangen war. Sie war verschlossen; seinen gewaltigen Anstrengungen gelang es endlich, sie zu sprengen. — Sie führte in einen wohlerhaltenen Gang. In der einen Hand die Lampe, in der anderen einen Degen, den er von der Wand genommen, wagte Gyula jetzt hier vorwärts zu dringen. Er hatte nur wenige Schritte zurückgelegt, so wurde ihm schon der Weg versperrt. Ueberall starrte ihm schwarzes Gemäuer entgegen. Und doch mußten jedenfalls die Mörder von diesem Gange aus das Gewölbe erreichen. — Vergeblich tappte und klopfte er überall an den feuchten Wänden herum, nirgends war eine verborgene Thür zu entdecken. Da richtete er den Blick in die Höhe und nun gewahrte er ganz deutlich e>ne Falllhür. Sie war zu hoch um sie zu erreichen. Der Graf eilte rasch entschlossen zurück - schleppte einige Steine und alte Möbel herbei und versuchte nun von diesem höheren Stütz punkt aus mit seinen Schultern die Thür aufzu drücken. Sie widerstand all' seinen Kraftanstrengungen, er mußte endlich ganz erschöpft und entkräftet seine Versuche aufgeben. — Und so war er doch ein Ge fangener und dem Untergang geweiht. . . . In düsterer Verzweiflung kehrte er in das Ge wölbe zurück und sann über sein Schicksal nach. — Vielleicht kamen die Bösewichter bald zurück und wenn er sie dann an der Thür mit der Waffe in der Hand erwartete, konnte er wenigstens an den nichtswürdigen Schurken Vergeltung üben. Aber würde sie nicht die aufgesprengte Thür argwöhnisch machen und wer bürgte ihm dafür, daß es der Marquis war, den sein Degen zuerst traf. Sicher war es eine weitverzweigte Gesellschaft, die hier ihren Schlupfwinkel harte mid d'Autour das Haupt der Bande. Er ließ sich gewiß nur bei außerordentlichen Fällen hier sehen, und was konnte Gyula daran liegen, wenn er einem seiner Helfershelfer den Dege«.