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^eund und /eind. Novelle vyy tzudwiA Habicht. (Fortsetzung.) , Je mehr die Waage hin und herschwankte, je Ungewisser es noch war, wie die Jury entscheiden würde,-je aufregender war. die ganze Sache. Die -gute Gesellschaft hatte seit langepi nicht einen so prickelnden, nervenaufregenden Genuß gehabt. - i 5 Mr. Leura hatte dafür gesorgt, daß ihnen der folgende Tag eine neue Ueberraschunz bieten sollte. Er saß heut in sichtlich ^guter Stimmung da, und sein gelbes, dürres Gesicht verzog sich zuweilen zu «einem hämischen Grinsen. Die Aerzte hatten gleich bei der Section der Heiche des Ermordeten ^einstimmig erklärt, daß der Tod die unausbleiblichen Folge von den zahlreichen Verwundungen gewesen, die den Körper des Barons verletzt, und daß diese Wunden mit einer scharfen Maffe, einem Degell oder Dolch, beigebracht worden, v Hie bestätigten heute ihre Aussage. Noch einige Zeugen wurden vernommen, die im Wpertthause oder auf dem Platze Graf Gyula ge sehen hatten; ihre Aussagen waren unbedeutend und -könnten zur Aufhellung der dunklen Sache nichts beitragen. Nur noch ein einziger Mensch, der noch nicht vernommen war, saß auf der Zeugenbank. Ein Langer, hagerer schon ziemlich bejahrter Mann, der mit stumpfsinniger Theilnahmlosigkeit gerade vor sich hinstarrte und anscheinend den Gang der Verhand lung kaum beachtet hatte. Dymoch schimmerte in seinen grauen Augen etwas , das sein Wesen, sein ganzes Auftreten Lügen zu strafen schien. Als der öffentliche Ankläger von einem neuen Zeugen sprach und jetzt aufgerufen wurde, blitzte etwas in ihm auf, aber nur eine Secunde, im nächsten Augenblicke sah er wieder so dumm und ehrlich aus, wie immer. Man hat stets die Dummheit mit der Ehrlichkeit in Ver bindung gebracht, obwohl diese Annahme bereits als überwundenes Dorurtheil gilt. Die Dummheit kann wohl ehrlich sein, ist es aber dann nur aus wirk licher Beschränktheit, in den meisten Fällen ist sie jedoch mit einer solchen Portion geriebener Schlauheit und rücksichtsloser Selbstsucht verbunden, daß bei näherer Prüfung von der gerühmten, mit unterlaufender Ehrlichkeit nicht das Mindeste übrig bleibt. Wahrhaft ehrlich, wahrhaft gut kann nur der kluge Mensch sein. — ' Auch dieser Mr. Brunet würde weit weniger ehrlich auSgesehen haben, wenn ihm nicht das alte Poxuxtheil zu Statten gekommen wäre, so aber Machte sein dummes, nichts sagendes Gesicht mit den gedankenlos vor sich hinglotzenöen AüZStt bett Eindruck eines schlichten Äiedermänns, der schon deshalb ehrlich sein mußte, weil er nicht einmal um die Ecke sehen konnte. Wdr aber angenommen, daß Mr. Brunet seine Dummheit nur als bequemes Aushängeschild benutzt,-um damit das Ansehen eines ehrlichen Mannes zu erhalten», den belehrten die mitgebrachten Zeugnisse, daß er es wirklich mit einem braven Manne zu thun habe. Wohlgefällig kramte Mr. Brunet seine Atteste aus, indem er mit dumm seligem Lächeln hinzufügte : „DaS ist mein Stolz!" Frühere Vorgesetzte, sein Pfarrer und die Be hörden seines Arondisse-nentS bestätigten, daß der der Commissionär Pierre Brunet ein gewissenhafter ordentlicher und höchst zuverlässiger Mann sei, der sich durch seine gute Aufführung das allgemeinste Vertrauen erworben. - Die Bezeichnung „Com missionär" ließ Keilich einen weiten Spielraum zu, denn Mr. PierW'unterzog sich auch all' den Auf trägen, die gewöhnlich nur einem Packträger ertheilt werden. Trotzdem schien der Zeuge auf den Titel Commissionär nicht wenig stolz zu sein, denn sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, als er die An gabe seines Standes machte. Auch an jenem Abende hatte ihn sein Com- missioüärberuf auf den Platz vor der großen Oper geführt und sein Amt bestand in nichts höherem, als den abreisenden Herrschaften den Wagenschlag zu öffnen und dafür ein kleines Trinkgeld zu er halten, und es war gerade Graf Gyula und seine Gemahlin gewesen, denen er zuerst diesen Dienst er wiesen. Schon bei den ersten Worten des Zeugen wurden die Richter sowohl wie die Zuschauer aufmerksam. Man ahnte sogleich, daß unter solchen Umständen dieser schlichte, einfältige Mann im Stande war, über die geheimnißvollen Vorgänge jener verhängniß- votten Nacht einige Aufschlüsse zu geben. „Ich wollte auch den Carneval ein wenig ge nießen"/ erzählte Brunet in seiner schläfrigen Weise, „und ich wanderte deshalb, nachdem ich in einem Cabaret noch ein Gläschen getrunken, zur großen Oper, vielleicht ließ sich da ein kleines Geschäft machen. — Es war ganz still auf dem Platze, nur die Musik konnte man deutlich hören. Wie ich noch so in Gedanken stehe, wurde es plötzlich auf dem Platz lebendig. Ich hörte Lärm und sah wie zwei Männer hart aneinander geriethen. Da war ich doch neugierig und ging näher. Ich sah wie ein